Grüwig das Buch. Gabriela Beyeler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gabriela Beyeler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844200102
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Parkieren, Rückwärtsfahren, Anfahren am Berg und Steigungen mit der Handbremse. Meine einzige Schwäche war die Unsicherheit beim Rechtsvortritt.

      Total verunsichert

      Eine mehr als nur traurige, nein wohl eher eine beschämende Erfahrung war der Besuch bei meinem Hausarzt. Kurz nach Cyrill`s Tod telefonierten wir und er lud uns freundlich ein, in seine Praxis zu kommen. Als Dieter und ich in seinem Behandlungszimmer sassen und er den Raum in Begleitung eines jüngeren Arztes betrat, sagte er, in einem sich wieder erinnernden Ton: „Ach ja, ihr kommt ja wegen eines anderen Problems.“ Nicht mehr freundlich, sondern plötzlich verschlossen, gab er uns das Gefühl, „was wollt ihr eigentlich hier und was soll ich bloss mit euch anfangen?“ Zu einem Gespräch kam es nicht. Er drängte mir eine Packung Einschlaftabletten auf und war froh und sichtlich erleichtert, als wir die Praxis wieder verliessen. Ich wollte diese Tabletten gar nicht! Ich war enttäuscht von dem Mann. Zuerst lud er uns ein und dann eine solche Reaktion! Ich rührte die Einschlaftabletten nicht an! Dieter wollte eine ausprobieren, weil auf der Packung stand, dass man sie sitzend, am Bettrand einnehmen musste. Das klang gefährlich und machte scheinbar neugierig! Er schluckte eine und ich beobachtete, was passierte. Die Tablette war echt „krass“, denn Dieter fiel sehr schnell in Tiefschlaf, was ich an seinem Atmen erkannte. Ich bekam Angst, derzeit hatte ich um alle Lebewesen Angst. Ich war total verunsichert, denn man konnte nach meiner Erfahrung jederzeit und grundlos sterben! Sara`s und Hansjörg`s Töchterchen Jessica wurde geboren und wir besuchten sie im Spital in Herisau. Sie wollten unbedingt, dass ich das Mädchen auch mal halte. Ich nahm sie in meine Arme und als ich sie mir so ansah, kam ein Gefühl der Angst auf, was die Anwesenden nicht bemerkten. Was, wenn sie nun plötzlich nicht mehr atmen würde? Immerzu schaute ich auf ihren kleinen Brustkorb, ob dieser sich auch schön hob und senkte. Ich gab die süsse Kleine gerne wieder ab. Wenn Dieter schlief, hatte ich immerzu Angst, dass er nicht mehr erwachen könnte. Ebenfalls bei unserer schwarzen Katze, auch sie beobachtete ich immer wieder, ob sie noch atmete, es war furchtbar! Der Schlaf und der Tod, das eine ist des anderen kleiner Bruder.

      Dr. Weber

      Wir bekamen von Cyrill`s Kinderarzt in Herisau eine Einladung. Er nahm sich an einem Abend Zeit für uns. Dieser Mann hiess Dr. Weber. Sein Wartezimmer war tagsüber immerzu voll. Man wartete lange, doch wenn man dann endlich an die Reihe kam, nahm er sich Zeit und das schätzte ich an diesem Mann. An diesem Abend sprachen wir über Cyrill`s Tod und unseren Gefühlen. Er klärte uns auf, über den noch nicht wirklich erforschten Krippentod. Er erzählte uns, was die Forschung bislang alles vermutete, weshalb eines von tausend Kindern jährlich auf unerklärliche Weise stirbt. Die Grundlegenden Kriterien trafen bei uns schon mal nicht zu. Ich war weder allzu jung, noch zu alt und auch war ich keine Raucherin. Mehr als 90 % der betroffenen Kinder sind Knaben. Der häufigste Monat in dem die Kinder sterben, ist nach Statistik mit vier Monaten, dann mit sechs Monaten und danach nimmt es langsam ab. Wenn das Kind seinen ersten Geburtstag feiern kann, ist die grösste Gefahr gebannt. Doch keine Regel ohne Ausnahme, denn es gab schon Babys, die starben noch mit achtzehn Monaten! Cyrill starb mit knapp vier Monaten, am 26. Juni. Eine Forschungsarbeit vermutete, dass der Atemreflex bei diesen Babys noch nicht ausgereift sei, weil es Kinder bis zu einem Jahr betraf. Wenn man einem schlafenden Erwachsenen die Nase zuhält, dann vergehen einige Sekunden und er fängt sich an zu wehren und holt tief Luft. Man vermutete nun, dass bei den Babys eben dieser Reflex nicht bestünde oder noch nicht bei allen ausgereift sei. Man weiss, dass die Atmung eines Babys bis zum ersten Geburtstag sehr unstabil ist und übrigens auch den Herzrhythmus. Man muss sich vorstellen, dass im ersten Lebensjahr der menschliche Körper am schnellsten wächst. Übrigens ist das auch der Grund, warum man einem Baby in den ersten zwei Jahren keinen Hustensaft geben darf, weil er die Atmung beeinflussen kann! In den meisten Hustensäften befindet sich nämlich Alkohol. Dann vermuteten die Forscher, dass es sein könnte, dass der Sauerstoff im Körper aus unerklärlichen Gründen einfach absinkt und das Kind dann daran stirbt. Diese Informationen waren sehr wichtig für mich, damit ich mir vorstellen konnte, warum mein Kind gestorben ist. Denn die Ungewissheit, war am schlimmsten, nebst dem Verlustschmerz. Es hilft tatsächlich, wenn man benennen kann, woran jemand gestorben ist. Der Arzt setzte uns auch ins Bewusstsein, dass man hier in Europa einfach davon ausginge, dass ein Kind gross und erwachsen werde. Er nannte den Vergleich mit Afrika, wo mehrere Kinder einer Mutter an banalem Hunger stürben. Dieses Gespräch mit diesem Mann tat mir echt gut und ich bin ihm bis heute dankbar! Es gab einige Menschen, die uns mit gut gemeinten Worten trösten wollten, doch einer dieser immer wiederkehrenden Sätze nervte mich gewaltig: „Ihr seid ja noch jung, ihr könnt wieder Kinder kriegen!“ Das war lediglich eine Tatsache, doch für mich keinerlei Trost!

