Wow – da hatte sie doch glatt sie alle drei abserviert. Das hatte Martin auch nicht erwartet. In seinem Rücken spürte er schon das Grinsen auf Andreas Gesicht. Aber das Gute war – jetzt war der selbstbewusste Frauenschwarm Andreas zurück. Das konnte er an Andreas ganzer Haltung und Ausstrahlung erkennen. War der Abend also doch nicht umsonst. Vielleicht hatte Andreas, ja nur eine andere Taktik, wie sie alle.
Jetzt musste Susanne dringend wieder zu Mia hoch schauen. - Fieberthermometer. 40,5°! Sie konnte sie jetzt nicht mehr so lange alleine lassen. Was sollte sie nur tun? Vielleicht konnte sie jemand vertreten? Sie rief Mara an, ob sie nicht einspringen könne. Mara nahm nicht ab. Vielleicht Joe? Okay, auch nicht – er lag mit Grippe im Bett. Was nun? Sie würde noch mal eine halbe Stunde versuchen. Dann musste sie mit Bernd sprechen. Sie lief zurück in die Bar und machte sich an die Arbeit.
Da war sie wieder. Der Blick hatte Andreas dermaßen durcheinander gebracht, dass er jetzt doch tatsächlich den Mut hatte – sie anzusprechen. Er musste es tun, bevor es jemand anders machte, das hatte er heute gelernt.
Oh mein Gott jetzt kam auch noch ER auf sie zu! Waren die denn heute alle bescheuert? Aber ER? Ihr Bauch fing an flau zu werden und ihr Herz schlug Purzelbäume – aufhören! – Das darf nicht sein! „Hi“, sagte er. „Hi“, antwortete sie prompt und hatte das Gefühl, kirschrot anzulaufen. Er setzte sich vor ihr auf den Barhocker. Und jetzt tat er es schon wieder! Er sah ihr in die Augen! Sie konnte nicht, sie konnte einfach nicht wegsehen. Auch sie schaute ihm direkt in die Augen. Es war ihr, als würde die Welt um sie beide verschwimmen. Alle Geräusche, alle Gerüche waren verschwunden. Sie wusste nicht einmal ob es warm oder kalt war. Es gab nur sie beide. Gar nicht gut! Gab ihr Gehirn zur Warnung. Ach Quatsch – der ist es – der ist unsere andere Hälfte – er ist der Richtige – der gehört zu uns! Gab ihr Herz zu bedenken. Plötzlich fühlte sie, wie sie in die rechte Seite geboxt wurde. Bernd! Verdammt jetzt war alles zerstört.
„Bring das zu Tisch fünf und bediene endlich den Herrn hier!“
Sie sah Andreas an und sie fühlte sich total zittrig und aufgewühlt. „Ich-, ich-, bin gleich wieder da“, ließ sie ihn wissen. Er nickte nur und sah ihr immer noch in die Augen. Dieser Blick, glasklar mit einem Glitzern, hoffnungsvoll und gleichzeitig fordernd - durchdringend. Gegen diesen Blick war sie total machtlos – er hätte alles von ihr verlangen können.
Mist, was musste ihr Chef das jetzt kaputt machen. Da war etwas zwischen ihnen beiden. Er konnte es deutlich spüren. Sein ganzer Körper spielte verrückt. Er fühlte sich wie high und gleichzeitig total schwach und zittrig. Dafür gab es einfach keine logische Erklärung – zumindest nicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachtet! Shit, Martin hatte mal wieder Recht! Da, jetzt kam sie zurück – seine Chance!
„Möchtest du was trinken? Kann ich dir was bringen?“, fragte sie. „Nein! Ich möchte - ich muss mit dir reden – es ist wichtig!“, sagte er. „Ich kann nicht!“, sagte sie wie aus der Pistole geschossen. Das traf ihn wie ein Blitz! Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, tat es ihr unheimlich leid und sie sagte: „Es ist gerade wirklich schlecht – alle wollen zahlen oder bestellen – ich weiß nicht wo ich zuerst hin soll! Kannst du noch kurz warten? Bitte?“ „Ja - ja klar“ Er fühlte seinen gefassten Mut ganz schnell wieder sinken, genauso wie er sein Selbstbewusstsein an sich vorbei spazieren sah! Das war´s dann.
„Wollen sie was bestellen?“, bellte nun der Chef auch noch in seine Richtung, „wenn nicht, lassen sie meine Angestellte gefälligst ihre Arbeit machen und setzen sie sich wieder!“ Das hatte gesessen. Andreas Selbstbewusstsein war jetzt zusammen mit seinem Mut und allem anderen verschwunden. Miese Verräter. Also stand er auf, nahm gleich zwei Gin Tonic mit und setzte sich wieder zu den Anderen an den Tisch. Jetzt war ihm alles egal und nur der Alkohol half noch.
Mensch der Arme, dachte Martin – jetzt hat er doch endlich den Mut gefasst und dann so etwas. Deswegen beschloss er mit zu trinken. Geteiltes Leid war schließlich halbes Leid. Das dachten wohl die anderen beiden auch. Und so bestellten sie gleich die nächste Runde.
