KNIGGE: Über Eigennutz und Undank. Adolph Freiherr von Knigge. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolph Freiherr von Knigge
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783742751256
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hingegen, desto weniger

       dringend. Drittens: je nützlicher eine Handlung in ihren

       Folgen für das Ganze würklich ist, desto verdienstlicher

       ist sie in sich selbst, desto edler ihr Zweck. Viertens: eine

       Handlung, wobey gar keine Folge, gar kein Nutzen

       vorauszusehn ist, hat gar keinen moralischen Werth, die

       Vernunft kann kein denkendes Wesen dazu bestimmen,

       und es wäre Unsinn, Pflichten von der Art anzunehmen.

       16.

       Bis hierher haben wir es nur mit den Bewegungsgründen

       der Vernunft zu thun gehabt; indessen ist schon vorhin

       gesagt worden, daß diese allein leicht zu einem, der

       Gesellschaft schädlichen Egoismus verleiten könnte, und

       daß der, welcher bey jedem Schritte nur allein ihre

       Gründe zu Rathe ziehn und die sichern Folgen

       calculieren wollte, vielleicht manche sehr edle, große und

       nützliche Handlung unterlassen würde. Dafür nun aber,

       daß das nicht geschehe, hat die schaffende Natur gesorgt,

       indem sie dem Menschen die Anlage zu Gefühlen

       gegeben hat, die ihn unwillkührlich zum Wohlwollen

       gegen andre Wesen, zu rastloser Thätigkeit und zu

       solchen Handlungen treiben, wovon er seiner Vernunft

       keine Rechenschaft geben kann, die seinem eignen

       Interesse ganz entgegen zu seyn scheinen, die ihm gar

       keinen sinnlichen Genuß gewähren, und bey welchen er

       doch eine Freude, ein Behagen empfindet, das er sich

       nicht erklären kann. Allein weil doch auch selbst in

       diesen Fällen die Hofnung eines höhern Genusses ihn

       treibt, dem gröbern sinnlichen zu entsagen; so scheint

       auch diese Art von moralischen Handlungen die

       Beförderung der eignen Glückseligkeit zum versteckten

       Motive zu haben. Um also den Menschen auch zu

       solchen Thaten zu bewegen, bey welchen gänzliche

       Aufopferung des eignen Nutzens und Vergnügens zum

       Besten des Ganzen Statt findet, wird eine

       Ueberspannung, ein Enthusiasmus erfordert, zu welchem

       gleichfalls der Keim in der menschlichen Seele liegt, die

       große Thaten gebiehrt, welche man aber nicht eigentlich

       in die Reihe moralischer Handlungen setzen darf, das

       heißt, in die Reihe solcher Handlungen, wozu uns die

       nüchterne, reine Vernunft die Motive eingiebt. Endlich

       kommen dann noch zu diesem Allen die religiösen

       Bewegungsgründe hinzu, nämlich die Aussicht in ein

       künftiges Leben, der Drang sich das Wohlgefallen des

       vollkommensten Wesens zu erwerben, und die Hofnung,

       in einem seligen Zustande nach dem Tode, die Folgen

       und die Belohnung solcher Thaten einzuerndten, die in

       dieser Welt für uns keine wohlthätige Folgen haben

       können. Daß abermals auch hierbey die Beförderung der

       eignen Glückseligkeit, obgleich von höherer und reinerer

       Art, das Haupt-Motiv sey, fällt in die Augen.

       17.

       Ich habe vorhin gesagt und zu beweisen gesucht, daß bey

       allen Antrieben zu unsern Handlungen, auch zu solchen,

       wozu uns Sinnlichkeit, Instinct und religiöses Gefühl

       hinziehen, die Vernunft unsre Leiterinn und Regiererinn

       seyn müsse, wenn diese Handlungen moralisch gut

       ausfallen sollen, das heißt, daß die Rücksicht auf Zweck,

       Folge und Nützlichkeit zum Besten des Ganzen, in so

       fern dies unser eigenes Wohl mit befördert, in Betracht

       kommen müsse. Nun aber könnte man einwenden: es

       gäbe Fälle, wo das eigne specielle Interesse und

       Vergnügen dem Handelnden so nahe liegen, der

       entferntere, damit streitende Vortheil des Ganzen

       hingegen ihm unmöglich so dringend vorkommen

       könnte, wo er auch unbemerkt und ungeahndet von

       Seiten der bürgerlichen Gesellschaft, eine That verüben

       könne, die seinen Wohlstand befördern, hingegen freylich

       der geselligen Zusammenlebung nachtheilig seyn müßte;

       und endlich, wenn er nun gar auf die Vortheile Verzicht

       thun wollte, die durch Unterlassung einer solchen

       Handlung zum Besten des Ganzen auf ihn zurückfiele; so

       würde ihn, in diesen Fällen, seine überlegende Vernunft

       bewegen, das entferntere Wohl des Ganzen dem nähern

       Privat-Vortheile aufzuopfern. Allein hierauf antworte ich

       erstlich: es liegt ein philosophischer Widerspruch darinn,

       behaupten zu wollen, ein einzelner Theil könne Vortheil

       davon haben, wenn das Ganze leidet, zu dem er gehört

       und zweytens: es steht gar nicht in der Willkühr des, in

       gesellschaftlicher Verbindung lebenden Menschen, vie

       Vortheile abzuleugnen, oder ihnen zu entsagen, die durch

       die Ordnung im Ganzen auf ihn zurückfallen; denn er hat

       ja diese Vortheile von Jugend auf schon voraus genossen.

       Die Erziehung, die Pflege, die Sicherheit seiner Person

       und seines Eigenthums, die ihm zu Theil geworden sind,

       bevor er selbst das Geringste dazu mitgewürkt hatte,

       haben ihn längst in Rückstand gesetzt und eine Schuld

       auf ihn geladen, die er nur dadurch abtragen kann, daß er

       wiederum so viel für Andre thut, als Andre schon für ihn

       gethan haben.

       18.

       Es ist jedoch freylich gewiß, daß der, welcher für diese

       Verpflichtungen keinen Sinn hat, den auch die Furcht vor

       der Strafe, welche die conventionellen Gesetze auf

       gewisse, der Gesellschaft schädliche Handlungen gelegt

       haben, nicht abhält und endlich der, in dessen Herzen

       religiöse Gefühle unwürksam sind, daß ein Solcher, Trotz

       seiner Vernunft, unmoralisch handeln wird. Es ist eben

       so gewiß, daß wer unfähig ist, von einem gewissen

       Enthusiasmus für große, uneigennützige Thaten beseelt

       zu werden, zu höhern Aufopferungen nicht fähig seyn

       wird. Auch ist es nicht weniger ausgemacht, daß Fälle

       eintreten, zum Beyspiel bey der Nothwehr, bey Diebstahl

       aus drückendem Hunger, bey Noth-Lügen u.d. gl. wo das