HERBST 1969.. J.D.Hogefeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.D.Hogefeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847639879
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Musik Mix mit ihm zusammenstellen. Wehe er hat keine Eisbrecher dabei, dann wird´s zähflüssig. Aber nein, er hat doch fast alles so in seiner Plattensammlung und auf seinen Audiokassetten. Und wenn nicht, mal eben im Plattenshop ausleihen und aufnehmen. Wir wissen was gerade on Top der Charts ist. Kaufe ja regelmäßig den „Music Express“ und wir kennen die „Weekly Single Charts“ fast auswendig. Eigentlich sind meine großen Favoriten die Beach Boy´s und Moody Blues. Warum hast du´s ihr nicht gesagt. Na ja, die „Moodys“ sind ein Geheimtipp, nicht jeder kennt sie, außer vielleicht Nights in White Satin, aber sonst? Sind eben anders und keine Chartbreaker. Auf jeden Fall muss Pise, (eigentlich in der Langform Pisepampel), so wird Harald nämlich seit der Sexta mit Spitznamen genannt, die richte Mischung zusammenstellen. Unser damaliger Deutschlehrer Otto Stoche hatte die Angewohnheit, jedem Schüler einen Spitznamen zu verpassen. Meiner wurde ‚Yogi’, weiß nicht wieso, wegen dem Bären oder dem Nachnamen, egal, hat sich seit damals jedenfalls so eingebürgert. Kann damit leben, ist ja auch lustig.

       We can work it out

      Der Anfang ist wichtig, sonst kommt keine Stimmung auf und es wird öde. Werd´s ihm schon sagen. Wahrscheinlich schneidet er am Samstag wieder den „Beat Club“ mit. Hat sich am Fernsehlautsprecher seines Vaters ein Aufnahmekabel eingelötet. Ja, so ist das, als angehender Fernsehtechniker hat man so seine Optionen. Und unsereins? Weiter büffeln und die Schulbank drücken. Aber von seinen Aufzeichnungen kriege ich ja auch immer den „goldenen Schnitt“. Suche mir eben das Beste raus. Habe es auch schon mal selbst versucht, aber mein Vater war dagegen. Musste dann mein Mikro auf die Membrane drücken und keiner durfte etwas sagen, husten oder sonst was. Denn dann war die Aufnahme hin, konnte die Small Faces oder Kinks vergessen und dann, na ja gefiel meinen Eltern sowie so nicht. Beatclub! Bin mal gespannt was er wieder Neues anschleppt. Am Wochenende beschert uns Petrus Dauerregen. Nichts mit Modellfliegen, obwohl der bisherige Herbst eigentlich gut gelaunt war. Kann bestimmt nächste Woche zur Fete meine schwarze Schlaghose mit Schlitz, schwarzes Satinhemd und meine Basketballschuhe anziehen. Die Lederjacke ist dann nicht nötig, nur störender Ballast. Aber die Schlaghose hat ja keine Taschen, wohin mit den Rauchutensilien? Oder doch die braune Cordjacke? Kann sie ja locker überhängen und als Stauraum gebrauchen. Habe ja auch noch meine spezielle Plattensammlung mitzuschleppen. Mal sehen was der Sonntag bringt. Eben auch nur Trübsal. Harald hat gestern neue Songs mitgeschnitten. Sugar Sugar von einer neuen Gruppe aus den USA, den Archies. Die Monkees sollen da auch mitgemischt haben. Sind von null auf eins. Kenn ich noch gar nicht, hab meine Top Twenties auf „BBC“ in letzter Zeit vernachlässigt. Freu mich schon drauf, hat mir direkt den Song durch Telefon vorgespielt, aber die Qualität! Muss noch ein bisschen poliert werden. Na ja, hatte ja auch andere Sorgen. Noch vier Tage. Hoffentlich nicht die Rückgabe der Mathearbeit am Donnerstag. Aber kann das deine Stimmung trüben? Heute endlich. Ha-We und Gisela wie immer im Bus. Gisela geht zur Sternstrasse, Realschule für Mädchen gleich um die Ecke, wollen doch noch heute kommen die beiden. Gisela hat in ihre Klasse auch mal rumgefragt, dass heute bei uns ne tolle Fete steigt. Einige Mädels haben auch zugesagt. Na dann, um sechs läuft die Sache. Wer sagt’s denn, alles nach Plan. Wie ich schon dachte, Mathe glatt fünf, im Januar steht dann wieder im Zeugnis in der Fußnote „Wir weisen darauf hin, dass die Versetzung Ihres Sohnes in… „ Eigentlich nur ein Text für ahnungslose Eltern. Woher sollen die auch Bescheid wissen. Na ja, muss dann eben Deutsch oder Mathe aus dem Feuer reißen, ich denk mal Deutsch klappt schon. Demnächst auch ein bisschen ausgewogener Contras und Pro´s verteilen und der Weinlaub schmilzt dahin. Aber bis dahin. Heute wird gefeiert. Nach der Sechsten schnell nach Hause, kurzes Pflegeprogramm, Platten zusammenstellen, wollte Harald seine Zehnplattenspieler mitbringen oder ich meinen? Noch mal anrufen, ja er bringt seinen mit, kriegt von seinem Chef den kleinen Kombi, alles kein Problem, genug Stauraum, bringt auch ein Mischpult mit. Na dann Knutschen und Klammerblues mit Ansage. Da bin ich ja beruhigt. Geh früh aus dem Haus um ja den Bus nicht zu verpassen. Man weiß ja nie wie die Stadtwerke gerade drauf sind. Alles klar, der Benziner ist pünktlich, wie immer. Bist du nervös, ach nee. Ob sie an der „Rosegger“ wartet? Mach dich nicht verrückt. Sie hat doch zugesagt. Noch zwei Haltestellen. Jetzt die Kurve, da der Blondschopf. Sie steigt ein.

