Schuldig geboren. Hans Schaub. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans Schaub
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844256864
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      Hans Schaub

      Schuldig

       geboren

      Eine Familiensaga aus dem Jura

      Impressum

      Schuldig geboren

      Hans Schaub

      Published by: epubli GmbH, Berlin

       www.epubli.de

      E-Book-Produktion: DIPUB Media Christian Melle, Potsdam

      www.dipub.de

      Copyright © 2013 Hans Schaub

      ISBN 978-3-8442-5686-4

      Gewidmet meiner Mutter

      Maria geborene Zeller

      «Es gibt keine Fiktion,

      die nicht auf Erfahrung beruht.»

      Max Frisch

      Inhalt

       Cover

       Titel

       Impressum

       Widmung, Zitat

       Herbert

       Albert Stoll, Herberts Grossvater

       Max

       Marta

       Max, der Krüppel

       Max und Marta

       Die Vergewaltigung

       Der Portier

       Das Wunder von Waldenburg

       Der Tod des Totengräbers

       Tod und Geburt

       Druckerei Stoll

       Die Hochzeit

       Familienglück

       Das Familiengeheimnis

       Tag der Wahrheit

       Dank

      Noch nicht vierunddreissigjährig, hatte es Herbert Stoll schon weit gebracht. Eine der grössten Druckereien der Gegend war sein Eigen. Nicht ganz, wie er oft im Freundeskreis scherzhaft zu sagen pflegte: «Die Druckerei gehört der Bank und mir.»

      Erst am Wochenende war er aus dem Libanon zurückgekehrt. Dort war er seinen Verpflichtungen als Vorstandsmitglied in den Unternehmen seines Schwiegervaters nachgekommen. Haneen, seine Frau, die ihn begleitet hatte, war im Libanon geblieben. Ihre Mutter hatte sich nicht wohlgefühlt.

      Es war Dienstag, der 3. September 1976. Im Terminkalender keine einzige Besprechung oder Sitzung. Einer jener Tage, an denen Herbert Zeit fand, den sich auf seinem Schreibtisch stapelnden Berg unerledigter Pendenzen abzuarbeiten. Den allmorgendlichen Rundgang durch seinen Betrieb wollte er etwas ausdehnen, Zeit haben für Anliegen seiner Mitarbeiter.

      Wie immer, wenn Haneen im Libanon war, verwöhnte Frau Waldmeier ihren Chef mit frischen Gipfeli und einer Tasse Kaffee. Dass sie ihren Chef duzte und er zu ihr per Sie war, fiel den meisten Besuchern in der Regel rasch auf. Ja, sie hatten ein besonderes Verhältnis, und wer die Firmengeschichte der Herbert Stoll AG kannte, wunderte sich darüber weiter nicht.

      Herbert machte sich auf zum Rundgang. Unter der Tür sagte er zu Frau Waldmeier: «Es könnte heute etwas länger dauern. Im neuen Maschinensaal möchte ich mit den Monteuren, die gestern gekommen sind, noch ein paar Worte wechseln.»

      Rosmarie Waldmeier nickte und fragte: «Mein Mann hat heute Geburtstag und ich habe noch kein Geschenk für ihn. Kann ich etwas früher gehen?»

      «Schon gut, Frau Waldmeier, gehen Sie doch so nach drei Uhr», waren die Worte, die Stolls Sekretärin noch hörte, bevor dieser die Tür hinter sich schloss.

      Gleich zu Beginn seiner Runde begrüsste er die beiden Monteure, die während der nächsten zwei Wochen die neue, leistungsfähige Druckmaschine montieren sollten. Er erkundigte sich, ob sie sich im Hotel wohlfühlten. Seinen Betriebsmechaniker, der danebenstand, ermunterte er, bei der Montage mitzuhelfen und vom Know-how der Monteure zu profitieren.

      «Du kannst dich auf mich verlassen, auch wenn es mal später am Abend wird», gab der Betriebsmechaniker zurück.

      «Geh doch ein-, zweimal mit den beiden auf Kosten der Firma zum Essen in den Leuen, ein gutes Verhältnis zu Monteuren zahlt sich über die Zeit immer aus», sagte Herbert und ging zielstrebig zur Spedition.

      Dort ging es am frühen Morgen immer lebhaft zu. Hier trafen sich seine eigenen Leute mit Abholern und Chauffeuren. Die am Vortag und in der Nacht gedruckten Erzeugnisse lagen hier bereit zum Abholen oder zum Versand, und hier wurden auch die neuesten Informationen ausgetauscht, über dies und jenes getratscht, Pause gemacht und Kaffee vom Auto­maten getrunken.

      Herbert Stoll trat in den Raum. Eine fast unheimliche Stille schlug ihm entgegen. Niemand lachte, alle redeten nur gedämpft miteinander. Irgendetwas war anders als sonst. Heute konnte er nicht mit einem flotten, lockeren Spruch die Stimmung ändern. Im Moment traute er sich auch nicht, jemanden anzusprechen, wen auch?

      Frau Berner trat zu ihm. Sie wohnte im Nachbarort, wo Stoll aufgewachsen war, und holte jeweils die druckfrischen Prospekte für ihre Firma ab. Sie streckte Stoll die Hand entgegen. «Herr Stoll, ich kondoliere Ihnen zum Tod Ihrer Mutter, es tut mir leid.»

      Stoll erschrak, verunsichert schaute er Frau Berner an, die Hand übersah er. Reflexartig drehte er sich um. Nur raus, weg von diesen Leuten, die ihn anstarrten. Wortlos nickte er Frau Berner zu, verliess die Spedition und schlug den Weg zu seinem Büro ein. Er stürmte durch das Vorzimmer, in dem Frau Waldmeier gerade die Morgenpost sortierte, in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. So hatte Frau Waldmeier ihren Herbert noch nie gesehen. Das ausdruckslose, bleiche Gesicht, der leere Blick. Und dass er sich eingeschlossen hatte, war in den zehn Jahren, seit Herbert ihr Chef war, nie vorgekommen. Behutsam klopfte sie an. Nachdem sich auf ihr Klopfen nichts regte und kein «Kommen Sie herein» zu hören war, öffnete sie die Tür. Sie erschrak, als sie Herbert leichenblass auf dem Besucherstuhl sitzen sah. Er regte sich nicht, schien sie nicht wahrzunehmen. «Was fehlt dir, brauchst du einen Arzt?», fragte sie zögernd. Mit den Worten, sie solle ihn in Ruhe lassen und es fehle ihm nichts, schickte er sie hinaus. Nach einigen Minuten hörte sie, wie in Herberts Büro das Telefon lange läutete. Kaum hatte es der Anrufer offenbar aufgegeben, leuchtete an ihrem Apparat die rote Lampe auf. «Druckerei Stoll, Waldmeier am Apparat, was kann ich für Sie tun?»

      «Guten Tag Frau Waldmeier, hier ist Sebastian Furrer, ist Herbert nicht in seinem Büro?», fragte der Anrufer. «Ich versuchte ihn eben über die Direktwahl zu erreichen, doch er antwortet nicht. Seien Sie doch so nett und verbinden Sie mich mit ihm.»

      Frau Waldmeier kannte Sebastian Furrer, ein Freund von Herbert, sie trafen sich regelmässig zum Joggen. «Es tut mir leid, Herr Furrer, ich kann Sie im Moment nicht verbinden.»

      «Dann richten Sie ihm bitte aus, dass er mich nach der Besprechung, in der er offenbar steckt, zurückruft.»

      In ihrer Erregung rutschte es aus ihr