Bin in Afghanistan. Peter J. Gnad. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter J. Gnad
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844220858
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Königs Zahir Shah, denselbigen entmachtete und dem König riet, doch gleich in Italien um Asyl anzusuchen und dort zu bleiben, ließ eben jener Usurpator der Macht, Daud Khan, eine Untersuchung durchführen. Er hatte Zeit im Westen verbracht und gefallen daran gefunden, wie Frauen sich dort verhielten, ließ den Koran durchsuchen, auf Stellen, die verhießen, dass alle Frauen die Burqa tragen mussten. Er stellte den obersten Mullahs, den Geistlichen, öffentlich die Frage, sie sollten ihm zeigen, wo denn im Koran stünde, dass Frauen komplett verhüllt sein müssten – es kam keine Antwort. Woraufhin Daud Khan die Burqa per Dekret abschaffen ließ.

      Dies verhinderte zwar nicht, dass die meisten Frauen weiterhin die Burqa trugen, ganz einfach, weil ihre Männer es nicht erlaubten, aber es lockerte die Gesellschaft doch etwas auf. Im Erscheinungsbild der Stadt Kabul war es damals vollkommen normal geworden, dass Frauen unverhüllt gingen, gerade die junge Generation, die Studentinnen.

      Heute, nach den Taliban und allen anderen islamistisch-extremistischen Gruppen, die wenigstens eines gemeinsam hatten, nämlich die Frauen wieder in ihre alte Rolle, ins alte Erscheinungsbild zurückzudrängen, zu unterjochen, ihnen sogar auch jegliche Bildung zu verbieten, war es nicht viel anders geworden.

      Auch Jahre nach dem Hinauswurf der Taliban, hatte sich in dieser Beziehung noch immer nicht sehr viel verändert. Die Burqa gehörte nach wie vor zum gängigen Erscheinungsbild für Frauen. In Kabul, in der großen Stadt, sah man bereits wieder leichter verschleierte Frauen, nur mehr mit Kopftuch bedeckt. Aber draußen im Land, in den Tälern und Steppen, den Dörfern, hatte sich nicht viel, um nicht zu sagen, nichts verändert.

      Am Abend, nach dem Essen, Felsberg hatte einen übervollen Bauch, saß er noch lange auf dem Dach des Hauses, beobachtete den klaren Sternenhimmel, konnte nicht schlafen, hatte wohl am Nachmittag bereits zu viel schwarzen Tee getrunken. Das Panorama des nächtlichen Hindukush, mit den weiß getünchten Spitzen, gleißend im hellen Licht des Mondes, die vielen Sterne, die ziehenden Wolken, die bereits den nahenden Herbst verhießen, war überwältigend. Er ging hinein, holte seinen Schlafsack aus dem Raum, legte sich auf dem Dach zum Schlafen.

      Mirwais kam noch kurz zu ihm, blickte ebenfalls schweigend auf die sie umgebende Natur.

      "Irgendwann, bald, werde ich wieder für immer hierher zurückkehren… in das Land meiner Väter, das Beste und Schönste das ich kenne, trotz all dem Wahnsinn hier !"

      Felsberg konnte den Verlust der Heimat nachfühlen, auch er hatte ja ähnliche Erfahrungen gemacht, damals in Amerika.

      "Weißt du… es ist ganz eigenartig mit den Afghanen, sie lieben ihre Heimat so sehr… und wo immer sie sind, auf dieser Welt, sie haben Afghanistan immer mit sich… und träumen alle, alle davon wieder zurückkehren zu können… sie möchten in afghanischer Erde begraben werden, so wie ihre Väter vor ihnen und ihre Söhne nach ihnen."

      "Jaa, kann ich verstehen - Afghanistan ist schon etwas ganz Anderes. Ich kann's auch nicht sagen, warum gerade Afghanistan auch mich so fasziniert… es müssen schon die Menschen sein, sie sind etwas ganz besonderes… unvergleichbar mit allen anderen, in dieser Region !"

      Sie schwiegen wieder, hingen eine ganze Zeit lang ihren eigenen Gedanken nach, bevor Felsberg leise das Wort an seinen Freund richtete.

      "Sag mal, Mirwais, vertraust du mir ?"

      "Selbstverständlich vertraue ich dir… ich würde dir, beispielsweise, auch bedenkenlos meine Frau und Tochter anvertrauen, kein Problem."

      "Dann lass uns doch gemeinsam den Versuch mit den Edelsteinen wagen. Ich meine, wir können beide keine Steine kaufen, dafür fehlt es uns an Barvermögen… aber, vielleicht ginge das ja, sozusagen, in Kommission ?"

      "Du meinst, wir nehmen einfach Steine mit und verkaufen sie dann… in Deutschland."

      "Ja, oder auch in… Holland, Frankreich, England…"

      "Da muss man aber auch Verbindungen haben, so einfach ist das nicht, da haben schon viele eine harte Landung erlebt, eine Bruchlandung !"

