Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Obrea
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783847620402
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fest: „Du scheinst selbst hier in Kanada ein guter „Löwenbändiger“ zu sein.“ Die Antwort kam prompt und kurz: „ Dieses ist eine der Hauptaufgaben, die mich für meine Arbeit qualifizieren.“ Ihre abschließende Benachrichtigung von Wegener ergab, dass Peter Baumann, den Sven bereits in Esslingen getroffen hatte, am Anfang der folgenden Woche nach Toronto kommen würde, um zusammen mit ihm nach Bancroft zu fahren. Die verbleibenden Tage nutzten sie vor Allem, um, wie bereits vereinbart, die Aufteilung der zu erwartenden Aufgaben im Rahmen ihrer weiteren Zusammenarbeit zu besprechen und so aufeinander abzustimmen, dass sie sich intern möglichst reibungslos ergänzten und nach außen ein geschlossenes Team bildeten. Begegnungen mit kanadischen Lieferanten und Behörden der Provinzialverwaltung dienten als erster Test.

      Besonders freute sich Sven auf das Wiedersehen mit Arne Erikson, der sie als Erster besuchte. Schon als er mit seiner großen, breitschultrigen Gestalt in ihrem Büro auf sie zukam und mit einem kräftigen Händedruck begrüßte, erzeugte er eine vertrauenswürdige, ehrlich und wahrhaftig wirkende Atmosphäre, wie sie hauptsächlich dem Land verbundene Einheimische kennzeichnet. Skeptisch aber gleichzeitig auch wohlwollend blickte er den Ausländer an und fragte ihn mit einem leicht ironischen Unterton: „Hast du dich jetzt endgültig dazu entschlossen, mit unseren „Lumberjacks“ in der Abgeschiedenheit Bancrofts gemeinsame Sache zu machen?“ Sven fiel dazu nur folgende Antwort ein: „Kann doch ganz interessant werden, besonders wenn wir im kommenden Winter keine Abwechslung mehr haben und uns solange prügeln, bis wir merken, dass der gemeinsame Spaß einen größeren Unter- haltungswert besitzt.“

      Arne grinste zustimmend, indem er den Hintergedanken dieser unkonventionellen Antwort verstand und erwiderte: „Ich stelle fest, dass du bereits einschlägige Erfahrungen besitzt. Deine Einstellung gefällt mir, weil sie eine offene, direkte Auseinandersetzung mit den lokal bedingten Widrigkeiten und deren, von Anpassung begleiteten, Überwindung zum Ausdruck bringt. Wie mein Anwalt Ben bei unserem Treffen im Segelclub bereits richtig erkannte, lähmt die hiesige Zivilisation der Großstadt mit ihren alles beherrschenden Regeln und festgefahrenen Gepflogenheiten die selbstbewusste, unabhängige Eigeninitiative, die unsere Nordländer im ständigen Kampf mit den Herausforderungen der Natur beweisen müssen. Als fremder Außenseiter erreichst du den von dir erwähnten „Gemeinsamen Spaß“ mit ihnen nur, wenn sie bei deinem Vorgehen und deinen damit verbundenen Aktivitäten diese Art freier und unvoreingenommener Eigeninitiative erkennen.“ Sven bestätigte mit nachdenklichem Kopfnicken diese Interpretation des vorher Gesagten und fragte abschließend: „Seid ihr bereit, mir am Anfang durch korrigierende Hinweise zu helfen?“ Jim versicherte ihm daraufhin: „Wir haben dich bei uns hier akzeptiert und du kannst dich deshalb auf unsere volle Unterstützung verlassen.“ Sichtlich erleichtert, bedankte sich Sven bei ihnen, wusste er doch, dass er mit dieser Zusage die erste bedeutende Etappe seines neuen Anfanges in Kanada erfolgreich zu seinen Gunsten entschieden hatte.

      Anschließend gelang ihnen im Laufe der Woche alle Einzelheiten ihres weiteren Vorgehens zu erläutern und so weit zu klären, dass Svens Übersiedlung nach Bancroft, wie geplant, mit der Abholung seines Monteurs am Flughafen in Toronto beginnen konnte.

      2.7

      Am Nachmittag vor der Ankunft von Peter Baumann erzählte Sven noch einmal ausführlich über seine Begegnung mit ihm während seines Aufenthaltes in Esslingen. Jim hörte aufmerk-sam zu und sagte schließlich: „Wir müssen uns anstrengen und versuchen, das feurige, mexikanische Klima durch die Vorzüge unserer langweiligen Zuverlässigkeit zu kompensieren. Ich begleite dich zum Flugplatz, damit wir beide zusammen einen ersten, hoffentlich attraktiven Eindruck bewirken.“ Sven aber blieb skeptisch und antwortete: Vielen Dank für deine Unterstützung! Ein mexikanischer Schwabe, der in die kanadische Einsamkeit gebracht wird, benötigt sicherlich besondere Pflege.“

