Verlorene Liebe. Sassika Büthe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sassika Büthe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738053180
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Doch irgendwie hatte ich mich verändert. Meine Freundinnen kamen mir plötzlich albern und oberflächlich vor. Am ersten Wochenende nach den Ferien bin ich dann mit ihnen zu einer Party gegangen, wo ich auch Michael wiedersah. Er war sehr nett, und wir haben uns unterhalten, aber die Gespräche haben mich gelangweilt. Er ist mir dann den ganzen Abend hinterhergelaufen, aber ich habe mich von ihm bedrängt gefühlt und bin ihm ausgewichen. Irgendwann hat er dann versucht, mich zu küssen, und ich habe ihn fortgestoßen. Es war merkwürdig. Vor ein paar Wochen habe ich mir genau das gewünscht, aber nun fand ich es nur eklig. Meine Freundinnen haben mich für verrückt erklärt, aber ich konnte mir nicht helfen. Er war so ganz anders als Marcos, mit dem ich viel tiefsinnigere Gespräche geführt hatte. Marcos war viel reifer als die Jungen, mit denen ich ansonsten zu tun hatte. Nach dieser Party bin ich noch auf ein oder zwei weiteren Partys gewesen, aber ich habe mich nicht mehr richtig wohlgefühlt. Auch von all meinen Freundinnen habe ich mich zurückgezogen und war plötzlich viel allein. Sie fanden mein Verhalten merkwürdig und hatten sich schließlich von mir abgewendet. Ich wusste selbst, dass ich mich merkwürdig benahm, aber ich wusste keinen Weg mehr aus meiner Trübsinnigkeit heraus. Marcos fehlte mir unglaublich. Es tat so weh, ihn nicht mehr sehen zu können, dass ich glaubte, an dem Schmerz zu ersticken. Am liebsten wäre ich in das nächste Flugzeug gestiegen und zu ihm geflogen, aber das war natürlich unmöglich. Letztendlich habe ich dann mein Versprechen gehalten, was ich Marcos gegeben habe und mich auf die Schule konzentriert, mein Abitur am Ende des Jahres erstaunlich gut abgeschlossen und angefangen, mein Leben neu zu ordnen und andere Prioritäten zu setzen. Ich wusste, dass ich Marcos nie wieder sehen würde, also war es besser, sich damit abzufinden und ihn zu vergessen. Als ich dich dann auf der Uni kennenlernte, hatte ich mit dem Thema einigermaßen abgeschlossen und wollte nicht mehr an ihn denken. Deshalb habe ich nie etwas gesagt und in den letzten Jahren auch kaum noch an ihn gedacht, bis er mir heute plötzlich über den Weg gelaufen ist.“

      „Und du bist dir wirklich sicher, dass er es war?“

      „Ja.“

      „Und was wirst du nun tun?“

      „Nichts, was soll ich schon tun?“

      „Na, ich weiß nicht. Du könntest ihn zum Beispiel suchen.“

      „Und dann?“

      „Ich weiß nicht. Vielleicht habt ihr ja noch eine Chance und…“

      „Nein“, unterbrach sie ihre Freundin barsch, so dass diese sofort abbrach. „Tut mir leid“, murmelte Julia. „Aber ich will das nicht.“

      „Schon gut, ich dachte ja nur. Vielleicht ist er ja der Richtige.“

      Julia lachte leise. „Du bist so naiv, dass du noch immer an die einzig wahre Liebe glaubst, Stefanie. Du bist doch auch schon so oft enttäuscht worden, dass du es eigentlich besser wissen solltest.“

      „Ja, aber ich bin immer wieder auf den Füßen gelandet, so wie du auch. Ich könnte dir helfen, ihn ausfindig zu machen.“

      „Nein, und das ist mein letztes Wort.“

      „Wovor hast du Angst, Julia?“

      „Ich habe doch keine Angst. Ich will einfach nicht…“

      Weiter kam sie nicht, da es in dem Augenblick an ihrer Haustür klingelte. Sie sah auf die Uhr. Es war bereits nach zweiundzwanzig Uhr.

      „Erwartest du noch jemanden?“

      „Nein, eigentlich nicht. Es ist wahrscheinlich nur Jan. Er kommt öfter einfach spontan vorbei.“

      „Du meinst, wenn er Sex will.“

      „Hör auf. Ich weiß, dass du ihn nicht magst, aber…“

      „Das hat damit nichts zu tun. Ich finde nur nicht gut, was du tust. Bist du nun mit ihm zusammen oder nicht?“

      „Ja… nein. Ich weiß nicht. Irgendwie schon, glaube ich.“

      Stefanie seufzte. „Ja, genau das meine ich. Ich hau dann mal ab und wünsch euch noch viel Spaß.“

      Mit diesen Worten stand sie auf und rauschte zur Tür hinaus.

      „Hallo Jan.“

      „Äh, hallo Stefanie. Komm ich ungelegen?“

      „Nein, Julia erwartet dich drinnen, tschau.“

      Jan schloss hinter sich die Haustür und kam zu Julia ins Wohnzimmer.

