einem seiner Werke finde, das den Titel führt: Die
Religion, innerhalb den Grenzen der bloßen Vernunft,
überzeugt. Hier, wo er sich bemüht, sein System so zu
zerren, daß es auch über den Leisten der theologischen
Orthodoxen passen, folglich auch der Lehre von der
Erbsünde keinen Abbruch thun soll, sagt er: »Es sey eine
von den unvermeidlichen Einschränkungen des
Menschen und seines practischen Vernunftvermögens,
sich bey allen Handlungen nach dem Erfolge davon
umzusehn.« Nun dann! wenn dies eine für ihn
unvermeidliche Einschränkung ist; so scheint es doch
wohl der Vernunft nicht gemäß, von ihm zu fordern, daß
er nach Bewegungsgründen handeln solle, die gar keinen
Bezug auf den Erfolg haben, und die also für seinen
eingeschränkten Geist zu hoch sind.
23.
Und nun zum Schlusse dieses, vielleicht manchem Leser
zu trocken scheinenden Abschnittes, noch einige
Bemerkungen! Ich habe oben die Würklichkeit
angebohrner, allen Menschen eingepflanzter bestimmter
Begriffe von Tugend und Pflicht geleugnet. Es ist
hingegen unwiderlegbar gewiß, daß in unsrer Natur ein
lebhaftes Gefühl von Recht und Unrecht, das heißt: von
dem, was der Vernunft gemäß und nicht gemäß ist,
herrscht, welches jedoch erst durch die Verhältnisse und
Lagen, in welche wir versetzt werden, eine deutliche und
bestimmte Richtung bekömmt. Es geschieht aber, durch
eine sehr gewöhnliche Verwechselung von Ideen, daß wir
diejenigen Eindrücke, welche wir durch Erziehung und
nachherige Bildung erhalten haben, nachdem sie uns zur
andern Natur geworden sind, für angebohrne Begriffe
halten. Daher der Irrthum derjenigen, welche, mit
Verwerfung aller Rücksichten auf Erfolg und Nutzen, in
dem Geiste und Herzen der Menschen die
vollkommensten und würksamsten reinen Motive zur
moralischen Pflicht-Erfüllung zu finden glauben. Diese
Verwechselung findet nicht weniger bey andern Begriffen
und Empfindungen Statt. So hat, zum Beyspiel, jeder
Mensch ein angebohrnes Gefühl von Schönheit, oder
vielmehr einen natürlichen Sinn für den Unterschied
zwischen schön und häßlich; allein giebt es darum eine,
von allen Menschen unter allen Himmelsstrichen
anerkannte allgemeine Regel der Schönheit? Ist deswegen
derselbe Gegenstand unter allen Umständen immer
gleich schön oder häßlich? Gewiß nicht! Man rede aber
von einer schönen menschlichen Gesichts-Form; so wird
dem an antike Profile gewöhnten Kunstkenner die
Gestalt der griechischen Stirnen und Nasen, dem Neger
aber wird ein ganz andres Ideal vor Augen schweben und
doch wird bey Beyden der Grund-Begriff rein seyn,
nämlich abstrahirt von dem Wohlgefallen, das in ihm der
Anblick des vollkommensten menschlichen Antlitzes, (so
wie er sich die Idee davon durch Gewohnheit von Jugend
auf eingeprägt hat) erweckt. Eben so ist es mit den
Begriffen von Ordnung. Diese sind sehr relativ, obgleich
das Gefühl für Ordnung und Symmetrie in jedem
Menschen von Natur wohnt. Der Platz, den in Einem
Hause, in einem Zimmer, eine Sache vernünftiger Weise
einnehmen muß, würde in einem andern für dieselbe
Sache äußerst unschicklich seyn. Allein man rede von
einem ordentlichen Manne; so werden sich an diese
Haupt-Idee alle, durch Gewohnheit hinzugekommene
Neben-Begriffe anschließen, und jeder Anwesende wird
sich, ohne es zu wollen, den ordentlichen Mann als einen
Solchen denken, der seine Geschäfte in eben der Reihe,
wie er, verrichtet, seine Sachen nach eben der Weise, wie
er, verwahrt. Wäre es nun aber vernünftig zu behaupten:
Man müsse sein Hauswesen, seine Geschäfte, ohne
Rücksicht auf Umstände und Folgen, immer nach
solchen Regeln ordnen, die zu jeder Zeit als allgemeine
Gesetze für alle Haushaltungen gelten könnten?
Nachtrag.
Die Herrn Kunstrichter und diejenigen unter meinen
übrigen Lesern, denen die hier angeführten Gründe (für
den Satz: daß die Beförderung unsrer eignen
Glückseligkeit das erste, sicherste und reinste Motiv zu
moralischen Handlungen sey ) nicht überzeugend
vorkommen, bitte ich, ihr Urtheil noch zurückzuhalten
und erst vorher den Anhang zu diesem Abschnitte zu
lesen, den ich, um den Vortrag nicht zu unterbrechen, am
Ende der ganzen ersten Haupt-Abtheilung folgen lasse.
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