Die Herren von Telkor - Die Trollhöhle. Daniel Sigmanek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniel Sigmanek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844267891
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      Zuhause angekommen, kramte er einen verstaubten Rucksack hervor, den ein reisender Händler einmal als Geschenk zurückgelassen hatte, befreite ihn vom Dreck, und füllte ihn mit Dingen, die er für seine Reise als wichtig erachtete. Dazu gehörten unter anderem ein Seil, falls er irgendwo eine Klippe hinuntersteigen musste, denn er beabsichtigte, um Zeit zu sparen, den Weg durchs Mauergebirge zu nehmen, eine Axt zum Holzfällen, die ihm als Waffe diente, eine Decke, ein Messer und Verbandszeug. Leider steckte er nur sehr wenig Proviant ein, sodass er schon nach wenigen Tagen auf die Jagd würde gehen müssen - eine Tätigkeit, die er bisher noch nicht einmal im Ansatz beherrschte.

      Tado verspürte große Aufregung über das, was auf ihn zukommen mochte. Aus diesem Grund ging er an diesem Abend ungewöhnlich früh schlafen, ehe die Sonne, die sich nach vielen Stunden endlich wieder durch die schweren Regenwolken gekämpft hatte, ihre letzten Strahlen hinter dem Horizont verbarg.

      Noch bevor der erste Hahn krähte, schreckte er hoch. Es war noch mitten in der Nacht, da aber im gesamten Dorf keine Lichter mehr brannten, musste es gegen vier Uhr sein.

      Er hatte einen merkwürdigen Traum gehabt. Er schwebte über der Erdscheibe, die zur einen Hälfte aus Feuer und zur anderen aus Eis bestand. Unter sich sah er zerstörte Städte und Horden von gigantischen Kreaturen und dann rauschte etwas mit gewaltigen Flügeln über seinem Kopf hinweg und...

      Das war es auch, was ihn geweckt hatte: das Schlagen von Flügeln. Tado stand auf. Vorsichtig wankte er zum Fenster, um nach der Ursache für das Flattern zu suchen. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihm den Atem stocken. Riesige Fledermäuse, deren Schwingen eine Spannweite von ungefähr zwei Armlängen haben mussten, flogen zu tausenden über die nassen Holzdächer, und dass sie nirgendwo anstießen, glich einem Wunder. Inmitten des Getümmels stand eine Person. Sie trug einen schwarzen Umhang und blickte in seine Richtung. Tado atmete schneller - zumindest versuchte er das. Es war, als hätten seine Lungen plötzlich Löcher bekommen. Er konnte einatmen, so viel er wollte, er bekam keine Luft. Gleich würde er ersticken. Nein, zuerst vielleicht in Ohnmacht fallen, dann wäre sein Tod nicht ganz so grässlich. Gleich...

      Mit einem Hustenanfall kam er wieder zu sich. Es schien nur ein Traum gewesen zu sein. Das beruhigte ihn zunächst. Vielleicht hätte ihm dieser jedoch eine erste Warnung auf das Bevorstehende sein sollen. Doch stattdessen tat er ihn nur als Nebenprodukt seiner Aufregung ab.

      Unsicher prüfte Tado schließlich, ob er wieder normal atmen konnte. Er lag noch immer im Bett, allerdings schien draußen bereits die Sonne.

      Eine halbe Stunde später machte er sich auf den Weg. Das Dorf, in dem er - seit er denken konnte - lebte, schrumpfte schnell hinter ihm zusammen. Es lag im Südwesten Gordoniens, eines kleinen Kontinents inmitten eines gigantischen Ozeans. Noch nie hatte Tado bisher seine Heimat für länger als einen Tag verlassen, daher kannte er sich in der Gegend, in die er nun marschierte, nicht besonders gut aus. Er war direkt nach Norden gegangen, in Richtung des Grünen Waldes, an den das Mauergebirge grenzte. Was sich dahinter befand, entzog sich seinen Kenntnissen. Nicht viele, die sich dorthin begaben, kehrten je wieder zurück, um davon zu berichten. Darum wagte sich auch keiner, der nicht danach strebte, zu sterben, zu nah an das Mauergebirge heran. Aus diesem Grund hatte man eine große Straße um die Berge herum gebaut. Tado wollte jedoch keine Zeit verlieren und den Umweg von mehreren hundert Kilometern vermeiden, sodass er voller Tatendrang und Freude über seinen ersten Auftrag jegliche Gefahren vergaß.

      Der Weg bis zum Grünen Wald verlief ohne nennenswerte Probleme. Nach einer guten Stunde Fußmarsch erreichte er die ersten Bäume und stand bald darauf am Saum des Idylls, hinter dem sich majestätisch die schneebedeckten Gipfel des Mauergebirges erhoben. In den Wipfeln der riesigen Eichen nistete eine Vielzahl von Vögeln, deren Federkleid die unterschiedlichsten Farben aufwies. Doch so schön der Wald auch aussah, so tückisch konnte er sein, wenn man sich darin verlief.

