Monet und der Tod auf der Insel. George Tenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Tenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750279315
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die eigentlich sonst?

      »Fast das ganze Jahr hindurch gibt es irgendwelche Jagdereignisse, je nach Schonzeit in den einzelnen Bundesländern«, sagte Hellmann.

      »Wann reisen die Herrschaften in der Regel an?«

      »Ein, zwei Tage vor Beginn der Jagd.«

      »Am Freitag oder Sonnabend?«

      »Ja.«

      »Keiner davon, der länger da ist?«

      »Das Ehepaar Kerner. Die Leute machen hier ein paar Tage Urlaub.«

      »Wissen Sie, wo die Kerners wohnen?«

      »Im ›Oasis‹ in Heringsdorf.«

      Larsson notierte sich das.

      »Sie wohnen immer dort«, setzte Hellmann nach, um die Bedeutung der Kerners hervorzuheben.

      Larsson schaute auf und sah das spöttische Lächeln Andresens.

      »Ein Fünf-Sterne-Haus«, stellte Andresen fest.

      »Die Leute machen ihr Geld mit Öl.«

      »Mit Öl?« , fragte Andresen interessiert.

      »Termingeschäfte mit Öl aus den Golfstaaten. Mehr weiß ich auch nicht.«

      »Irgendwas machen wir falsch«, stellte Andresen fest. »Ich hätte studieren und Richter werden sollen – in Bayern.« Er zwinkerte Larsson zu.

      »Zurück zu den Jagdgästen. Sind sie noch vor Ort?« , fragte Larsson.

      »Nur zum Teil. Eine große Gruppe ist heute Morgen abgereist, andere haben vor, im Laufe des Tages die Insel zu verlassen.«

      »Sie sind der Jagdpächter?«

      Hellmann bestätigte das.

      »Wie oft in der Woche sind Sie in Ihrem Pachtgebiet?« , fragte Larsson weiter.

      »Oft … drei-, viermal die Woche. Vor den großen Jagden aber täglich, um das Wild ordentlich anzufüttern.«

      »In der letzten Zeit also täglich … Seit wann?«

      »Das kann ich genau sagen, seit dem 4. Januar, einem Mittwoch. Das weiß ich ganz genau.« Hellmann strahlte.

      Larsson schaute auf seinen Kalender. »Das sind ja … zwei Wochen und vier Tage.«

      Hellmann lachte. »Je intensiver Sie in der Zeit das Wild anfüttern, und je weniger Störungen es in dieser Zeit für die Tiere gibt, umso erfolgreicher wird die Jagd.«

      »Und diese Jagd war erfolgreich«, stellte Andresen fest.

      »Ausgesprochen erfolgreich. Alle sind’s zufrieden.«

      »Wie weit entfernen Sie sich beim Anfüttern denn von dem Platz, an dem die Strecke aufgereiht war?« , fragte Larsson.

      »Unterschiedlich. Zuerst fange ich weiter im Innern des Waldes an und verstecke Eicheln, Kastanien und auch Äpfel wegen des intensiven Geruchs unter Baumenden oder umgebrochenen Bäumen, Gebüschen und lege eine dünne Spur bis zu dem Ort, den Sie gerade angefragt haben.«

      »Was war mit Fremdspuren in dieser Zeit?« , fragte Larsson.

      »Außer Wildspuren?«

      Larsson nickte.

      »Keine.«

      »Ist es nicht manchmal unheimlich, allein im Wald?«

      »Wieso?«

      »Nehmen wir einmal an, Sie haben einen Schwächeanfall und liegen dann allein im Wald. Was dann?«

      Hellmann brauchte eine Sekunde, um zu formulieren. »Erstens wird meine Frau Hölle und Teufel in Bewegung setzen, um mich zu finden, wenn ich zur ausgemachten Zeit nicht wieder zu Hause bin.«

      Ein Mystiker, der die Hölle und den Teufel bemüht.

      »Und zweitens?«, fasste Andresen ungeduldig nach, als Hellmann schwieg.

