Stationen einer Liebe. Anna-Sophie Wagner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anna-Sophie Wagner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092882
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Andreas seine alte Heimat. Den See, der direkt am Park des Hauses lag. Er schwamm sogar bis zur Waldinsel, das Wasser war eisigkalt. Er lief zur alten große Eiche, wo er und Sophie so oft gepicknickt hatten. Und er sah sich die Pferdeställe an, in denen zwar jetzt nicht mehr so viele Pferde untergebracht waren, aber immer noch genug um vernünftig ausreiten zu können, was er auch gleich machte. Er wählte sich Prince einen schwarzen Hengst, das Lieblingstier seines Vater. Er schien nicht mehr so oft bewegt zu werden. Sein Vater hatte einmal erwähnt, dass er nur ihn und Andreas an sich ran lassen würde. Deshalb wunderte er sich nicht über den Zustand des Tieres. Er nahm sich vor, Martin darauf anzusetzen. Außerdem wollte er, wenn erst einmal die letzten drei Monate vorüber waren, wieder öfter hierher kommen. Den rechten Flügel des Hauses hatte er vollständig zu seiner eigenen Verfügung. Er hätte dort 18 Zimmer nutzen können. Davon drei Bäder.

      Am Sonntag war dann schon wieder Zeit abzureisen. Andreas hatte schöne Tage bei seiner Familie verlebt. Das würde ihm Kraft für die restlichen drei Monate geben.

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      Kapitel 6

      Zwei Monate später…

      Es war Montag und Andreas hatte einen Termin beim Chefarzt wegen der Anstellung nach seiner Spezialisierung. Wie vereinbart öffnete er um 9:30 Uhr die Tür zu Dr. Schneiders Büro. Mit einiger Überraschung stellte er fest, dass dieser nicht alleine war und nicht gerade glücklich aussah. „Setzen sie sich Falk!“, forderte er Andreas auf. Andreas tat wie ihm geheißen. „Das ist Generaloberstabsarzt Braun“, sagte Dr. Schneider. Jetzt verstand Andreas gar nichts mehr. „Guten Tag“, sagte er nur. „Guten Tag!“, antwortete dieser Braun ziemlich einsilbig. „Falk, Generaloberstabsarzt Braun möchte ihnen gerne etwas mitteilen“, erklärte Dr. Schneider Andreas.

      „Lieber Herr Falk“, begann Braun. Lieber, wenn er so Etwas schon hörte – das konnte nichts Gutes bedeuten, dachte Andreas. „Wir haben erfahren, dass sie einer der besten Nachwuchs-Chirurgen im Umkreis sind. Außerdem wissen wir, dass sie zu den abrufbaren Soldaten gehören, welche den Wehrdienst noch abgeleistet haben.“ Braun lächelte Andreas fast schon berechnend fies an und ließ sich Zeit, bevor er weiter sprach: „Herr Falk! Nachdem unser Land sich auf einen möglichen Krieg vorbereitet, werden derzeit alle Soldaten einberufen, die den gesetzlichen Wehrdienst noch pflichtgemäß abgeleistet haben. Gerade Ärzte fehlen in den Einsatzgebieten extrem.“ Während Braun sprach wurde es Andreas immer mulmiger zumute. Er wollte nicht glauben was er da hörte. Einberufung. Das war nicht deren Ernst! Und er musste an seinen Vater denken. Durch seine Gedanken hindurch hörte er Braun weitersprechen. „Deswegen Falk, bin ich angehalten sie einzuberufen und zwar nicht nur als Soldat sondern vor allem als Arzt!“, endete Braun nun. Wie bitte? Hatte er sich etwa verhört? Sie wollten IHN einberufen? „Ich glaube ich habe mich verhört, Generaloberstabsarzt Braun. Sie wollen mich einberufen?“, fragte er deswegen in der Hoffnung sich wirklich getäuscht zu haben.

      „Ja allerdings Falk! Ich will sie einberufen!“, kam die prompte Antwort von Braun, welcher mit einer eigenartigen Zufriedenheit zurückgelehnt im Stuhl saß. „Können sie das denn einfach so von mir verlangen?“, fragte Andreas. „Ja Herr Falk das kann ich durchaus“, antwortete Braun. „Wenn ich sie einberufe, sind sie verpflichtet meinem Befehl Folge zu leisten!“, führte Braun weiter aus. „Was wenn ich mich verweigere?“ „Dann werden sie, für die Zeit, für die sie einberufen werden sollten, unter Arrest gestellt – kurz, sie gehen ins Gefängnis – wegen Befehlsverweigerung!“, antwortete im Braun nun knallhart. Andreas wusste nicht wie ihm geschah. Er - einberufen. Was sollte er denn im Krieg? Eben weil die Bundeswehr nichts für ihn war, hatte er sich doch einen anderen Lebensweg gewählt. Und was war mit seiner Arbeit hier im Krankenhaus? Er wollte doch noch so viel lernen? Außerdem hatte er doch endlich vor, ein normales Leben zu beginnen – mit Freundin und Familie. Er schluckte und sprach Braun dann direkt an „Wofür werde ich einberufen? Ich meine für welchen Einsatz? Wo?“ „Dr. Schneider darf ich sie bitten den Raum zu verlassen oder uns einen anderen geheimeren Raum zur Verfügung zu stellen?“, richtete Braun seine Frage an den Chefarzt, welcher jetzt selber sehr blass war. „Ich werde sie beide hier alleine lassen“, antwortete er und verließ sein Büro.

