Karl Hellauers Wandlung im Zweiten Weltkrieg. Kurt F. Neubert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt F. Neubert
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844277463
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und dröhnend, rollte dumpfes Grollen zu Tal. Und aus der Tiefe des Kraters stieg brodelnd schwefelgelber Rauch.

      Kaum hatte sich der Rauchvorhang verzogen, sah Karl den verderblichen Oktopus tief unten in einem klaffenden Schlund verenden …

      Eine zauberhafte Begegnung

      In diesem Augenblick schoss pfeilschnell ein Schatten auf ihn zu. Erschreckt zuckte er zusammen. Mit einem schnellen Ausweichschritt wollte er einen Zusammenstoß mit dem jungen Geschöpf vermeiden. Doch das Wesen, das nach einer Wegebiegung plötzlich aufgetaucht war, wich ein wenig zur Seite, aber in dieselbe Richtung wie Karl. Beide blieben wie festgenagelt stehen. Karls scheuer Blick blieb entzückt an dem hübschen Kind, das plötzlich vor ihm stand, hängen. Sie war vielleicht fünfzehn Jahre alt. Ihre überaus reizvolle Anmut ließ sein Herz plötzlich schneller schlagen. Nie zuvor hatte er ein schöneres Mädchen gesehen. Eine warme Zärtlichkeit erfüllte seine Brust. Doch bevor er etwas sagen konnte, schossen Blitze aus des Mädchens Augen, und ihrem Munde entstieg der Ausruf: „Können Sie nicht aufpassen, Sie unreifer Jüngling!”

      Wie aus tiefem Schlaf erweckt, verharrte Karl verlegen und unschlüssig mitten auf dem Weg. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Die Zunge klebte, einem trockenem Blatt gleich, am Gaumen. Er sah in seiner halben Ohnmacht wie hypnotisiert auf die blühende Erscheinung, die im weißen Kleid im Licht des Tages stand. Einen Wimpernschlag lang versank um Karl die große weite Welt. Ihr schönes Antlitz, mit dem Reiz kindlicher Unschuld, war voller Zauber. Dazu wundervolle grüne Augen, herrlich blitzende Zähne zwischen den halb geöffneten, feuchten Lippen. Und am Halse des schönen Kindes hing ein goldenes Kettchen mit einem Anhänger, auf dem ein vierblättriges Kleeblatt glänzte. Auch genoss er den Anblick der zarten Wölbungen des Kleides, zierliche Brüste darunter ahnend. Am liebsten hätte er das Haupt dieser unschuldigen Blume mit Kirschblüten umkränzt.

      Welt unerfahren, war er noch immer in großer Not, denn er vermochte weder eine Entschuldigung, noch ein liebes Wort hervorzustoßen. Ihre Wohlgestalt, ihr wunderschönes Antlitz und das Haar, das sich goldblond über die Schultern ergoss, hatte in ihm ein Wirbel von Wonne erzeugt, so dass er knabenhaft erbebte. Jugendliche Scheu hinderte ihn, das holde Wesen anzusprechen.

      Gleichsam einem unsichtbaren Hauch, rieselte eine erregende Seligkeit durch sein Herz. Er dachte: ist das Liebe auf den ersten Blick? …

      In jenem Augenblick erhob das zauberhafte Wesen ihr Antlitz Karl entgegen. Und mit einem eigenwilligen Zug um den Mund sagte sie mit einer liebkosenden Stimme: „Träumen Sie weiter, junger Mann, und lassen Sie sich beim Träumen nicht aufhalten!”

      Und schon schritt sie erhobenen Hauptes davon. Karl blickte ihr wie ein ertappter Dieb nach. Ihr Schritt war leicht und voller Grazie. Der Klang ihrer hellen Stimme hatte ihn in einen erhebenden Zustand versetzt. Am liebsten hätte er sich niedergekniet und gebetet.

      In der folgenden Nacht träumte Karl von ihr. Das Sonnenlicht fiel mit mildem Scheine auf das liebreizende Antlitz. Das kindliche Mienenspiel ihrer Gesichtszüge war verschwunden. Sie war weiblicher, reifer, schöner geworden, wie nach dem Aufbrechen einer Knospe zur Blüte hin. Sie raffte die Flut ihrer Haare, beugte sich ihm entgegen, und ihrer beider Lippen hatten sich im Kuss vereinigt. Karl fühlte eine unauslöschliche Glut in seinen Adern lodern.

      War das ein gutes Omen?

      Wann wird er sie Wiedersehen, die schöne Unbekannte, die Traumprinzessin? Wird er am Ende enttäuscht sein?

      In den Tagen danach strich er suchend durch die Straßen und Gassen der Stadt. Auch im Park suchte er sie vergebens. Sein Herz war voller Traurigkeit. Alles was ihm blieb, war ein Hauch von Seligkeit und eine große Sehnsucht nach ihr. Karl trug eine neue Welt in sich.

