534 - Band I. Milena Himmerich-Chilla. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Milena Himmerich-Chilla
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745083651
Скачать книгу
mir gestern im Vertrauen offenbart hast, mein Kind«, raunte eine süßliche Männerstimme.

      »Im Vertrauen ...«, wiederholte Merin tonlos die Worte des gesetzten Mannes. Ein wölfisches Grinsen legte sich hierbei auf sein Gesicht, während er sich vorstellte, wie das wallende, in Locken herabfallende Haar der jungen Schönheit sich über ihren zarten, kleinen Busen legte und ihr Körper bebend auf den des schmierigen Fettwanstes glitt. »Ja, natürlich im Vertrauen«, wiederholte die von Spott triefende Stimme erneut in seinem Kopf, während das Augenmerk auf den Vorbau des Mädchens glitt.

      »Als ich unten am Flussufer nach Hahnenkraut gesucht habe, ist mir etwas Seltsames aufgefallen. Ich war mir unsicher, doch ließ ich meinen Korb mit gepflückter Hagebutte zurück und folgte einer verhüllten Gestalt, den Bachlauf hinab. Ich konnte sie bis hinter die Hecken des Westufers verfolgen.«

      Der Mann daneben nickte ihr Mut gebend zu, während dessen Doppelkinn wässrig mitschwang. So sprach das Mädchen weiter, doch hielt sie nunmehr ihre Augen geschlossen. »Ach«, dachte Merin »Wenn das jetzt keine Lüge ist, was da kommt.«

      »Ich habe Amira gesehen, wie sie mit dem Gehörnten sprach. Er hat bei ihr gestanden und ihre Hand gehalten.« Bei diesen Worten, die sie angeekelt erbrach und ihr schmerzverzerrtes Gesicht Schuldigkeit sprach, deutete sie auf die in Ketten gelegte Frau, welche verständnislos in die Menge vor sich blickte.

      Merin betrachtete augenblicklich Amiras Augen. Darin erkannte er jedoch nichts, das greifbar gewesen wäre. Er war sich sicher, dass jenes Wesen nichts von alledem, was um sie herum geschah, verstand.

      Die schmale Frauengestalt wandte ihren Körper plötzlich im Tanz, den sie barfuß auf den groben Planken des Podestes vollführte und begann zu singen. Dabei verlagerte sie fortwährend ihr Gewicht von einem zum anderen Bein. Merin war angetan des Schauspiels und richtete sich in seinem Sattel auf.

      Maria, die begonnen hatte, einzelne Fäden aus der Schleife zu ziehen, während sie hilfesuchend den stark beleibten Mann ansah, der mit ausgebreiteten Armen väterlich auf sie zu kam, wirkte verloren auf der großen Bühne. Sie hatte ihre Rolle gut gespielt und das einfache Volk in Staunen versetzt. Merin rümpfte jedoch seine Nase, angeekelt der widerwärtigen Erscheinung des beleibten Mannes und zog an den Zügeln in seinen Händen. Der Hengst trat augenblicklich schnaubend auf der Stelle.

      Die plötzliche Bewegung des Pferdes und seines Reiters zog Amiras Aufmerksamkeit auf sich, die ihren Tanz unterbrach und Merins kantiges Gesicht mit schief gelegtem Kopf musterte. Seine goldenen Augen blitzten ihr neugierig entgegen, während seine Lippen eine schmale Linie unter dem blonden Bartansatz formten. Sie ließ ihren Blick den sehnigen Hals des Fremden hinunter gleiten und verweilte einige Sekunden an jener Kuhle darunter. Plötzlich, ohne Vorwarnung, zog sie mit aller Macht an den Ketten und riss sich so aus dem Griff der verwundert dreinblickenden Wache. Sie schrie, rannte über die Planken und sprang hinab in jenen Matsch, der sie kurzzeitig auf die Knie zwang.

      Merin zog die Zügel enger an sich. So tat sein Hengst einige Schritte zurück, während er Amiras versuchte Flucht mit seinen Augen folgte. Die Wachen strömten unterdessen von allen Seiten auf jene Frau hin, welche sich nur noch einen Arm weit von Merin befand und überwältigten diese.

      Sein Tier scheute zu sehr, ob des vor ihm ausgefochtenen Kampfes, so dass Merin wirkliche Schwierigkeiten hatte, ihn unter Kontrolle zu halten. Beruhigend tätschelte er dessen muskulösen Halsansatz und redete monoton in eines der zuckenden Ohren. Etliche Sekunden vergingen, bis es ihm schließlich gelang und er die Zügel fest in seinen Händen hielt.