      Ich wünschte mir nachts im Bett, dass mir Gott ein Kind, einen Jungen schenken möge und wenn er auch noch so ein „schnöderlig“ sein mochte, Hauptsache ich konnte mich wieder an einem Kind erfreuen. Diesmal zeugten wir bewusst unser Wunschkind. Kaum gewünscht, so wuchs das kleine Wesen heran. Ich war so glücklich und zählte schon die Wochen und Tage bis wir wieder eine Familie wären. Ich arbeitete immer noch bei Waldner um dazuzuverdienen. Wir kauften ein Kinderbettchen im Secondhand „Pinoccio“ in Romanshorn, denn die Wiege kam für uns nicht mehr in Frage. Dafür leisteten wir uns einen neuen Kinderwagen in hellgrauer Farbe. In dieser Zeit wechselte Dieter seinen Job von der „Fluora Leuchten“ in Herisau zu der Firma „Knupp“ in Oberbüren. Er arbeitete dort ebenfalls im Lager. Er kam mit seinem Chef gut aus und die beiden trafen sich auch privat. Später besuchten wir ihn, seine Frau und die Kinder. Sie wohnten auch in Zihlschlacht. Luca, so der Vorname seines Chefs, übte das Hobby Lenkdrachenfliegen aus und begeisterte auch Dieter damit. Später nähte ich zwei dieser Dinger und das war nicht ganz einfach, schon wegen des rutschigen Stoffes.

      Autofahrprüfung

      Ich setzte meinen Fahrlehrer unter Druck, dass er mich zur Prüfung anmeldete. Ich warnte ihn, vor meinen bald kommenden Wadenkrämpfen. Er meldete mich an und es kam der Prüfungstag. Mein Fahrlehrer sandte an dem Tag eine Vertretung für sich. Und so fuhr ich mit diesem Mann von Gossau nach St.Gallen-Winkeln. Dort angekommen, parkte ich auf dem grossen Platz vor dem Verkehrsamtsgebäude. In dessen Gebäude, unten in der Halle, wartete ich auf meinen Prüfungsexperten. Da sah ich einen älteren Mann im Pensionsalter die Treppe hinunter steigen. Ich sah zu, wie er gerade einen Fehltritt beging und fast herunterfiel. Fluchend kam er mir entgegen. Ich erkannte gleich, dass dieser Mann ein Frauenhasser war. Nur gut, trug ich keinen Mini-Jupe, ich wäre bei ihm gleich abgeschrieben gewesen. Wir stiegen ein und ich sollte auch schon losfahren. Das Auto ruckte ab und zu beim Anfahren und ich konnte mir nicht erklären, wieso. Der Experte wurde sauer und sagte: „Hau-hau-hau“, wippte mit seinem Oberkörper und schnauzte mich an. Ich konterte, dass der Grund wohl der noch kalte Katalysator sein müsse. Er sagte nichts dazu. Der alte Prüfungsexperte lotste mich in die Stadt St.Gallen und dort stellte er mir allerlei Aufgaben, unter anderem Einparken. Und wie es so ist im Strassenverkehr, man kann sich noch lange an die Regeln halten, wenn andere Teilnehmer gegen diese verstossen und einem gerade bei der Prüfung das Leben schwer machen. Es drängte sich nämlich ein Porschefahrer an mir vorbei, während ich am Einparken war und so holte ich mir einen weiteren Rüffel ein! Ich musste am Berg, rückwärts, ein langes Stück hochfahren! Ich erledigte alles was er wollte und dann machte ich einen klitzekleinen Fehler! Ich zögerte bei einem Rechtsvortritt ganz kurz und er bemerkte es prompt. Er fragte mich sofort: „Wer hat hier Vortritt?“ Und ich erwiderte natürlich zackig: „Der von rechts kommende!“ An einer anderen Kreuzung mit Stopptafel hielt ich ordnungsgemäss an, aber weil meine Sicht nicht optimal war, fuhr ich einen Meter vor und machte dann einen Rollstopp. Ich dachte, nun bin ich wohl durchgefallen! Wir fuhren zurück an den Ausgangsort. Er drehte sich im Auto sitzend zu mir und sagte, ich hätte bestanden. Wow, ich hatte bestanden und das beim ersten Mal! Ich war stolz auf mich! Er hätte mich auch durchfallen lassen können, aber in dem Bewusstsein, dass er kein Freund der Frauen war, schwoll mein Stolz wieder an.

      Fasnacht mit Silvia und Walter

      Im Februar 1988 besuchten wir mit Silvia und Walter das Fasnachtsfest in Schönengrund. Die Idee war, dass Walter und Dieter zusammen, Silvia und ich dort ankamen und wir uns so gegenseitig suchen und von Vorteil finden mussten. Wir vereinbarten mit meiner Mutter, dass Dieter