Wissen im engeren Sinne, Fertigkeiten und Qualifikationen allein reichen nicht aus, um kompetent zu handeln. Kompetenzen bedürfen des Wissens im engeren Sinne, der Fertigkeiten und Qualifikationen, sind aber zugleich viel mehr. Das veranschaulicht folgende Abbildung.
Abb. 14 Vom Wissen zur Kompetenz
Um Kompetenzen intendiert zu erwerben, sind besondere, ein Wertlernen einschließende Lernmethoden notwendig, von denen in der Abbildung stichwortartig einige angegeben sind; das muss zu einer Systematik des Kompetenzlernens vertieft werden, die auch den Untergrund für das Kompetenzlernen mit Hilfe des Netzes bildet.
Besonders wichtig ist das Verhältnis von Qualifikation und Kompetenz. Kompetenzentwicklung bedarf eines hohen Niveaus von Qualifizierung. Hochkompetente sind stets auch qualifiziert. Kompetenzen bauen auf Qualifikationen, setzen sie voraus – und sind doch mehr und anderes. Wir können, mit Rolf Arnold [9] Qualifikationen und Kompetenzen folgendermaßen gegenüberstellen:
Kompetenz | Qualifikation |
Beinhaltet Selbstorganisationsfähigkeit. | Ist immer auf die Erfüllung vorgegebener Zwecke gerichtet, also fremdorganisiert. |
Ist subjektbezogen. | Beschränkt sich auf die Erfüllung konkreter Nachfra-gen bzw. Anforderungen, ist also objektbezogen. |
Bezieht sich auf die ganze Person, verfolgt also einen ganzheitlichen Anspruch. | Ist auf unmittelbare tätigkeitsbezogene Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten verengt. |
Lernen öffnet das sachverhaltszentrierte Lernen gegenüber den Notwendigkeiten einer Wertevermittlung; Kompetenz umfasst die Vielfalt der prinzipiell unbegrenzten individuellen Handlungsdispositionen. | Ist auf die Elemente individueller Fähigkeiten bezogen, die rechtsförmig zertifiziert werden können. |
Nähert sich dem klassischen Bildungsideal auf eine neue, zeitgemäße Weise. | Rückt mit seiner Orientierung auf verwertbare Fähig-keiten und Fertigkeiten vom klassischen Bildungsideal (Humboldts "proportionierlicher Ausbildung aller Kräfte") ab. |
Tab. 2 Qualifikation und Kompetenz im Vergleich
Jedes Lernen, auch das E-Learning, hat die Vermittlung von Wissen im engeren Sinne, Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen gleichermaßen im Blick zu behalten. Dabei geht es um die Einschätzung des jeweiligen Lernangebots (curricularer Aspekt), des Lernprozesses (prozessualer Aspekt) und der im geistigen oder physischen Handeln sich manifestierenden Lernresultate (performativer Aspekt). Während beim Wissen im engeren Sinne, beim Sachwissen das Schwergewicht auf dem Angebotsaspekt liegt (Verringerung der Differenz Wissensangebot/Gedächtnisinhalt), liegt bei den Fertigkeiten das Schwergewicht auf dem Prozessaspekt (Verringerung der Differenz Normprozess/Realprozess des Handelns). Bei der Qualifikation geht es um die Fähigkeiten zum Erreichen eines vorgegebenen Handlungszieles (Verringerung der Differenz angestrebtes Handlungsresultat/erreichtes Handlungsresultat). Bei Kompetenzen geht es ebenfalls um ein Handlungsresultat, aber um ein selbstgesetztes (self directed), selbstorganisativ erreichtes. (Beurteilung der Differenz verschiedener, kreativ erreichbarer Handlungsresultate, die nicht von vornherein feststehen). Kompetenz manifestiert sich erst in der Performanz.
Bezogen auf Lernangebote, Lernprozesse und Lernresultate lassen sich die Unterschiede wie folgt veranschaulichen.
Abb. 15 Merkmale von Wissen, Fertigkeiten, Quazlifikationen und Kompetenzen
Kompetenzen sind also unverwechselbar in Bezug auf die Handlungsfähigkeit – sie ermöglichen selbstorganisatives, kreatives Handeln in eine offene Zukunft hinein -, in Bezug auf die innere Struktur – sie „enthalten“ Wissen im engeren Sinne, Fertigkeiten und Qualifikationen, sind aber um Wertekerne zentriert – und in Bezug auf die Prozesse des Lernens – sie haben ihr Schwergewicht auf der Handlungsausführung, dem performativen Aspekt. Ohne Kompetenzvermittlung und –entwicklung ist kein modernes Lernen möglich.
[1] Clauß, G.; Kulka, H.; Rösler, H.-D.; Lompscher, J.; Timpe, K.-P., Vorwerg, G. (Hrg.) (1995)
[2] Kappelhoff, P. (2004)
[3] Heyse, V., Erpenbeck, J. (2004)
[4] Hacker, W. (1973), S. 500
[5] Clauß, G.; Kulka, H.; Rösler, H.-D.; Lompscher, J.; Timpe, K.-P. & Vorwerg, G. (Hrg.) (1995), S. 188f
[6] Teichler, U. (1959), S. 655
[7] Hacker, W. (1973), S. 500
[8] Clauß, G.; Kulka, H.; Rösler, H.-D.; Lompscher, J.; Timpe, K.-P. & Vorwerg, G. (Hrg.) (1995), S. 188f
[9] Teichler, U. (1995)
2.3.3 Kompetenztypen
Das Expeditionsbeispiel hat bereits vier Grundtypen von Kompetenzen ins Spiel gebracht. Das wollen wir nun etwas systematischer verfolgen.
Wir gehen heute von einer differenzierten Kompetenzarchitektur aus.
Ihr Fundament sind so genannte Metakompetenzen [1]. Dies sind die allgemeinen Fähigkeiten zur Selbstorganisation („self direction“). Sie sind weitgehend kontextfrei und umfassen beispielsweise:
Selbsterkenntnisvermögen,
Selbstdistanz,
Wertrelativismus,
Empathie,
Situations- und Kontextidentifikationsfähigkeit,
Interventions- und Lösungsfähigkeit
Dies sind alles Selbstorganisationsdispositionen „ 2. Ordnung“. [2] Auf Ihnen ruhen die Grund- oder Basiskompetenzen (key competences), die wir bereits als personale-, aktivitätsbezogene-, fachlich-methodische- und sozial-kommunikative Kompetenzen namhaft machten. Sie werden von nahezu allen Kompetenzforschern in vergleichbarer Weise benutzt. Sie sind in sehr allgemeiner Weise auf gegenständliches und kommunikatives Handeln bezogen und insofern kontextabhängig. Misst man sie wie reine Persönlichkeitseigenschaften, führt dies in die Irre.
Abb. 16 Grundkompetenzen
Grundkompetenzen umfassen
die Selbstorgansationsfähigkeiten, das eigene Handeln klug, kritisch und selbstreflexiv zu hinterfragen und eigene produktive, kreativitätsfördernde Einstellungen, Werthaltungen, Ideale usw.zu entwickeln. Man kann,