      Zunächst aber schien Jim recht zu behalten. Als Peter Baumann aus der Zollabfertigung kam und von dem Empfangskomitee der beiden anderen mit: „Hallo Peter!“ begrüßt wurde, verfehlte diese Geste nicht ihre Wirkung. Sein auffälliger, schwarzer Schnurrbart ließ die beiden etwas nach oben gezogenen Mundwinkel verschwinden und damit die angenehme Überraschung erkennen, die sie bei ihm hervorriefen. Nach der Begrüßung gestand er ihnen: „Kaum zu glauben, dass ich hier von Bekannten empfangen werde. Als der Pilot unseres Flugzeuges uns ankündigte, dass er den Atlantik überquert und Kanada bei der Küste von Labrador erreicht habe, glaubte ich schon bald am Ziel zu sein. Der Flug dauerte jedoch noch einmal drei Stunden und der Blick aus dem Fenster zeigte mir eine riesige verlassene Landschaft, die von endlos vielen Seen durchsetzt war.“ Jim versuchte ihn zu beruhigen: „Hier in Toronto machen wir eine Ausnahme, damit du dich an uns gewöhnst, bevor dich Sven nach Bancroft bringt und ihr hoffentlich die Vorzüge der Abgeschiedenheit kennen und schätzen lernt.“ Peters Mundwinkel zeigten sich jetzt zu beiden Seiten seines Schnurrbartes und den ernsthaften Blick auf Jim gerichtet, erwiderte er: „Ich werde mir bald ein Auto kaufen, um damit der von dir gepriesenen Abgeschiedenheit möglichst oft zu entkommen.“ Jim und Sven sahen sich an, hatten aber keine passende Antwort und beschlossen deshalb, ihren Gast möglichst schnell zu seinem Hotel zu bringen.

      Auf ihrer Rückfahrt zum Büro erklärte Sven seinem Partner: „ Unser Montageleiter, Klaus Weinlein, erzählte mir bei Wegener in Esslingen bereits, dass Peter zwar ein ausgezeichneter Monteur ist, aber eine Mexikanerin geheiratet hat, die aus begütertem Hause stammt und deshalb besondere soziale Ansprüche geltend macht. Wir müssen ihn vor Allem privat unterstützen, wenn seine Frau nach hier kommt.“ Jim zog sein Gesicht nachdenklich in die Länge und erwiderte: „Keine leichte Aufgabe, dieser „anspruchsvollen Dame“ die andersgearteten Vorzüge von Bancroft schmackhaft zu machen.“ Jim wollte und durfte aber noch nicht aufgeben und beendete das Thema optimistisch mit dem Satz: „Wir haben doch auch etwas zu bieten. Mal sehen, wer gewinnt.“

      Nachdem Sven sich für einen längeren Aufenthalt im Norden gerüstet hatte, holte er am anderen Morgen seinen neuen Begleiter pünktlich am Hotel ab. Jims Rat befolgend, wählte er nicht die direkte Route über den Highway 401, der sie nördlich an Toronto vorbeigeleitet hätte. Stattdessen fuhr er über den Gardiner Expressway zur Innenstadt, direkt vorbei am Fernsehturm mit dem imposanten Kuppelbau des Skydoms ( Torontos neuem Footballstadium) und entlang an dem von Hochhäusern gesäumten Ufer des Ontario Sees. Peter staunte und war sichtlich zufrieden, dass ihn der Flug des Vortages nicht in Kanadas Arktis abgesetzt hatte.

      Der anschließende, langsame Übergang auf das sanfte Hügelland östlich von Toronto, bot, durch die milde Herbstsonne beschienen, zusätzlich eine Aussicht, die die zunehmende Einsamkeit zum andersartigen, aber trotzdem noch beeindruckenden Erlebnis machte. Weitere Unterstützung durch die Landschaft erhielt Sven, als sie nach dem Mittagessen in Peterborough auf dem Highway 28 nördlich von Lakefield an den zahlreichen Seen vorbeifuhren und die angrenzenden Wälder sich mit ihrer bunten Laubpracht des „Indian Summers“ von ihrer schönsten Seite zeigten. Peter vergaß seine Vorbehalte und ließ seinen Fahrer einige Male anhalten, um den Blick auf diesen besonderen Festschmuck der Natur zu genießen. Voller Bewunderung sagte er: „Du hast dir einen mächtigen Verbündeten ausgesucht, um mir deine Baustelle schmackhaft zu machen.“ Ehrlicherweise musste Sven darauf antworten: „Die Gegend verbreitet den Zauber des Ursprünglichen, verursacht mir aber auch eine gewisse Unsicherheit, weil ich einerseits genau wie du über diese Pracht staune, andererseits mich zu wenig auskenne, um die gegenteiligen , menschenfeindlichen Seiten dieser Wildnis zu meistern.“ Jetzt zeigte sich bei Peters Erwiderung der alterprobte Fahrensmann: „Wenn wir einen guten Anfang wie diesen uns möglichst lange erhalten wollen, müssten wir uns auch weiterhin gegenseitig Mut machen, damit wir uns bei schwierigen Situationen , die auf uns zukommen, stets zum Durchhalten anspornen.“ Sven erkannte, dass er mit Hilfe der abwechslungs- reichen Ausblicke auf die sich momentan in großer Vielfalt und Schönheit präsentierende, schier endlose Weite dieser Landschaft Peter wieder zu dem verführen konnte, wie er ihn zusammen mit Klaus Weinlein in der schwäbischen Wirtschaft in Esslingen erlebt hatte. Die mexikanische Frau von Peter durfte er momentan zu den schwierigen Situationen der Zukunft zählen.

      Die Wirtin des Swordhotels, die Sven bereits von seinem ersten Besuch in Bancroft her kannte, dämpfte auch dieses Mal wieder ihre gute Laune, indem sie ihre Gäste