      »Wenn ich mich nicht melde, kann meine Frau auf ihrem Computer sehen, wo ich mich befinde und Rettung schicken.«

      »Und wenn das nichts bringt?«

      »Wenn das nichts bringt, ist es Gottes Wille und meine Zeit auf dieser Welt abgelaufen.«

      »Gottes Wille«, sagte Larsson gedehnt.

      Eben hat er noch den Teufel bemüht. Aber ist nicht Gott auch irgendwo der Teufel? Durch die Wälder durch die Auen zog ich leichten Sinns dahin, alles, was ich konnt’ erschauen, war des sichern Rohrs Gewinn …

      »Meine Hündin würde so lange bei mir bleiben, bis ich gefunden wäre und würde mich gegen Gott und alle Welt verteidigen«, sagte Hellmann voller Stolz.

      Doch mich umgarnen finst´re Mächte – mich fasst Verzweiflung, foltert Spott. O, dringt kein Strahl durch diese Nächte? Herrscht blind das Schicksal? Lebt kein Gott?

      »Die Fundstelle … Diesen Teil des Waldes haben Sie für die Fährtenlegung nicht einbezogen?« Larsson versuchte sich wieder auf die Fragen zu konzentrieren.

      »Nein.«

      »Warum nicht?«

      »Weil ich gezielt nach Laufspuren der Tiere gesucht und danach meine Anfütterungsstrecke angelegt habe. Es gibt eingelaufene Wildwechsel, die in der Regel von den Tieren benutzt werden. Dort habe ich natürlich angesetzt.«

      »Und der Fundort der Leiche? Hatten Sie den denn zum Füttern einbezogen?«

      Larsson schaute zum Fenster. Einige Spatzen machten sich lauthals an einem Futterkolben aus Sonnenblumenkernen und Fett zu schaffen. Dabei fingen sie an, sich um den Futterplatz zu streiten, der den Himmel versprach.

      »Nein.«

      »Kann das der Grund sein, weshalb die Schweine die Leiche nicht gefunden haben?«

      »Kann, ja, aber genau ist das nicht zu sagen.«

      »Und niemand, auch niemand, den Sie kennen, ist Ihnen in zweieinhalb Wochen begegnet?«

      »Nein.«

      Larsson beendete die Befragung. Er war sicher, dass aus dem Mann nichts mehr herauszuholen war. Hellmann ging in der Überzeugung, seinen Auskunftspflichten gegenüber der Polizei über die Maßen gut nachgekommen zu sein.

      »Du magst diesen Hellmann nichts sonderlich«, sagte Andresen, als sie wieder allein waren.

      Die Antwort war ausweichend. »Wie kommst du darauf?«

      »Glaubst du wirklich, dass er in dieser langen Zeit niemandem begegnet ist?«

      »Das weiß nur er allein. Aber warum sollte er lügen?« , fragte Larsson. Er suchte sich die Telefonnummer des »Oasis« heraus und wählte die Nummer. Er meldete sich mit Namen und Dienststelle und erfuhr, dass die Kerners noch bis zum kommenden Tag gebucht haben.

      »Wir fahren jetzt ins ›Oasis‹.« Er stand auf. In dem kleinen Hochschrank hatte er seinen Mantel hängen, den er jetzt herausnahm und anzog.

      Sie gingen über den Flur. Larsson schaute noch einmal zu Simons ins Büro der Kommissare. »Hast du schon mit dem Forstamt telefoniert?«

      »Ja. Negativ. Zwischen den Jahren wird gar nicht gearbeitet, und erst am Montag, dem 9. Januar, haben sie wieder angefangen«, erklärte Simons. »Aber nicht im Forsten zu Ahlbeck. Da haben sie bei Pudagla angefangen, um Baumbruch zu beseitigen.«

      »Wir sind kurz außer Haus«, sagte Larsson.

      Zwölf Minuten später parkten sie den Dienstwagen am Hintereingang des »Oasis«. In der Einfahrt standen einige Fahrzeuge der gehobenen Oberklasse. Sie gingen um das Haus den Verbindungsweg zur Promenade entlang.

      Vor ihnen lag der Park, in dem die große weiße Villa und das Gästehaus lagen. Die wechselvolle Geschichte des »Oasis« begann einige Jahre, nachdem der Oberforstmeister von Bülow 1820 die kleine Fischersiedlung