Irgendwann stand dann einer nicht mehr auf. Tödlich verwundet von seiner Faust, vorher gelähmt durch seine Wut.
In der Jugendstrafanstalt fand sich jemand, der sich seiner annahm. Einer, der erkannte, dass er ein Kämpfer war, wie ihn nur das Elend schaffen konnte. Ein Kämpfer, der gewinnen musste, weil er nicht geliebt werden würde. Und einer, der wusste, wo Fäuste wie seine erwünscht waren. So wurde er Boxer.
Seine Wut war grenzenlos. Wie eine Maschine mähte er seine Gegner nieder, unempfindlich gegen Angst oder Mitgefühl. Unempfindlich gegen die Liebe, so wie die Straße es ihn gelehrt hatte.
Mit dem Geld, das er durch seine Kämpfe verdiente, wurde er zum Protzer. Gleich einem Pavian, der seinen roten Arsch zur Schau trägt, trug er seine teuren Uhren und seine Autos vor sich her. Zum Liebling des Volkes wurde er nie. Dazu hatte er zu wenig Charme, hatte zu wenig Unschuld im Blick. Er war immer der andere, der Fremde, keiner von ihnen. Ein Untier, geboren aus dem Hass der Welt. Das Volk ergötzte sich an den Schauern, die er ihm über den Rücken jagte. Kleine Kinder mussten mit der Drohung leben, dass er sie holen würde, wenn sie nicht gehorchten. Doch während der Kämpfe war er ein Star. Faszinierend durch das Dunkle um ihn. Prickelnd, da niemand bis auf den Grund seines Hasses schauen konnte. Einem Hass, der so mathematisch war, wie eine geometrische Figur. So präzise und berechnend wie ein militärischer Plan. Fesselnd, da seine Brutalität nie bis zur Neige auslotbar war und deshalb gewissen Moorlöchern glich, um die seit Jahrtausenden die Irrlichter tanzen. Unwiderstehlich in ihrer unfassbaren, windesleichten Tödlichkeit.
Mit dem Geld kamen die Frauen. Da sie ihm körperlich unterlegen waren hatte er nur Verachtung für sie. Aber er genoss den Rausch, den er ihnen verdankte. Und da sie immer wieder kamen wusste er, dass sie käuflich waren, bestochen durch seine Macht. Manche von ihnen wollten bleiben, um die eigene Bedeutungslosigkeit in ihm zu verlieren. Andere wollten sich nur kurz an ihm beschmutzen, da sie die Reinheit nicht mehr erregte. Die Spiele, die er mit ihnen spielte, glichen seinen Kämpfen. Scheinangriffe, taktieren, kurzzeitiger Rückzug. Aber immer hatte er den Sieg im Auge. Und der Sieg bedeutete, den anderen kompromisslos zu unterwerfen. Feinfühligkeit hatte ihn nie jemand gelehrt. Mitgefühl hätte Untergang bedeutet da, wo er herkam und da, wo er war. Gewalt war seine einzige Sprache, Unterwerfung seine einzige Zärtlichkeit. Er gab ihnen das, was sie von ihm erwarteten, das, was sie brauchten für ihre geborstenen Herzen, und damit verwehrten sie ihm wieder und wieder den Zugang zur Liebe.
Doch eines Tages kam eine, die anders war. Eine, die die Unschuld noch nicht verloren hatte. Ihr Blick erinnerte ihn an den Teddybären, den er als kleiner Junge aus dem Müll gezogen und mit ins Bett genommen hatte. Bis er alt genug war, ihm die Arme auszureißen. Dann nämlich, als er bemerkte, dass der Teddy zu gleichgültig war, um ihn zu beschützen. Doch das wusste er nicht mehr. Er spürte nur den Zauber einer längst vergessenen Weichheit, fühlte Sehnsucht und Wärme gleich einer ewig vergangenen Geschichte. Doch das Leben hatte ihn gut im Griff. Er stolzierte vor ihr auf und ab, einem Gockel gleich, zahlte ihr Drinks und spielte ihr den Helden vor. Der Stumpfsinn seines Gesichts verbrannte in der Gewissheit des Sieges. Er wusste, dass er wirkte. Und sie, die sich aus seinen Uhren und Autos nichts machte, sie ließ sich blenden von seinem Wissen um seine eigene Macht. Unreif, wie sie war, hielt sie seine Siegerpose für Stärke und seine Protzerei für Männlichkeit. Seine Plumpheit war ihr Unbeholfenheit und seine zwingende Dunkelheit hieß Abenteuer. Seine Aufmerksamkeit war Ehre. Als er sie nach einer Party noch auf einen Drink in sein Hotelzimmer einlud, da sagte sie zu, ohne den Abend zu Ende zu denken. Immerhin war er ein Mann von Welt, er war berühmt und das Hotel war kein Hinterhof. Kaum waren sie in seinem Zimmer, da küsste er sie, noch während er die Türe zuzog. Er drückte sie an die Wand dabei, ein Bild verrutschte, ging zu Boden. Ihre Abwehr hielt er für Temperament, ihre Hilflosigkeit machte sie zur Beute. Und mehr noch ihre Eitelkeit. Er war ein Mann mit viel Erfahrung, ein berühmter Mann, ein Boxer. Sie wollte nicht zeigen, dass es ihr zu schnell ging. Dass sie nicht erregt war, schien ihr ihre Schuld. Sie ließ sich aufs Bett drängen, ließ sich streicheln. Sie wusste nicht, was sie seinem Willen entgegensetzen sollte. Als er plötzlich ihren Rock hob, ihren Slip zur Seite schob und zustieß, tief und schmerzhaft, da begann das Entsetzen sie zu lähmen. Es schien, als habe sich ihre ganze Lebenskraft an einem Punkt zwischen ihren Lenden versammelt und dieser würde wieder und wieder auf die boshafteste Weise malträtiert. Er glaubte, noch nie in solche Höhen der Lust gelangt zu sein. Diese Frau, die er unter sich hatte, war köstlich. Sie war wunderbar eng.
