Die Pferdesoldaten 06 - Keine Gnade für Farrington. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия: Die Pferdesoldaten
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742725226
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aber sie brachte Neuigkeiten und Zeitschriften. Die Damen waren vor allem von den Katalogen der großen Warenhäuser begeistert. Auch wenn man sich die meisten Dinge nicht hätte leisten können, so gaben die abgebildeten Kleider und Accessoires doch Anregungen für die eigenen Näharbeiten. In Josefine´s Saloon entwickelte sich zunehmend ein bescheidener Bestellhandel.

      Das Leben in Farrington verlief in friedlichen und geordneten Bahnen und schien von den Ereignissen außerhalb unberührt.

      Bis zu jenem Tag, an dem die Kutsche eine Zeitschrift mitbrachte, in der von Krieg die Rede war.

      Krieg zwischen den Unionsstaaten des Nordens und den konföderierten Staaten des Südens.

      Diese Neuigkeit schien Farrington in seiner beschaulichen Ruhe kaum zu betreffen und doch elektrisierte sie seine Bewohner und auch den Stamm von Many Horses. Letzteren so sehr, dass er nach Farrington kam, um dort mit dem Grafen zu sprechen.

      Krieg war nie ein Thema zwischen Sioux und deutschen Siedlern gewesen, doch die Nachricht aus dem Osten zwang es ihnen auf.

      Es gab eine breite Veranda vor dem großen Bürgermeisteramt, auf der Tische und Stühle standen. Doch von Trauenstein hatte es sich angewöhnt, zu Ehren seines indianischen Gastes mit einer Decke Vorlieb zu nehmen. Many Horses schätzte diesen Respektbeweis und er schätzte ebenso die selbstgemachte Zitronenlimonade, die Josefine ihnen beiden brachte.

      „Ich habe frischen Apfelpfannkuchen, Chief“, berichtete Josefine. „Es wäre mir eine Freude, wenn ich Ihnen einen ordentlichen Teller mitgeben dürfte.“

      „Mein Weib und meine Enkel mögen eure deutschen Apfelpfannkuchen. Ich werde sie ihnen gerne mitbringen.“ Der Chief lächelte sanft. „Auch ich bin ihm nicht abgeneigt.“

      Many Horses beherrschte die Sprache des weißen Mannes, das Englische, nahezu perfekt und hatten sich inzwischen, da es ihm Vergnügen bereitete, sogar ein paar Worte Deutsch angeeignet. Von Trauenstein fiel es hingegen schwer, die Stammessprache der Lakota zu erlernen und seine diesbezüglichen Versuche riefen immer wieder ein freundliches Lächeln bei Many Horses hervor. Die beiden Männer verstanden und vertrauten einander, was vor allem daran lag, dass sie ehrlich miteinander umgingen und Unstimmigkeiten, die zwischen Deutschen und Indianern auftreten konnten, stets gemeinsam regelten.

      Von Trauenstein kannte inzwischen die Angewohnheit seines Gastes, erst ein wenig über die täglichen Dinge des Lebens zu plaudern, bevor man zum eigentlich Grund eines Zusammentreffens kam.

      So redeten sie eine Weile über die anstehende Büffeljagd und welche Bedeutung der Büffel für das Leben des roten Volkes besaß, und der Graf bedankte sich für das Angebot, dass zwei Männer aus Farrington die Jagdgruppe der Sioux begleiten sollten. Von Trauenstein berichtete über die Arbeiten an den Bewässerungsgräben für eines der Felder und was man sich davon erhoffte.

      Many Horses waren die Arbeiten an zwei Häusern im Osten der Stadt aufgefallen und er erkundigte sich nach deren Zweck.

      „Wir hoffen, hier eine Pferdewechselstation für die Überlandkutsche einrichten zu können“, erklärte von Trauenstein. „Inzwischen führt ja die neue Straße durch unseren Ort und die Postkutsche kommt einmal in der Woche. Wir wollen Pferdewechsel und einen bequemen Aufenthalt für die Passagiere anbieten. Das bringt uns zusätzliche Einnahmen, die wir wiederum in Farrington investieren können. Das andere Gebäude wird unser Schulhaus.“

      „Ihr wollt weiter wachsen, Weißhaar?“

      „Wir brauchen dringend eine Schule. Inzwischen leben viele Kinder bei uns, die unterrichtet werden müssen. Momentan behelfen wir uns, in dem meine Tochter Josefina und zwei der anderen Frauen in ihrem Saloon unterrichtet, aber das ist keine wirkliche Lösung. Wir brauchen ein Schulhaus und Unterrichtsmaterial, wie zum Beispiel Tafel, Schreibhefte und Bücher, sowie einen Lehrer oder eine Lehrerin.“