      "Ja, natürlich, weiß ich auch, der Traum platzte bereits in den Siebzigern, als die Hippies glaubten, sie könnten mit Edelsteinen handeln, aber heute ist alles anders - wir sind erwachsen geworden und ich habe eine gute Verbindung, das erkläre ich dir noch, das mit dem Handel."

      "Im Prinzip spräche nichts dagegen, wir könnten schon Steine bekommen, alles Mögliche, es gibt da im Norden auch noch Rubine…"

      "Das hieße Smaragde, Rubine, Türkise und Lapis Lazuli, kein schlechtes Sortiment, für den Anfang… da müsste sich doch was machen lassen !"

      "Wir sprechen morgen mit Nahim und wenn er einverstanden ist, dann machen wir einen konkreten Plan, mit allen Details, von wegen prozentualer Bedingungen, Zahlungen, Anteile und so weiter… das habe ich in Deutschland schon gelernt, man muss Dinge gut planen !"

      "Brav… das hast du brav gelernt, ich bin stolz auf dich !"

      Sie grinsten, Mirwais verschwand wieder im Haus, Felsberg fand kurz darauf doch den widerspenstigen Schlaf und versank nun in edelsteinhaltigen Träumen.

      Der Sonne war unbarmherzig, auch schon am Morgen und Felsberg hielt es in dem sofort kochend heißen Schlafsack nicht mehr länger aus. Er holte ein Handtuch, ging zum Fluss hinunter, fand eine Stelle, hinter einer Flussbiegung, an der man baden konnte. Das Wasser, Schmelzwasser direkt von den Schneeregionen, war im wahrsten Sinne des Wortes eiskalt, Felsberg tauchte mutig unter, kam heftig prustend wieder ans Ufer, rieb sich mit dem Handtuch ab. Sein ganzer Körper glühte, als er kurz darauf seine Kleider wieder anhatte und zum Haus zurücklief.

      Mirwais saß mit Nahim bereits im großen Raum, frühstückte, war bereits mitten in der Besprechung des Themas von vergangener Nacht.

      Felsberg setzte sich zu ihnen, trank erst einmal Tee, aß frisches Brot, es gab sogar Marmelade, aus Pakistan, sehr süß, dafür aber undefinierbar. Er aß begeistert, ließ die beiden Freunde erst einmal die grundsätzliche Idee erörtern, bevor er in das Gespräch einstieg.

      Man war sich dann auch bald über die Beteiligungen einig, über Lieferbedingungen, Transportmöglichkeiten, künftige Kontingente und Zahlungsbedingungen, ein Konto in der Schweiz. Man schüttelte einander die, Hände umarmte einander, brachten den "Deal" zum Abschluss.

      Alle lächelten zufrieden, Oberst Nahim schloss die Verhandlungen, erklärte, dass die Edelsteine in einer Woche, in seinem Haus, in Kabul, zur Abholung bereit seien.

      Mirwais erklärte, dass sie vorher noch nach Norden wollten, nach Badakhshan, wegen des Lapis Lazuli, und dass man möglicherweise länger als eine Woche unterwegs wäre, man käme eben, wenn man alles unter Dach und Fach habe.

      Nahim nickte einverständlich, sicher, man könne sie jederzeit abholen kommen.

      Nur der Leinensack mit den Türkisen, der sich nach wie vor in Mirwais Besitz befand, fand in dem Gespräch keinerlei Erwähnung. Sollten ruhig ihre Verfolger, als die Besitzer der Beute gelten, das erhöhte ihre Chancen, denn natürlich waren die Männer von General Habibullah, der bei dem Überfall ums Leben gekommen war, nun ihrerseits auch hinter ihren Gegnern her.

      Am Nachmittag kamen viele Menschen der Gegend, von den Höfen weiter im Tal, von Safid Cher, vom Dorf, zu Besuch, Oberst Nahim hatte im Freien, im Schatten der Bäume Teppiche auslegen lassen, ein großes Mahl wurde vorbereitet. Anscheinend wurde die Gelegenheit auch immer genutzt um Gäste vorzuzeigen, Felsberg empfand es jedenfalls so, als ob ihm jedes Mal ein ganzes Dorf die Hand schütteln wollte. Aber es machte auch Spaß, denn da waren sie wieder, diese Bilder. Vor allem die Gesichter der Menschen faszinierten ihn zunehmend. Das Licht der Petroleumlampen zauberte eine längst vergangene Epoche der Menschheit zurück, Bilder von historischer Größe, einen Blick zurück ermöglichend, zurück in vielleicht biblische Zeiten. Die Menschen hatten in dieser Gegend schon immer so gelebt, so ausgesehen. Am Morgen konnte dann bereits alles wieder anders sein, wenn der eine oder andere in seinen Geländewagen stieg und sein Mobiltelefon bediente, über Satellit vielleicht mit seinen vor dem Krieg geflohenen Verwandten in Amerika sprach.

      Felsberg genoss es einfach nur zusehen zu dürfen,