      Vor ihm lag nunmehr Amira bäuchlings, das Gesicht in den Schlamm gepresst. Zwei der Wachen fixierten sie so mit Zuhilfenahme ihrer Knie auf dem feuchten Untergrund. Zeitgleich erhob sich einer, der im Schattenbereich des Podestes verharrten Personen lautlos aus dessen massiven, detailreich geschnitzten Stuhl und trat bedächtig die verzogenen Stufen hinab. Sein Weg führte ihn hierbei zu Amira, welche noch immer nieder gedrückt auf dem schlammigen Untergrund verweilte. »Schwere Sünden mussten unser aller Gehör erleiden, begangen durch die Tochter des Müllers. So blieb uns keine andere Wahl, als jenes arme Geschöpf hier für schuldig des Bundes mit dem Gehörnten zu befinden. Wir beten um die Erlösung ihrer Seele und werden ihren befleckten Geist von den Spuren des Bösen reinigen.«

      Während die in rotem Stoffmantel gewandete Gestalt das letzte Wort über den Rand seiner Lippen fallen ließ, spuckte Amira auf dessen Füße. Die rings umher stehenden Dorfbewohner stöhnten erschrocken, als auch schon leises Getuschel einsetzte.

      Der Richter reckte sein spitz zulaufendes Kinn hoch und senkte angewidert seinen Blick. Diese Geste verlieh jenem eine demonstrative Überlegenheit und unterstrich das vorherrschende Machtverhältnis.

      Merins Lippen umspielte ein Grinsen. So lehnte er sich hinab, um die Frau zu den Hufen seines Hengstes besser studieren zu können. In ihrem Blick lag eine unbändige Kraft, die kein Mann zu zähmen im Stande war.

      Amiras wild brennende Augen erwiderten Merins stechende. Sie war zweifelsohne stark wie ein Stier und so eigen wie der Wind. Sie musste es einfach sein! Seine Suche hatte ein überraschend frühes Ende gefunden.

      »Was wollt ihr für sie?«, sprach Merin, dessen Blick nicht eine Sekunde von der Frau unter ihm wich. »Mein Herr?«, hörte er den Richter verwundert sprechen, während die weiteren Mitglieder des Tribunals, welche bisher in ihren Thronen verweilt hatten, tuschelten.

      »Was wollt ihr für sie?«, wiederholte Merin seine Frage und richtete sein Augenpaar auf den erstarrten Richter. »Sie ist unverkäuflich.«

      Merin schnalzte missbilligend über die Antwort des Richters mit der Zunge und richtete sich auf seinem Reittier auf, während er seine Schultern nach hinten zog und ins Hohlkreuz ging. »Jeder ist käuflich, Richter. Es kommt immer nur auf den Preis an«, dachte Merin und lauschte mit Genugtuung der aufkommenden entrüsteten Diskussionen der Dorfbewohner. Diese schlossen bereits den Kreis enger um das Geschehen. Keiner der Schaulustigen wollte seinen Platz aufgeben. So tränkte schnell ein wütendes Gedränge die Szene. Nun lösten sich auch die anderen Mitglieder von ihren Thronen und traten das Podest hinunter.

      »Sie ist besessen, wirr im Kopf. Wir müssen ihre Seele vor dem Bösen reinigen. Dennoch, auch wenn sie käuflicher Natur wäre, wäre das Gold um ihren Körper zu zahlen doch all zu schade.« Mit jenen Worten deutete er gepaart eines missbilligenden Blickes auf die verdreckte Gestalt unter sich.

      »Das lasst meine Sorge sein, wofür ich mein Gold auszugeben gedenke. Also, wie viel?«

      »Ich sagte schon, sie ist unverkäuflich, Fremder.«

      Merins Gesichtszüge versteinerten und seine goldenen Augen brannten sich in die des Richters. So vergingen unzählige Sekunden, bis das kaum merkliche Nicken des Mannes Merin Genugtuung schenkte. Er straffte augenblicklich die Zügel und wandte den Kopf ab. »Wenn das so ist.« Mit diesen Worten, welche er lauter als nötig sprach, riss er seinen Hengst herum und entfernte sich vom Platz des Geschehens. Das Getuschel blieb.

      Der Magier biss sich auf die Unterlippe um das Lachen, welches bereits in seinem Hals gor, zu ersticken, ehe er seinen Blick auf das zweistöckige Gebäude am Ende des schlammigen Weges vor ihm legte und die verwirrten Dorfbewohner hinter sich ließ. Er hatte den Richter verstanden. Jeder war nun einmal käuflich und das Gesetz bildete darin keine Ausnahme. Dennoch musste er vor den Dorfbewohnern Recht und gute Absichten bedeuten und so Merins Bitte eisern abschmettern. Sollte der Narr seine Würde doch behalten, ihm war es nur recht, solange er nur das bekam, was er begehrte.

      Sich in seiner Vorfreude aalend, ritt Merin in den Schatten des Gebäudes und wartete wie die Spinne im Netz.

      Es dauerte eine geraume Zeit, bis der Richter in Begleitung der weiteren Mitglieder und einer Wache, welche Amira angestrengt hinter sich her zog, in Merins Blickfeld trat. Ihre wilden Schreie hallten von den Häuserfassaden wider und klangen wie Gesang in seinen Ohren.

      Als er ihrer Stimme lauschte, bemerkte er erneut, dass die gesprochenen Worte, welche aus ihrem Mund drangen, keiner bekannten Sprache zugehörig waren. Von einer sinnfreien Aneinanderreihung befallener Buchstaben, so erklangen die Worte, welche sie wütend ausspuckte, gefolgt von ihrem