      „Hi Jutta, schön, dass du da bist.“

      „Hi, ja haben auch Glück mit dem Wetter.“

      Sie hat ihr Haar wieder zum Pferdeschwanz gebunden, und sonst, ja, sieht eigentlich ganz entspannt aus. Im Gegensatz zu mir.

      „Wie viel aus deiner Klasse werden denn kommen?“

      „Ja, unsere Clique besteht so aus 12 Mädels und die wollten alle um halb am Plattenladen unten warten. Ich glaub der heißt `Karl vom Kothen’ oder so ähnlich. Kennst du den?“

      „Klar, genau gegenüber vom Wupperfeld und dem Bleicherbrunnen, auf der anderen Seite der Berliner Strasse. Wir gehen durch den Fußgängertunnel und kommen genau dort gegenüber raus.“

      „Na Prima, dann können wir sie ja nicht verpassen.“

      Die Fahrt ist eigentlich zu kurz, sonst viel zu lang. Wollte ihr noch meine Platten zeigen, aber wir müssen raus. Wo Gisela und Ha-We wohl stecken? Egal. Werden schon da sein. Wenn sie zugesagt haben, ist auf sie Verlass. Wir gehen durch den Fußgängertunnel und ich muss am dortigen Kiosk noch Zigaretten kaufen. Eine 12er Packung „JUNO“ wird wohl für heute reichen. Kann ja auch noch nen paar drehen. Jutta kauft keine, aber sie wartet geduldig. Dann die Treppen links rauf und oben sehe ich die Mädels unruhig vorm Schaufenster warten. Jutta geht auf sie zu und stellt mich kurz vor:

      „Hi, hier ist der Dieter vom `CDG`. Und hier die Unterstützung aus meiner Klasse: das ist Angelika, Carin, Brigitte, Erika, Gudrun, Heike unsere Mathespezialistin und das ist meine beste Freundin Astrid.“

      Ich hör nicht mehr hin, meine beste Freundin Astrid. Super kurzer Minirock, mindesten drei Handbreit über dem Knie ein weißer Faltenrock. Was für Beine, lang bis unendlich. Und die Haare. Schwarzbraun mit Mittelscheitel und offen bis fast in die Taille. Und ihre Augen, tiefblau oder grau? Etwas durcheinander sage ich den Mädels, ob ich mal vor gehen solle, aber sonst sollen ja eigentlich die Damen zuerst vor dem Herrn gehen, so wie in der Tanzschule gelernt, aber diesmal müsste ich die Ausnahme von der Regel machen, da wir noch ein Stück den Berg rauf müssen. Unterwegs fällt mir kaum ein Gesprächsstoff ein. Astrid bleibt ganz hinten in der Gruppe, unterhält sich mit Heike oder wie hieß sie noch? Egal, scheint etwas schüchtern zu sein. Derweil fällt mir kein wichtiges Thema ein.

      „Mensch Jutta, da hast du ja die `Elite` von der Städtischen Realschule für Mädchen mitgebracht. Dann lasst uns mal losgehen. Aber wisst ihr eigentlich, dass das `CDG` einmal die ‚Oberrealschule für Jungen mit mathematisch naturwissenschaftlichen Lehrziel’ war. Jetzt aber `Naturwissenschaftlich-Mathematisches Carl Duisberg Gymnasium` heißt? Die alte Bezeichnung ist noch gut im verwitterten Sandgestein über dem Haupteingang zu erkennen. Sieht irre aus der Bau.“

      Keine Antwort. Ich fahre mit meinem Monolog fort. Wenigstens scheinen Jutta und Angelika zuzuhören. Die anderen tuscheln so rum.

      „Wir feiern die Fete in dem alten ehrwürdigen Gebäude dort oben, dem roten Ziegelsteingebäude mit Jugendstil-Anklängen. Unsere Oberstufe ist nämlich ausgegliedert worden ins Nebengebäude, da gibt’s nicht solche Räumlichkeiten. Die Aula ist im 4. Stock. Aber eigentlich nicht in der Aula selbst, sondern auf dem erhöhten Podest, dort findet immer der Musikunterricht statt und heute dürfen wir die Anlage für die Fete benutzen. Unsere Musik-Boxen da rauf zu schleppen war ja auch ganz schön mühsam sowie die Getränkekästen und so.“

      Interessierte Zuhörerrinnen hab ich anscheinend heute überhaupt nicht.

      „Wir gehen durch den Haupteingang, der allerdings um Acht vom Hausmeister abgeschlossen wird. Ihr müsst dann die Ausgänge zum hinteren Schulhof nehmen oder es kann sein dass der Nebenausgang auch noch offen ist. Muss mal gleich Hr. Blichert fragen, das ist unser Vertrauenslehrer, der offiziell die Aufsicht für heute abend führt.“

      Gott sei Dank biegen wir um die Ecke in den Diesterweg und stehen vor dem alten Backsteingebäude. Nichts wie rein. Vorbei an dem Raum für Fahrschüler, ein Privileg für die weiter entfernt Wohnenden,