Wintertraining, mentale Härte, schöne Begegnungen
Es ist unter uns Läufern allgemein bekannt, sowohl bei den Debütanten als auch bei den Profis, dass die zweite Hälfte des Marathons sehr viel von der mentalen Stärke abhängig ist und somit der Kopf über weitermachen und aufgeben entscheidet. Daran habe gerade ich, schon allein wegen meiner Panikattacken viel zu arbeiten. Wer sich darüber nicht im Klaren ist, kann schwere Einbrüche auf der Strecke erleiden. Das Wintertraining ist nichts für Weicheier, es macht einen aber mental und körperlich enorm fit. Wer wie ich das ganze Jahr über läuft, hat den Laufbandsportlern einiges voraus. Oftmals sind die Wege so verschneit, kein Ottonormalverbraucher würde an so einem Tag auf die Idee kommen, laufen zu gehen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle eine dieser Wahnsinnstouren beschreiben, die lief in etwa so ab wie meine vorhin beschriebenen ersten 27 Kilometer, nur noch ein wenig unangenehmer. Wir schreiben den 26. Dezember 2010 und ich machte mich wieder einmal für meinen langen Lauf fertig. Draußen hat es über Nacht so geschneit, dass unser schönes Bad Homburg im Schnee versunken ist. Das sollte mich natürlich nicht von meinem Training abhalten, ich dachte mir nur, dass ich an jenem Tag keine Experimente, also zur Lochmühle zu kommen oder ähnliches, versuchen wollte, weil ich nicht zu schnell steigern wollte. Es konnte einfach nicht gut sein, gleich von meinen bisher bekannten 21 Kilometern auf 27 Kilometer und mehr zu gehen, ich wollte es langsam angehen lassen und somit war mein Ziel, meine mir bekannte Saalburgstrecke über Oberstedten und Oberursel zu laufen, was dann 21 Kilometer ergeben würde. Die Woche drauf wollte ich dann wieder 2 Kilometerchen drauf packen, sodass ich langsam an die 30 Kilometer rankommen würde, eben immer Stück für Stück. Ich lief also los und dass ich nasse Schuhe von Anfang bis zu Ende haben würde war mir von Anfang an klar. Bis zu meinem Fitnessclub waren die Wege ja noch halbwegs erträglich aber dann begann das Dilemma. Richtung Oberursel im Feld lag so viel Schnee, dass man den Weg kaum noch zu erkennen vermochte, lediglich eine Spur, vermutlich ein Anwohner der mit seinem Auto dort langgefahren ist, war als Orientierungshilfe gegeben. Das Problem war nun, entweder durch den Tiefschnee zu stapfen, der reichte fast bis an die Knie, oder in der Spur langzutraben. In der Spur langtraben ist nicht einfach, sie ist schmal und man muss jeden Schritt konzentriert machen um nicht zu stürzen, das Gleichgewicht muss gehalten werden und sobald man ein wenig zur Seite tritt, versinkt man im Schnee. Das kostete gleich nach den ersten 5 Kilometer enorm Kraft. Den Puls hier auf 150 zu halten war schier unmöglich, ich musste das Tempo drastisch verringern und konnte ohnehin nicht wirklich rhythmisch laufen. Ab Oberursel sah der Gehweg etwas angenehmer aus, vermutlich weil hier Spaziergänger mit ihren Hunden unterwegs waren. Ich dachte also positiv und stelle mir vor, dass der Weg zur Saalburg ja auch besser aussehen könnte, da fährt ja kein Auto lang -zumindest dachte ich das und habe dort auch noch nie eins fahren sehen. Die fahren außen rum und in der Regel nicht durch den Wald, was ich auch gut finde. Ich sollte enttäuscht sein. Als ich oberhalb des Gothischen Hauses ankam um auf den Weg Richtung Saalburg abzubiegen, konnte ich an der verschneiten Kreuzung erst einmal gar nicht erkennen, welchen Weg ich einschlagen musste. Ich lief natürlich den falschen Weg hoch und kam somit vom Hauptweg ab, ich lief immer weiter links, die Saalburg war aber zur Rechten. Ich folgte dem Waldweg weiter, mein Ziel war, dass ich bei der nächsten Kreuzung einfach rechts laufe und dann wieder in die richtige Richtung, nämlich zur Saalburg, kommen würde. Viele Wege führen ja bekanntlich nach Rom und eben auch zur Saalburg. Läuft man höher als die Saalburg ist, so kann man dann auf sie zu runter laufen und ist man eben tiefer, so muss man den Anstieg zu ihr steil bergauf und gnadenlos durchziehen. Ich konnte rechts Spuren im Schnee entdecken und da der Schnee so hoch lag ging ich von einem Weg aus. Nun ja, es war ein völlig zugeschneiter Trampelpfad, welchen ich jetzt aber nehmen musste um endlich wieder auf den richtigen Kurs zu kommen. Mein Puls kratzte jetzt allmählich an die 180 Schläge pro Minute, ich versuchte das Tempo nochmal zu senken und „stolperte“, weil laufen kann man das nun wirklich nicht mehr nennen, in Richtung Saalburgweg. Und in dem Moment bekam ich wirklich einen mortzmäßigen Zorn. Ich war wütend weil ich keinen Rhythmus finden konnte, mich nervten die Schneemassen, eigentlich alle diese Dinge, mit denen man im Winter zu rechnen hat. Schnee gehört eben zum Winter und auch die Kälte und man trägt auch keine Laufschuhe sondern Winterschuhe, was beschwerte ich mich also. Als Snowboarder sollte ich doch den Schnee auch lieben, ich hasste ihn in dem Moment und ich hasste es auch, dass ich eben jetzt