      Tado hatte schon Geschichten gehört, in denen Menschen von riesigen Erdschrandern angegriffen worden waren. Als Erdschrander bezeichnete man marderähnliche Wesen mit langem, braunem Fell, das oftmals auf dem Boden schleifte.

      Trotz allem zögerte er nicht, den Wald, der größtenteils aus Laubbäumen - überwiegend Eichen - bestand, zu betreten. Er war hier schon einige Male gewesen und kannte sich zumindest im südlichen Bereich sehr gut aus.

      Durch das in den unterschiedlichsten Grüntönen schimmernde Blätterdach drang gerade so viel Licht, dass er einen Weg erkennen konnte, der tiefer in den Wald hineinführte. Seine Schritte und das Knacken einiger Zweige auf dem Boden, auf die er versehentlich trat, wurden vom Gezwitscher der Vögel größtenteils übertönt.

      Stunde um Stunde verging. Der Wald war nicht besonders groß, sodass Tado sich schon bald Gedanken darüber machte, ob er sich nicht vielleicht verlaufen hätte. Schließlich blieb er stehen, um sich einen Platz zu suchen, an dem er etwas essen konnte.

      Plötzlich vernahm er ein Knacken. Er hielt mitten in der Bewegung inne. Aus den Augenwinkeln sah er einen Schatten vorbeihuschen. Ein Tier? Erneut knackte ein Zweig, diesmal hinter ihm.

      Er war nicht allein.

      Wie ein kalter Schauer traf ihn diese Erkenntnis. Mit einem Ruck wandte er sich um, nahm neben sich eine Bewegung wahr und sprang zur Seite.

      Seine Reaktion kam zu spät. Etwas Hartes, Kühles, donnerte mit gewaltiger Kraft gegen seine Schläfe. Er taumelte und fiel überaus unsanft auf eine Baumwurzel. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er sah noch, wie sich einige Männer um ihn herum versammelten und verlor dann endgültig das Bewusstsein.

      * * *

      Das leise Gemurmel von Stimmen weckte ihn. Er befand sich, so weit er das beurteilen konnte, unter der Erde. Man hatte ihn auf einer Art Steinbett aufgebahrt, das direkt aus der Wand herausgemeißelt war.

      Tado setzte sich auf. Er suchte seinen Rucksack. Dieser lehnte unweit an der grauen Felswand. Sein Blick glitt weiter und blieb schließlich an einer kleinen Gruppe von Männern hängen, die um ein Feuer saßen und eifrig diskutierten.

      Unter ihnen befand sich auch ein Junge, der ungefähr im gleichen Alter sein musste wie er. Sie waren allesamt in grünbraune Umhänge gekleidet und trugen Hosen und Schuhe der gleichen, nicht genau zu definierenden Farbe. Neben ihnen lagen lange Bögen, vermutlich ihre Waffen.

      Einer der Männer sah auf und richtete dann ein paar Worte an die anderen. Das Gespräch verstummte augenblicklich. Nun sahen alle zu Tado hinüber. Schließlich erhoben sich drei des halben Dutzend Leute und steuerten ihn an.

      Tados Haltung versteifte sich. Sein Rucksack stand nur wenige Meter entfernt. Er könnte aufspringen, sich ihn schnappen und würde vielleicht verschwunden sein, noch ehe die anderen überhaupt mitbekamen, was eigentlich geschah.

      Doch leider wusste er weder, wo er war, noch, ob sein Körper diese Anstrengung aushalten würde. Also entschloss er sich widerwillig, erst einmal abzuwarten.

      Doch zu seiner Überraschung wie zu seiner völligen Verblüffung starrten ihn die drei Männer, die schnurstracks auf ihn zumarschierten nicht misstrauisch oder gar feindselig an, sondern lächelten nur entschuldigend.

      „Endlich bist du aufgewacht“, sagte der Älteste unter ihnen, vermutlich ihr Anführer, erleichtert.

      „Du musst entschuldigen, wir wollten dich wirklich nicht verletzen.“

      Erst jetzt bemerkte Tado, dass seine Schläfe mehr oder weniger gut verbunden worden war.

      „Habt ihr aber“, erwiderte er fast feindselig.

      „Ich kann verstehen, dass du sauer bist. Aber wir haben dich nur gerettet“, meinte der Mann ernst.

      „Gerettet?“, entfuhr es Tado.

      Doch noch bevor er noch etwas sagen konnte, fuhr der andere im gleichen Tonfall fort: „Trolle. Hättest du weiterhin deinen merkwürdigen Kurs nach Norden hin gehalten, wärst du ihnen direkt in die Arme gelaufen.“

      Tado schwieg. Seit wann gab es hier in der Gegend Trolle?

      „Wo wolltest du überhaupt hin, dass du so