Talare klaut man nicht. Hans-Otto Kaufmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Otto Kaufmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847626862
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      es ist entsetzlich, Herr Kommissar."

      Mit der Hand fuhr er sich durchs wirre Haar.

      "Lassen sie uns in unsere Wohnung gehen und uns setzen."

      "Hab' nichts dagegen. Es wird langsam kalt hier. Schließen sie bitte jetzt draußen ab."

      Sie gingen in den Gemeinderaum.

      5. KAPITEL

      Während der Hausherr im Flur die Türen schloss, orientierte sich Knut Steele.

      ... Stühle an den Wänden gestapelt ... Ein Klavier in der Ecke ... Hüfthohe Schränke an

      einer Wand ... Daneben ein Regal mit Druckerzeugnissen ... Mal nachschauen...

      Kinderbibeln... Große Bibelausgaben... Gesangbücher... Kalender... Bilderbücher...

      Broschüren ... Aufkleber ... JESUS LIEBT DICH ... Neben der Tür weitere Regale...

      Poster an den Wänden ... Pinnwand mit Fotos ... Gemeindebrief ... Termine ... NICHT

      VERGESSEN! ... Spendenbüchse ...

      Die Tür zum Flur ging auf und Pastor Knothe kam zurück.

      "Wenn sie mir bitte folgen wollen."

      Knut Steele blieb ihm durch ein 40-Watt-Flur- und Treppensystem auf den Fersen. Als

      Hans-Heinrich Knothe die Tür zum Wohnzimmer öffnete, dröhnte ihm der

      Fernsehapparat entgegen.

      'Scheint ja eine ganz normale Familie zu sein', war des Kommissars erste Reaktion.

      "Stellt ihr den Apparat wohl aus!", zeterte der Pastor.

      Drei Kindergesichter drehten erstaunt ihre Köpfe zur Tür.

      "Was soll das denn?"

      Fassungslos stemmte der Pastor die Hände in die Hüfte.

      "Mami hat uns aber erlaubt, den Spielfilm zu Ende zu schauen", sagte ein kleines

      Mädchen. Dem Hausherrn verschlug es die Sprache.

      Entschlossen schritt er zum Fernseher und schaltete ab.

      "Wo ist eure Mutter?"

      Die unschuldig dreinblickenden Mädchenaugen schauten ihn verständnislos an.

      "Na los, wo ist eure Mutter?", polterte ihr Vater.

      "Wissen wir doch nicht, vielleicht in der Küche, vielleicht oben bei den Großen."

      "Und ihr habt es euch hier schön gemütlich gemacht?"

      "Warum denn nicht, wenn Mama es uns erlaubt? Möchtet ihr auch ein paar Chips?"

      "Jetzt reicht es aber."

      Pastor Knothe stand kurz vor Erreichen des Siedepunktes.

      "Ich bringe euch sofort ins Bett ... Entschuldigen sie, Herr Kommissar, nehmen sie doch

      inzwischen Platz."

      "Herr Kommissar?", fragte aufgeregt eines der Mädchen.

      "Geil, Papa. Ist der echt? Was will der denn bei uns?"

      "Das geht dich gar nichts an, Henrike", versuchte der Hüne abzulenken.

      "Außerdem verbitte ich mir dieses Straßendeutsch!

      - Entschuldigen sie."

      Mit einem verkniffenen Lächeln blickte er zum Kommissar.

      "Setzen sie sich doch bitte."

      Er zog die drei vom Sofa, bugsierte sie kopfschüttelnd durch die Tür und verschwand im

      Flur.

      Über die plötzliche Entschlossenheit des Familienvaters konnte der Kommissar nur stau-

      nen, dann blickte er sich um.

      ... So sieht also heutzutage eine Pastorenwohnung aus...

      Leicht antiquiertes Mobiliar ... Große, durchgesessene Sitzgelegenheiten

      Häkeldeckchen auf dem Tisch ... Chipsreste ... Riesige Regalwand ... Gelsenkirchener

      Barock ... Jede Menge Familien- und Ahnenfotos an den Wänden … Klavier ...

      Häkeldeckchen auf den Tasten ... Darüber ein gehäkeltes Spruchband - Kreuzstich:

      ÜBEN HILFT LEIDER

      ... Sehr sinnig ... Was plätschert denn hier so lauschig? ... Luftbefeuchter? ... Quelle im

      Zimmer? ... Muss die Heizung sein ... Riecht leicht muffig ... Dicke, verbrauchte Luft...

      Kein Wunder, die Kinder haben mindestens drei Stunden ferngeschaut ... Neben der

      Flurtür eine Holztafel ... Noch ein Spruch:

      LOBE DEN HERRN, MEINE SEELE, UND VERGISS NICHT,

      WAS ER DIR GUTES GETAN HAT.

      Psalm 103,2

      In einem der Sessel nahm er Platz und langte zur Fernsehzeitung, die vor ihm auf dem

      Tisch lag. Nachdem er sich kurz über das Abendprogramm informiert hatte - Ben Hur,

      19.30 bis 24.00 Uhr - ging eine Seitentür auf und herein trippelte gedankenverloren eine

      drahtige, lange, nicht unattraktive Dame mittleren Alters.

      Interessiert betrachtete er sie. Obwohl er sich wirklich Mühe gab, dezent räuspernd auf-

      zustehen, konnte er nicht verhindern, dass die Drahtige zusammenzuckte.

      "Ach, haben sie mich erschreckt."

      Bedauernd stellte sich der Kommissar vor.

      "Lea Knothe ist mein Name. Ach, ist das nicht schrecklich? Aber nehmen sie doch bitte

      wieder Platz."

      Sie schob sich bedächtig in den anderen Sessel.

      "Was ist bitte schrecklich?"

      Mit großen braunen Augen schaute sie ihn lange an.

      "Ach, die Sache mit Herrn Paselmann. Deswegen sind sie doch wohl hier, oder? Wer

      konnte so etwas nur tun, den armen Mann niederzuschlagen?"

      "Wenn ich sie mal direkt fragen darf, Frau Knothe, was haben sie denn nach der

      Chorprobe gemacht?"

      "Ach, sie scheinen ja schon allerhand zu wissen."

      "Leider noch nicht alles, sonst säße ich nicht hier. Also, was haben sie gemacht?"

      "Ach, was habe ich gemacht?"

      Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.

      "Nach der Probe war ich mit unseren beiden großen Kindern, die natürlich auch im Chor

      mitsingen, noch einige Zeit in der Küche. Morgen beginnt doch die Synode hier bei

      uns."

      "Synode?“

      "Ach, so eine Art Treffen aller Pastoren hier im Bezirk und einiger Gemeindeglieder, die

      daran teilnehmen müssen, also dürfen."

      "Ich verstehe."

      "Und die werden immer mit einem Stehkaffee ... Ach, kann ich ihnen etwas anbieten,

      Herr Kommissar?... Ich bin noch etwas durcheinander."

      "Dankeschön. Sehr freundlich."

      "Danke ja oder danke nein?"

      "Danke nein."

      "Na gut, wie sie meinen. Also..."