Über dieses Buch:
Die schöne Luz lebt in einem Dorf in den Anden Perus. Sie trifft dort von Kindheit an auf Ablehnung, gilt als andersartig und wird sogar gefürchtet. Aus Interesse am Kontakt mit Ausländern, verdingt sie sich als Putzhilfe in einem deutschen Bau-Camp eines nahegelegenen Staudammprojekts.
Luz kennt ihren Vater nicht, ein Phantom aus der Vergangenheit. Ihre traumatisierte Mutter hüllt sich in Schweigen. Nach hartnäckigem Forschen trifft Luz auf erschütternde Wahrheiten aus dieser Vergangenheit. Das verändert ihr Weltbild und schleudert ihr Leben aus der Routine. Der deutsche Ingenieur Karl heftet sich an ihre Fersen, ein katholischer Geistlicher dient als Richtungsweiser.
Mit Talent, Ehrgeiz und Visionen gesegnet, hetzt Luz voran und erreicht mit erstaunlicher Leichtigkeit gesetzte Ziele. Verunsicherter Liebeswunsch und der Irrtum des verletzten Egos begleiten sie.
Die Macht des Willens kommt zum Tragen, Situationen werden von ihm bestimmt und gemeistert, um letzten Endes zu erkennen, dass kein Meistern die Liebe ersetzen kann.
Gabriele Plate, Landschaftsarchitektin und Bildhauerin, geboren im Juni 1950. Langjährige Studienaufenthalte in Peru, Indien, Brasilien. Die Autorin lebt in Spanien.
Weitere Romane:
Edda - Oder der faule Apfel im Zwischenraum
Kein und Aber - Oder die gestohlene Zunge
Obwohl – Oder die Eleganz der Schuld
Impressum
Copyright: © 2015 Gabriele Plate
Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Umschlagbild und Gestaltung: Gabriele Plate
GABRIELE PLATE
Im Galopp durchs Nadelöhr
Roman
Für Marcel
Ankunft im Bau-Camp
Er hatte diesen Sonnenschein mit dem unmöglichen Namen, vor einigen Wochen, auf der Landstraße von Pacasmayo nach Cajamarca, aufgegabelt. Durch die Hitze trabend, eine ausgediente Sandale in der Hand, die andere am Fuß, mit einen Rucksack voller Süßkartoffeln auf den zarten Schultern.
Er hatte zumindest angenommen, es seien Kartoffeln darin. Was sonst schleppten diese Menschen immerzu von einem Dorf zum anderen und zurück, wenn keine Kartoffeln, Reis oder andere erbeutete Fressalien. Wie die Eichhörnchen erschienen sie ihm, immer waren sie vollbeladen, und Säuglinge hingen festgebunden oben auf den Säcken. Dieses Mädchen hatte keinen Säugling dabei, weder auf dem Rücken noch im Bauch, was sehr selten anzutreffen war, bei einer Frau im gebärfähigen Alter.
Sie war gertenschlank und um ihre Waden schwappten keine fünf oder sieben übereinander getragene Faltenröcke. Sie trug Jeans. Markenjeans, wie Karl sogleich bemerkt hatte. Wie war dieses Wüstenmädchen an den amerikanischen Markenartikel geraten?
Sie war dankbar auf die Ladefläche seines Pickup gestiegen. Ladeflächen für Vieh oder Ware bestimmt, als Plattform der Menschenbeförderung zweckentfremdet, waren immer willkommen. Sie kosteten den Passagier nichts und brachten ihn vorzeitig an sein Ziel. Das Angebot der Mitfahrgelegenheit im Inneren des Wagens, an seiner Seite, hatte sie mit einem betörenden Lächeln und einem kurzen Kopfschütteln abgelehnt.
Er hatte den Rückspiegel beinahe im Sekundentakt fokussiert, um ab und zu einen Blick auf seine süße Fracht zu erhaschen. Als sie mit der flachen Hand hörbar gegen das Rückfenster schlug, hatte er angehalten. Sie war nicht unbeholfen herunter geklettert, wie seine gelegentliche Menschenfracht es üblicherweise tat, sie sprang graziös vom Wagen, als sei es ein Teil einer gelungenen Choreographie. Sie bedankte sich in Spanisch bei ihm, sah ihn an und der Blitz schlug ein.
Er handelte schnell, ungewöhnlich schnell für seine Art zu handeln. Die Chance, ihr sonst je wieder zu begegnen, war bedrohlich gering. Normalerweise musste jeder Schritt von ihm geplant werden, ausnahmslos jeder! Er musste alles vorher durchdenken und die verschiedenen Möglichkeiten sorgsam abwägen. Doch hier hatte sich keine weitere Möglichkeit blicken lassen. Er, Karl, bot ihr an, seine Hausgehilfin zu werden. In seinem Haus im Bau-Camp.