      „Wir brauchen so etwas nicht“, erwiderte Many Horses lächelnd. „Unsere Mädchen lernen von den Frauen und unsere Jungen von den Kriegern. Jeder lernt, was er wissen muss.“

      „Das ist wohl wahr“, gab von Trauenstein zu. „Für euer Volk ist es wohl auch die richtige Lösung, denn euer Stamm bleibt stets beisammen. Doch einige unserer Kinder werden irgendwann Farrington verlassen und, wie man so schön sagt, hinaus in die Welt ziehen. Dann müssen sie lesen und schreiben und rechnen können, und eine Vorstellung davon haben, wie es in den großen Städten zugeht.“

      „Die großen Städte der Weißen…“ Many Horses schüttelte den Kopf. „Häuser aus Stein und schlechte Luft. Krankheiten und Menschen, die einander nicht kennen. Kein Blick für die Schönheit der Natur. Nur das Streben nach Gold und Vergnügen.“

      „Ein etwas einseitiges Bild, mein roter Freund, welches du da zeichnest, auch wenn Einiges davon wahr ist. Mich selbst würde es auch nie wieder in eine große Stadt ziehen.“ Von Trauenstein seufzte. „Aber ich kenne den Drang der Jugend und unsere Pflicht ist es, unsere Kinder auf das künftige Leben vorzubereiten.“

      „Ihr lebt hier und ihr lebt gut. Ihr züchtet Vieh und bestellt eure Felder. Wenn euch die Abenteuerlust packt, so könnt ihr mit uns auf die Büffeljagd gehen.“ Der alte Häuptling lächelte. „Oder auf den Kriegspfad, wenn sich eure Knaben als Männer erweisen wollen.“

      Die Deutschen wussten, dass es immer wieder zu Kämpfen zwischen verfeindeten indianischen Stämmen kam. Bislang war dies nie ein Thema gewesen und der Graf ahnte, dass der Chief damit zu dem Thema überleiten wollte, dass der Grund für seinen Besuch war.

      „Krieg ist nicht gut“, sagte von Trauenstein mit fester Stimme. „In Europa, dem Kontinent, auf dem meine alte Heimat liegt, wird immer irgendwo Krieg geführt.“

      „Um neue Jagdgründe oder weil die Krieger eines anderen Stammes in euer Gebiet kommen?“

      „Manche Völker wachsen sehr schnell und wollen sich ausbreiten. Doch in den meisten Kriegen geht es wohl um verletzten Stolz oder um wertvolle Ressourcen.“

      „Ressourcen?“

      „Wertvolle Dinge, die im Boden verborgen sind.“

      „So wie das glänzende Gold, welches die Weißen so schnell verrückt macht?“

      „Auch, aber ich meine eher Eisenerz, Kohle und ähnliche Dinge. Rohstoffe, die man benötigt, um eine Industrienation aufzubauen.“

      „Was ist… Industrie?“

      „Maschinen.“ Der Graf seufzte erneut. „Dampfkraft, Elektrizität, Gas… Aber vor allem Maschinen, mit denen man Dinge herstellen kann.“

      „Dinge stellt man mit den Händen her.“

      „Nun, in vielen Ländern tun dies Maschinen, auch wenn sie natürlich von Händen bedient werden.“

      „Wenn die… Maschinen… von Händen bedient werden… Warum benutzt man die Hände dann nicht, um die Dinge direkt mit ihnen zu fertigen?“

      „Weil Maschinen schneller sind und größere Mengen produzieren. Dadurch kann man Waren herstellen, mit denen man Handel treibt.“

      „Handel ist gut, wenn er fair ist und allen nutzt“, meinte Many Horses. „Wer miteinander handelt, der macht keinen Krieg.“

      Von Trauenstein wusste es besser, wollte aber nicht widersprechen. Er kannte die einfache Lebenseinstellung seines Gegenübers und beneidete ihn darum.

      „Unser Volk wird im Sommer ein großes Pow Wow abhalten“, sagte der Chief mit ernstem Gesicht. „Die Abgeordneten aller Stämme der Dakota und Lakota werden sich versammeln und wahrscheinlich auch einige unserer Vettern, der Cheyennes. Die Häuptlinge der Mdewakanton, der Wahpekute, der Sisseton, der Santee und Wahpeton werden kommen. Ebenso die der Yankton, der Yanktonai, der Hunkpapa, der Sihasapa, der Minneconjou, der Itazipco, der Brulé und Oglalla. Sicher auch die Brüder der Assiniboine und Stoney.“ Der Chief nickte zu seinen Worten. „Es wird ein wahrhaftig großes Pow Wow.“

      „Ich wusste nicht, das euer Volk so viele Stämme hat“, gab von Trauenstein zu. „Ich