      „So Falk. Ich kann verstehen, dass sie darauf nicht vorbereitet waren. Aber ich tue nur meine Pflicht. Sie sind einer der Besten, dazu noch ehemaliger Wehrdienstleistender und im richtigen Alter. Es fehlen sehr viele Ärzte in den Einsatzgebieten. Weil wir davon ausgehen, dass sie den Einsatz und die Tätigkeit als Arzt, Gefängnismauern vorziehen werden, haben wir bereits einen Einsatzplan für sie ausgearbeitet. Ihr Zielgebiet wird zu 90 % Syrien sein. Wenn sie heute zustimmen, werden sie die nächsten zwei Monate auf ihren Einsatz vorbereitet. Sowohl physisch als auch psychisch. Es wird auf beiden Ebenen eine enorme Belastung sein. Vor Ort werden sie die eingesetzten Bodentruppen begleiten und mit ebendiesen ein Lager im Krisengebiet als Arzt betreuen.“

      Spätestens jetzt, war Andreas schlecht – das war der blanke Horror! Er wollte das nicht, wollte nicht dorthin. Was sollte er nur tun? Wie sollte er sich entscheiden, was konnte er tun? Aber hatte er überhaupt eine Wahl? Er musste an seine Familie und an Susanne und Mia denken. Das war ein Albtraum, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen!

      „Wie lange“, fragte er schwach, „ich meine, für wie lange?“, mehr brachte er nicht heraus. „Wir werden sie für mindestens vier Jahre verpflichten!“, teilte ihm Braun nun mit. Das gab Andreas den Rest „Ich kann nicht – ich kann doch nicht für vier Jahre von hier weg!“, rief er nun verzweifelt aus. „Ich hab noch Dinge zu lernen und möchte mich als Arzt noch weiterentwickeln. Wichtiger noch, ich wollte mir gerade ein Leben aufbauen“, stammelte Andreas jetzt. „Hören sie Falk, im Grunde genommen haben sie keine Wahl und egal was sie jetzt auch sagen – ich erfülle hier nur meinen Auftrag. Sollten sie diesem nicht Folge leisten – werden sie morgen von Bundessoldaten abgeholt und für vier Jahre ins Gefängnis gebracht. Dort können sie dann gar nicht als Arzt praktizieren. Sehen sie - es ist auch möglich, dass sie sich im Kriegsgebiet weiter qualifizieren. Sogar den Doktortitel können sie erwerben“, versuchte Braun ihn nun doch noch zu besänftigen.

      „Habe ich auch irgendwelche Rechte?“, fragte Andreas nun wütend. „In diesem Fall steht unser Land und dessen Sicherheit an oberster Stelle – nein, Herr Falk, sie haben hier keine Rechte!“ Andreas saß da, als hätte man ihm jegliche Energie aus dem Körper gesaugt und sein Kopf war wie leer. „Kann ich mit jemandem darüber reden, bevor ich meine Entscheidung treffe?“ „Sicher, solange sie keine Details ausplaudern. Der Ort ist top secret! Ich bitte sie aber, das heute im Laufe des Tages noch zu erledigen. Falls ich bis heute Abend um fünf keine Nachricht von ihnen habe, werde ich die Bundessoldaten schicken Herr Falk! Hier ist meine Karte – ich erwarte ihren Anruf!“, damit verließ er den Raum und Andreas blieb allein zurück.

      Er fühlte sich, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. Es war alles so surreal – er konnte nicht glauben was eben passiert war. Vornüber gebeugt saß er auf einem Stuhl und hatte sein Gesicht in die Hände gelegt, als sich die Tür öffnete und jemand eintrat. Andreas wollte gar nicht wissen wer es war. Aber er konnte den bekannten Röntgenblick fühlen. Martin! „Andreas, was ist los?“, fragte dieser. Andreas schwieg. Er konnte nichts sagen. Kein Wort würde seine Lippen verlassen. Martin legte seine Hand auf Andreas Schulter, so hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Es gab eigentlich nichts, was Andreas erschüttern, nichts was ihn so aus der Bahn werfen konnte, oder doch? Oberarzt Miller war zu ihm gekommen und hatte ihm gesagt, dass sein bester Freund ihn heute vielleicht mehr denn je brauchen könne. Mehr hatte er ihm aber nicht gesagt. Auch der Chefarzt war mit einer total versteinerten Miene umhergelaufen. Was um Himmels Willen war denn nur passiert? Erst wusste er nicht wo er Andreas finden konnte. Im OP-Plan hatte man ihn entfernt. Aber wo war er? Dann sah er ihn sitzen, allein, im Büro des Chefarztes. Es war, als wäre er total abwesend. „Andreas – rede mit mir! Was ist passiert?“ Martin konnte nur ein kurzes Schnauben hören, so als wäre alles aussichtslos. „Mensch – jetzt rede schon mit mir!“, probierte er es weiter, um seinen Freund zum Reden zu bewegen. „Hey ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir sprichst!“, sagte er nun.