      2. Kapitel

      Freiwillig zur Wehrmacht

      Als im Jahre 1940 der Herbstwind über das Land und durch die Bäume fuhr, buntes Laub von den Ästen riss und es raschelnd durch die Straßen fegte, ging Karl, nun sechzehn Jahre alt, mit flammender Begeisterung für Hitler zum Wehrkreiskommando. Zwei Freunde gingen mit ihm. Sie meldeten sich freiwillig zur Wehrmacht. Sie glaubten in ihrer kindlichen Naivität der Krieg sei ein berauschendes Abenteuer, in das sie sich stürzen müssten. Ein Knabentraum, der in ihnen glühte, sollte endlich in Erfüllung gehen. Die kleinlichen Sorgen des Alltags waren nach ihrer Ansicht nicht mehr gefragt. Der Krieg, der seid einem Jahr in Europa tobte und von den Trommlern des Reiches gerühmt wurde, hatte in ihnen große Gefühle, wie Vaterlandsliebe, Wagemut, Kampf und Opferbereitschaft geweckt. Mit Inbrunst und hingebungsvoller Treue dachten sie an den Führer, der die Flamme der Begeisterung in ihren Herzen entfacht hatte. Für sie war Adolf Hitler der große Staatenlenker, der grandiose Schmied, der die Zukunft Deutschlands neu gestaltete und die Welt in Besitz nehmen wollte.

      Jetzt, wo es um Deutschlands Wehrhaftigkeit ging, so meinten die Jünglinge, dürfte man keinesfalls abseits stehen. Mit der Waffe in der Hand wollten sie einen grandiosen Beitrag zum Endsieg leisten. Die Feinde mussten unbarmherzig geschlagen werden. Man durfte ihnen keine Atempause gönnen. Es galt ununterbrochen auf sie ein zu prügeln, bis keiner mehr von ihnen sein Haupt erheben konnte.

      Hatte der Führer nicht schon im Januar 1939 verkündet, dass die westlichen Plutokraten und das Weltjudentum Deutschland in einen Krieg ziehen wollen? Der Führer hatte diesen Anschlag auf Deutschlands Friedenswillen mit einem klugen Plan vereitelt, so stand es in den Zeitungen. Sie verkündeten, dass er als erstes das dreckige Polen züchtigte, das in einer perfiden Aktion, wie berichtet, den Sender Gleiwitz1 in Oberschlesien überfallen hatte. In Polen wurden die Volksdeutschen, genau wie im Sudetenland diskriminiert, sie waren Terrorakten ausgesetzt; ihre Vertreibung wurde organisiert.

      Kein Zweifel – Karl, ein treuer Hitlerjunge, war voll und ganz patriotisch eingestellt. „Hasserfüllt sehen andere Völker und ihre klein geistigen Politiker auf Deutschland herab, weil sie uns um unseren genialen Führer beneiden”, sagte er auf Weg zum Wehrkreiskommando zu seinen Freunden. Es war wie ein Gelöbnis in dieser schicksalhaften Zeit an den Führer.

      Mit seinen Freunden hatte er begeistert den Beginn und den Verlauf des Krieges verfolgt, und ihnen war die Brust geschwollen, als Deutschlands Soldaten innerhalb von drei Wochen die polnischen Truppen hinweggefegt hatten.

      Danach, im April 1940, wurden Dänemark und Norwegen durch Heer und Marine in einem Blitzunternehmen besetzt. Es hatte kaum Verluste gegeben. Welch geniale Strategie des Führerhauptquartiers, den Engländern, die die Länder besetzen wollten, zuvorzukommen.

      Kaum war die Freude über diesen kühnen Handstreich verebbt, stießen die

      deutschen Heeresverbände am 10. Mai 1940, unterstützt von den Luftstreitkräften über Holland, Belgien und Luxemburg, in die französischen Gebiete hinein. In nur sechs schicksalsträchtigen Wochen, lag die französische Armee geschlagen am Boden und wurde zur Kapitulation gezwungen. Welch grandioser Sieg!

      Diese Erfolge der Wehrmacht auf den Schlachtfeldern Europas, erschienen den jungen Burschen wie ein Fingerzeig Gottes auf die Größe des Führers und dessen strategische Fähigkeiten.

      Karl glaubte sogar, die Schlachten Alexander des Großen, der Griechen, die von Cäsar und Hannibal, Arminius, Alarichs und Tschingis Khans, die der Türken, der Angelsachsen, des Mohammed, Friedrich des Großen und Napoleons seien ein NICHTS gegen die Blitzkriege des Dritten Reiches unter Adolf Hitler! Daher klangen die Worte seines Hitlerjugend-Führers in ihm weiter fort, als der nach dem Sieg über Frankreich erklärt hatte: „Der Ruhm der deutschen Wehrmacht wird die Jahrtausende überdauern.”

      Der Gestellungsbefehl

      Nach Monaten vergeblichen Wartens und der Musterung wenige Wochen nach der freiwilligen Meldung, erhielt Karl am 23. Mai 1941 den Gestellungsbefehl.

      Am Abend, von der Arbeit nach Hause kommend, überreichte ihm die Stiefmutter unter Tränen das Schriftstück.

      Herrgott, war er aufgeregt! – Sollte er jubeln? Ihm wurde ganz heiß. Er setzte sich still auf die Bank am Hauseingang und blickte versonnen auf das Dokument. Seine Glieder