Sie ging, während er noch die Entspannung genoss, als die Polizisten kamen, schlief er schon. Er war keiner von denen, die vor der Öffentlichkeit Gnade finden sollten. Endlich konnten sie ihn strafen, für die Lust an ihren inneren Fratzen. Die Unschuld schenkten sie lieber anderen, nicht weniger Schuldigen, die sie mit Süße kauften, die nicht nach Gosse rochen. Was sie nie wissen sollten, war der Traum, den er im Halbschlaf geträumt hatte, als sie gegangen war. Er handelte von weißen Schleiern und Ewigkeit.
Die Mauer
Als sein Gesicht aus dem grauen Meer der anderen Gesichter auftauchte, war die Langeweile zumindest für diesen Abend besiegt. Sie konnte sich Zeit lassen, seine Schönheit genießen. Er würde als Letzter gehen, er war der Barkeeper.
Sie wusste, dass sie Männer in ihren Bann ziehen konnte. Weiblichkeit, so nannten es manche. Sie nannte es Lust. Liebe war es selten, selbst wenn sie liebte. Aber sie spürte das Verlangen der Männer, sie zu berühren, ihre Wärme zu kosten, ihre Energie einzufangen. Sie spürte ihr Drängen, sie zu besitzen.
Sie wusste, sie konnte ein Traum sein, für eine Nacht, zwei Nächte, ein bisschen mehr vielleicht. Ein Traum aus vergangener Zeit, der Traum von Kind, Mutter, Hure und Geliebter. Ein jahrhundertealter Traum, den Männer von Frauen träumen, die sie nicht besitzen können. Dann würden sie die Angst vor ihrer Freiheit spüren, vor ihrer Schönheit, die die Schönheit ihrer Seele war. Angst vor ihrer Liebe und ihrer Verletzlichkeit. Angst davor, dass sie ein Mensch war, dass sie dem Traum nicht standhielt. Und sie würden gehen.
Bei diesem würde es nicht anders sein. Aber sie wollte, dass er sie begehre. Sie wollte eine Königin sein für ihn und ihm dann ins Gesicht lachen. In sein Gesicht und in alle anderen sabbernden Männergesichter, die sie in ihrem Leben gesehen hatte. Und sie wollte nie mehr lieben. Die Liebe war ihr Schicksal in diesem Leben nicht. Als sie sich anschickte, ihn auf sich aufmerksam zu machen, war sie auf seine Schönheit gefasst, nicht auf sein Lachen. Sie tanzte, um die Energie zu besiegen, die er in ihr weckte. Sie tanzte zu Liedern, die sie nicht mochte, machte sich lustig über sie, spielte mit ihnen, brauchte sie, um nicht zu zerspringen an Lebensfreude und Schmerz.
Und sie brauchte den Tanz, damit er sie sah. Das tat er dann auch. Und er lachte sie an. Lachte sein ganzes Licht in ihr Gesicht, seine ganze Freude an ihr. Sie wünschte sich Reggae von ihm. Aus dem Wissen, dass diese Musik sie leicht machen würde, unbeschwert, wie eine Droge. Dann tanzte sie für ihn. Sie bot ihm den Traum und sich das Vergessen. Dass seine Freundin zwischendurch hereinkam, das nahm sie kaum wahr – das war sie gewöhnt. Was er ihr erzählte und wie er hieß, das vergaß sie sofort wieder, aber sie schlief mit seinem Lachen im Herzen ein.
Später erzählte er ihr, sie hätte getanzt, als wäre sie allein auf dieser Welt. Als würde sie ganz für sich die Gesichter verspotten, die sie anstarrten. Sie hatte lächelnd dazu genickt. Schön, dass er sich etwas dabei dachte. Und so falsch lag er nicht. Für ihn war der Traum gewesen, die anderen sollten ein unstillbares Verlangen verspüren, zumindest für einen Moment. Die einzige Antwort, die sie darauf hatte, dass sie mit ihrer Seele nichts zu tun haben wollten.
Beim nächsten Mal wollte sie ihn spüren. Nicht mit ihm schlafen, nein, aber ihn fühlen, mit ihm reden, ein bisschen Freude stehlen an ihm. Sein Lachen für sie war dasselbe, aber sie war verletzbar geworden. Sie hatte Angst gehabt, er könnte nicht lachen. Als er mit ihr mitging, ans Meer, träumte sie immer noch von seinen Armen und seinen Augen. Als er ihr zwischen die Beine fasste, wurde sie zu Eiskristallen. Als wäre sie nicht mehr in