Als sie wieder zur Theke kam und die Bestellung an Bernd weitergab, war ER weg. Andreas saß wieder am Tisch und hatte es sich wohl anders überlegt. Sie sah wie er schon das zweite Glas leerte. Wer weiß wovor mich das bewahrt hat, dachte sie. Jetzt wollte sie erst einmal zu Mia. Oben angekommen, schlief Mia sehr unruhig und wälzte sich im Bett hin und her. Das Fieberthermometer zeigte 40,8°! Jetzt konnte sie nicht mehr warten.
Aufgelöst rannte sie hinunter in die Bar zu Bernd. „Bernd, Mia hat schon den ganzen Tag Fieber! Es steigt von Stunde zu Stunde! Ich muss bei ihr bleiben und einen Arzt rufen – du musst hier alleine weitermachen.“ „Das geht jetzt nicht Susanne! Wenn du das machst, kannst du zukünftig gleich weg bleiben! Ich brauche jemanden auf den ich mich verlassen kann! Hier ist die Hölle los.“ „Aber sie hat HOHES FIEBER!!! Ich hab doch noch nie gefehlt!“, versuchte sie ihren Job zu retten. „Das weiß ich wohl, aber du musst sowieso schon froh sein, dass ich dich ab und zu hoch lasse zu ihr. Denk nicht das wäre mir nicht aufgefallen.“ „Gut, dann musst du mich eben kündigen! Ich werde die Arbeit bei dir nicht über das LEBEN von MIA stellen!“, mit diesen Worten nahm sie ihre Schürze ab und knallte sie ihm auf den Tresen.
Andreas konnte nicht anders er musste immer wieder zur Theke schauen und hatte so das ganze Gespräch mitgehört. Sie hatten irgendetwas von hohem Fieber gesprochen. Da kam der Medizinstudent in ihm raus. Wenn es um die Medizin ging – war er immer selbstbewusst, außerdem war er dann, auch trotz Alkohol, bei glasklarem Verstand. Und so stand er auf und lief Richtung Theke. Die drei anderen, schauten, ihm hinterher. „Entschuldigung wenn ich mich einmische. Ich habe zufällig euer Gespräch mit angehört. Kann ich irgendwie helfen?“, fragte er.
Susanne schaute ihn an – sie war dermaßen durcheinander und aufgewühlt „Meine….,“, ihre Stimme erstarb. „Meine Tochter Mia hat sehr hohes Fieber“, war alles was sie an Antwort zustande brachte.
Andreas schloss für einen kurzen Moment die Augen um sich selbst klar zu machen, wie blöd er gewesen war. Sich einzubilden – eine Frau wie sie wäre noch allein. Sie hatte eine Tochter! Dazu gehörte ein Vater – er war so ein Riesenvollidiot! Andreas reiß dich zusammen, jetzt zählt das Kind, dachte er und fragte: „Darf ich sie mir mal ansehen?“ „Ja, sicher.“ antwortete Susanne. Sie lief vorweg in Richtung ihrer Wohnung. „Wie hoch ist das Fieber?“, fragte Andreas. „40,8°!“ Klingt nicht gut – dachte er. Sie lief ihm voraus in Mias Zimmer. Er ging gleich zu Mia und setzte sich aufs Bett, fühlte ihre Stirn und sah ihre Zunge an. Dann zog er die Decke zurück und schaute sich ihren Körper an. Überall große rote Flecken. „Hat sie über irgendwelche Schmerzen geklagt?“ „Ja sie hatte ein wenig Halsschmerzen!“ „Wie lange hat sie schon Fieber?“ „Seit heute Mittag!“ „Was hast du seither unternommen?“ „Ich habe ihr schon zwei Fieberzäpfchen gegeben!“ „Bitte zeig mir welche.“ Sie zeigte ihm die Packung, „Hier.“ „Okay, ich tippe auf Scharlach – hatte sie das schon?“ „Nein!“ „Hattest du es schon?“, fragte er sie. „Ich glaube - ich weiß es nicht!“ „Du solltest möglichst nicht in ihrer Nähe sein, bevor wir nicht wissen, ob du es schon hattest. Es ist ansteckend und kann für Erwachsene gefährlich sein! Hast du etwas dagegen, wenn ich bei Mia bleibe?“ „Nein! Kannst du was machen?“, fragte sie aufgewühlt. „Ich werde ihr noch mal ein Fieberzäpfchen geben und ihr kalte Wickel an Beinen, Armen und Kopf machen. Wenn innerhalb einer halben Stunde das Fieber nicht sinkt, müssen wir ins Krankenhaus!“ „Wie alt ist sie?“ „Zweieinhalb!“ So schwer es ihm fiel musste er das jetzt sagen: „Du solltest ihren Vater benachrichtigen – es ist ernst“, sagte er. „Da ist – kein Vater!“
Irgendwie musste Andreas erleichtert aufatmen. Im ersten Moment, in der Bar, als er erfahren hatte, dass sie ein Kind hatte, war ihm als würde jemand sein Herz direkt aus ihm herausreißen. Er fühlte noch einmal Mias Stirn. Es sah wirklich