      „Was ist denn mit Stefanie los? Habt ich euch gestritten?“

      „Nein, nicht wirklich. Ich…“

      „Weiß du, eigentlich will ich es gar nicht wissen“, sagte er, zog sie in seine Arme und küsste sie stürmisch. Eigentlich wäre Julia jetzt gerne alleine gewesen, doch sie war zu erschöpft, um Jan abzuwimmeln, und außerdem sehnte sie sich nach einem warmen Körper.

      Die gewünschte Wirkung hatte es jedoch nicht erzielt. Später, nachdem Jan längst neben ihr eingeschlafen war, war sie trotz der Erschöpfung noch immer hellwach und fand keinen Schlaf. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, und sie sah Marcos wieder vor sich. Sie sah den schlafenden Jan neben sich an, der leise vor sich hin schnarchte. Was mache ich bloß mit ihm? Das fragte sie sich immer wieder. Jan war sehr nett, er sah recht gut aus und er war anständig. Er ließ ihr ihren Freiraum und war ein lustiger und humorvoller Begleiter auf Partys oder sonstigen Veranstaltungen. Doch abgesehen davon empfand sie nicht viel für ihn. Sie hatten keinerlei gemeinsame Interessen, und sie wusste, dass sie irgendwann das Interesse an ihm verlieren würde.

      Es stimmte, sie war viel gefühlskälter als damals. Sie hatte früh gelernt, dass Liebe sehr schmerzen konnte. Nie wieder wollte sie sich so verloren und allein fühlen, wie damals nach der Trennung von Marcos. Seit damals hatte sie sich geschworen, nie wieder so viele Gefühle zu investieren, nie wieder wollte sie ihr Herz verschenken.

      An der Universität hatte es einen Jungen gegeben, der sie sehr interessiert hatte und mit dem sie eine Zeitlang zusammengewesen war, doch als er ihr gefühlsmäßig zu nahe gekommen war, hatte sie kalte Füße bekommen. Sie hatte die Beziehung beendet, bevor es zu sehr schmerzen würde, wenn er irgendwann ging. Seither hatte sie immer nur kurze Beziehungen, die nie viel Bedeutung hatten, und das war auch gut so.

      Nach langen hin- und herwälzen in ihrem Bett, ohne wirklich zur Ruhe zu kommen und Schlaf zu finden, stand sie wieder auf. Sie ging in die Küche und machte sich einen Tee. Dann setzte sie sich mit ihrem Tee auf das Sofa und wickelte sich in die Wolldecke ein. Ihre nackten Füße waren eiskalt von den kalten Fliesen und dem Parkett in ihrem Wohnzimmer. Gedankenverloren schlürfte sie ihren Tee und ließ ihren Blick durchs Wohnzimmer kreisen. Dann fiel ihr Blick auf den alten antiken Schrank in ihrem Wohnzimmer, wo sie unter anderem ihre alten Fotos aufbewahrte. Plötzlich schoss es ihr durch den Kopf. Gab es nicht auch ein Foto, wo sie mit Marcos zusammen drauf zu sehen war? Sie war sich ziemlich sicher, ein Foto von ihm gehabt zu haben. Sie stand auf, öffnete den Schrank und wühlte darin herum, bis sie schließlich den Ordner mit den Fotos aus ihrem Urlaub in Puerto Rico fand. Sie zog ihn hervor und blätterte die Seiten um. Nichts. Es gab nur Fotos von ihrer Familie oder von der Landschaft Puerto Ricos. Sie dachte nach. Es gab doch ein Foto von ihnen beiden, das wusste sie genau. Es gab nur dieses eine Bild, da sie und Marcos im Hotel schließlich nicht Händchen halten durften. Und wenn sie sich abends getroffen hatten, war nie jemand dabei, der ein Foto von ihnen hatte schießen können. Sie selbst hatte damals keinen eigenen Fotoapparat besessen, umso erstaunter war sie gewesen, dass ihr Vater an dem Tag ihres Ausfluges mit Marcos ihr seinen teuren Fotoapparat in die Hand gedrückt hatte. Sie hatte nicht viele Fotos gemacht. Sie war viel zu angetan von der Umgebung und zudem viel zu beschäftigt mit Marcos gewesen, so dass sie es schlicht und einfach vergessen hatte, Fotos von Puerto Rico für ihren Vater zu machen. Doch sie erinnerte sich, dass eine Einheimische in irgendeinem Ort, dessen Name ihr nicht mehr einfallen wollte, unbedingt ein Foto von ihnen beiden hatte machen wollen, als sie die beiden so zusammen sah und so entzückt von den jungen Liebenden gewesen war. Also hatte ihr Julia die Kamera ihres Vaters anvertraut, wenn auch mit sehr gemischten Gefühlen. Sie hatte sich davor gegraut, ihrem Vater nachher gestehen zu müssen, dass die Kamera