Paul war klar, dass das Angebot, Schmiergeld an ihn zu zahlen, mit einer klaren Erpressung einherging. Wenn er das Angebot ablehnte, flog sein Betrug auf. Was konnte er tun?
Er sandte in seiner Not ein Gebet zu Gott. Ob der ihn jetzt hörte? Jetzt da er sich immer tiefer in Schuld verstrickte?
Übelkeit erfasste ihn. Ekel vor sich selber und das Gefühl sich übergeben zu müssen. Mit Gewalt zwang er sich, wieder klar zu denken. Seinem Zeitgefühl nach, musste ein Jahr vergangen sein, als er endlich antwortete:
„Gut, ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.“ Seine Stimme klang brüchig dabei.
Natürlich war das keine Zusage. Paul klammerte sich an diesen Gedanken. Er war doch nicht bestechlich…
Danach verschwand Herr Morgen ebenso plötzlich wie er kam. Paul saß wie gelähmt am Schreibtisch und realisierte erst nach einer Weile, dass er wieder allein war. Der Besuch erschien ihm wie ein Traum. Doch ein leichter seltsamer Geruch, den er nicht einzuordnen vermochte, erinnerte ihn an die Realität der Begegnung.
Die Versuchung
In den letzten Tagen erfasste Mareike eine neue Energie. Sie fühlte sich frisch und voller Power wie schon lange nicht mehr. Fast wie damals gleich nach dem Studium, als sie voller Elan ins Berufsleben gestartet war.
Keine Spur ausgelaugt, nichts von wegen schlechter Nerven. Sie war fit wie die neueste Generation Turnschuh.
Gut gelaunt sah sie in diesen Tagen alles mit der richtigen Prise Humor, die das Leben umso viel lebenswerter machte.
Mit dem neuen Kollegen hatte sie bisher nur wenige Worte gewechselt. Wenn sie allerdings mit ihm gesprochen hatte, fühlte sie sich wie eine alte Batterie, die neu aufgeladen wurde. Sie spürte förmlich wie Energie von ihm in sie überfloss. Und so passierte es fast von selbst, dass die beiden sich näher kamen.
Es geschah im Kartenraum. Mareike betrat den Raum, in dem sich für gewöhnlich kaum einer aufhielt. Sie brauchte eine Deutschland-Karte. Sie sah ihn erst gar nicht. Da sie nur auf ihre Karte fixiert war, rechnete sie nicht damit, überhaupt jemanden zu treffen. Schon gar nicht ihn.
Doch plötzlich trat er hinter mehreren Karten hervor. „Oh!“, stieß sie überrascht hervor.
„Habe ich dich erschreckt?“, fragte er sie. Im Kollegium waren alle per „du“. Deshalb war diese Anrede selbstverständlich. Trotzdem ging von ihm etwas Persönliches aus, das über dieses Gespräch weit hinausging.
Mareike spürte es. Sie fühlte sich davon gleichermaßen erschreckt, wie angezogen. Obwohl sie nicht hätte sagen können, weswegen.
„Nein,“ behauptete sie, obwohl sie sich zutiefst verunsichert fühlte.
„Du bist sicher eine wunderbare Lehrerin“, schmeichelte sich Lukas bei ihr ein.
„Na ja, geht so.“, schwächte Mareike ab.
„Du bist so herrlich bescheiden!“, lobte er sie. „Das gefällt mir. Dabei bist du eine so tolle Frau.“, unbeirrt setzte er seine Schmeichlereien fort.
Mareike hätte ihm stundenlang zuhören können. Sie starrte ihn fasziniert an. „Ich muss… ich muss…“, stammelte sie.
„Ich weiß“, flüsterte er mit der erotischsten Stimme, die Mareike je gehört hatte. Dabei berührte er wie zufällig ihre Hand. „Wir sehen uns…“ in seiner Stimme lag Verheißung und Versprechen.
Wie betäubt ging Mareike zurück in ihre Klasse.
Mareike befürchtete, wenn Lukas sie gewollt hätte, er hätte sie haben können, jetzt sofort, hier mitten im Kartenraum. Gleichzeitig wusste sie, dass sie verrückt sein musste. Sie war verheiratet, hatte eine Tochter, trug Verantwortung. Außerdem lebte sie nach christlichen Grundsätzen, da kam Ehebruch nicht vor. Höchstens als Gebot. Was war nur los mit ihr?
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