Luz del Mar war eine Augenweide, außerdem war sie neunzehneinhalb, eine Begebenheit, die ihr seiner Meinung nach, ungeheuer zu der Lieblichkeit verhalf, die sie ausstrahlte, obwohl sie etwa einen Kopf kürzer war als er. Diese Kürze wäre normalerweise Grund genug gewesen, dieses Geschöpf Gottes nicht in Betracht zu ziehen. Nicht für seinen Bedarf!
Das Aufkommen seines Lustempfindens, mit verlässlicher Potenz gekoppelt, richtete sich nach strengen Regeln seiner Auffassung der Ästhetik. Er hatte gelernt, das Interesse für eine Frau in der Wurzel ersticken zu lassen, wenn nur ein einziger Punkt mit dieser Regelliste nicht harmonierte. Das konnte Karl, er hatte es lange genug geübt und sich dabei geschworen, nie wieder in die Falle zu tappen. Das hieß, beim Liebesakt zu versagen, nur weil ihm ein Hintern nicht gefiel oder die Beine zu kurz waren. Eine Falte an ungünstiger Stelle, kränkliches Zahnfleisch, schlappe Pobacken oder etwa nur ein Pickel im Mundwinkel ließen ihn erschlaffen. Diese Unmutserzeuger erschienen ihm ärgerlicherweise immer erst in den ausschlaggebenden Momenten vor Augen, sie machten sich als übergreifende Reaktionen erst dann bemerkbar, wenn er schon aus den Startlöchern heraus war, wenn diese Bremse von ihm zu spät erkannt worden war. Selbst wenn er seine Lider dann entschlossen zukniff, war es ihm unmöglich, das Bild des kleinsten Anstoßes aus seinem Sinn zu vertreiben. Er umarmte, küsste, streichelte, während sich ein angewachsenes Ohrläppchen elefantenhaft vor seinem inneren Blick aufblähte und seine Erektion vertrieb.
Als junger Mann hatte es dieses Problem nicht gegeben, erst in den letzten Jahren stießen ihn solche Läppchen und ähnliche Unebenheiten an einem weiblichen Körper so einschneidend ab. Alles endete, bevor es begann. Das war ihm schmählich oft widerfahren. Er traute dem Braten nicht mehr. Selbst wenn seine Lust ihm helle Aufruhr zuzwinkerte, ließ er sich von dieser unzuverlässigen Lust schon längst nicht mehr in die Irre leiten.
Folglich bemühte sich Karl, bevor er seine Hose abstreifte, der Anspruchsliste strengste Beachtung zu schenken, das war sein sicherer Weg für das Gelingen einer Paarung. Falls ihm also die kleinste Kleinigkeit am Äußeren einer Frau nicht gefiel, ließ er nun die Finger davon und begab sich lieber auf erneute Brautschau.
Er pflegte sich bei diesen menschlichen Zusammentreffen wie ein Zoobesucher zu verhalten, er saugte Erleben auf und gab nichts zurück. Vergleichsweise, vielleicht, ab und zu eine Erdnuss oder eine halbe Banane, doch diese hatte er nicht eigenhändig gepflanzt, gezogen, gepflegt und geerntet. Nicht einmal abgeschält. Er war ein Konsument durch und durch, er wusste die Quelle eines Genusses nicht selbst zu kreieren. Das alleine schon, wies ihn als Langweiler aus.
In Luz del Mars Anwesenheit allerdings, drohte diese Verhaltensweise ins Wanken zu geraten. Ebenso das strenge Konzept seiner Ansprüche an eine Frau. Es war in diesem Fall ja nur ihre etwas zu kleine Größe, die Proportionen sagten ihm zu, und von den befürchteten Unebenheiten konnte bei Luz keine Rede sein. Durfte er da nicht doch eine Ausnahme riskieren und diese geforderte Größe in seiner Wunschskala übersehen?
Ihre Stimme war so sanft, und wenn sie lachte, klopfte sein dürrer Freund gegen die Hosennaht. Die reine Wonne. Er wollte sie in seinen Armen vor Lust stöhnen hören. Und sie war so angenehm bescheiden, freute sich augenscheinlich über jede noch so kleine Aufmerksamkeit, die er sich für sie einfallen ließ. Das hatte Karl bei sämtlichen seiner vorherigen Eroberungen vermisst.
Fünf Dollar zusätzlich monatlich, zu dem üblichen Gehalt von fünfundvierzig, hatte er ihr großzügig angeboten. Sie hatte mit Tränen in den hellen Augen, so erschien ihm dieses Glitzern, mit einem sehr kurzen Gracias zu ihm aufgesehen und den Vorschlag angenommen. Karl liebte es, wenn man zu ihm aufsah.
Er verdiente sechstausendfünfhundert Dollar im Monat, davon bekam er zehn Prozent in der Landeswährung ausbezahlt, der Rest wurde in deutschen Landen auf sein Konto überwiesen, steuerfrei gehortet. Es erwies sich als schwierig für ihn, diese zehn Prozent in Soles auszugeben, er müsste ab und zu nach Lima fliegen und auf den Putz hauen.