WAS SAGEN WIR DER WITWE?. Detlef Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Detlef Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750223110
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ich etwa keinen Grund?« Elke Riegella spielte nervös an den Knöpfen ihres Kittels.

      »Ich finde, dass er ein sehr interessanter Mann ist. Außerdem ist immer einer der Lieblingspatient.« Schwester Brigitte sah auf die Armbanduhr. »Bald Mitternacht. Ich muss nach ihm sehen. Außerdem kannst du dir ruhig angewöhnen, statt Nummer Siebzehn mal Intensivstation zu sagen.«

      »Was bei uns so Intensivstation heißt. Die ist man ziemlich dürftig ausgestattet.«

      »Wann brauchen wir sie denn auch mal? Wir haben ja keine schweren Fälle. Der Infarkt von Lurrup war nicht vorherzusehen.«

      »Hoffentlich hast du den nicht verursacht«, sagte Elke Riegella. »Wenn ältere Herren sich noch mal verausgaben...«

      »Du spinnst! Als ob ich mit dem was hätte. Der ist viel zu alt für mich.«

      »Zum Befummeln reicht’s immer noch.«

      »Wo bei dir das Fummeln anfängt.« Schwester Brigitte drückte die Zigarette aus.

      »Du gibst es also zu?«

      »Ich gebe gar nichts zu. Du bist ja krankhaft eifersüchtig. Man kann direkt Angst vor dir kriegen.«

      Das Telefon im Schwesternzimmer läutete dreimal.

      »Bestimmt wieder die Alte drüben im anderen Flügel«, sagte Schwester Brigitte. »Das höre ich förmlich am Klingeln. Die besteht nur aus Sonderwünschen. - Im Übrigen ist es reine Berechnung, dass ich mich um ihn kümmere. Vielleicht beruhigt dich das ein bisschen, du lesbische Ziege.«

      »Selber lesbisch«, sagte Elke Riegella. »Tu nicht so.«

      »Nicht so wie du. Für mich sind Männer noch Menschen.«

      »Du wirst schon deinen Grund haben. Ich jedenfalls finde das schon widerlich, wie du dich bei dem aufführst.«

      »Ich führe mich nicht auf. Ich kümmere mich ein bisschen um ihn.«

      Elke Riegella hüstelte ironisch. »Das merkt man«, sagte sie. »Dabei möchte ich mal wissen, was der an dir findet. Du wirst jeden Tag dicker, und deine Frisur ist unmöglich. Setz bloß nicht mal die Haube ab, sonst kriegt der ’n Schock. Man kann sich mit dir kaum noch sehen lassen.«

      »Brauchst du ja auch nicht. Du weißt doch, dass ich keinen großen Wert drauf lege. Lass mich am besten in Ruhe. Du hast dein Erfolgserlebnis gehabt.«

      »Das habe ich noch. Könnte nämlich sein, dass ich dich liebe.

      Aber das verstehst du nicht. Ich gebe sogar zu, dass ich eifersüchtig bin. Das bist du zum Beispiel nie.«

      »Ich habe ja auch keinen Grund«, sagte Schwester Brigitte schnippisch. »Ich warte immer noch, dass du mir mal einen lieferst. Dann wirst du ja erleben, was passiert.«

      Wieder läutete das Telefon.

      »Ich bin schon unterwegs«, sagte Schwester Brigitte in den Hörer und legte auf. Sie wandte sich an die Ärztin. »Nun sag mal ehrlich: Meinst du wirklich, dass ich mit ihm was habe?«

      »Dir traue ich alles zu. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Patienten verlieben sich manchmal in die Schwestern. Bis dahin ist das ganz normal. Aber was dann kommt, das ist entscheidend. Und da bin ich mir bei dir nicht sicher. Er kommt ja von unserer sogenannten Intensivstation auch mal wieder runter. So schwer hat es ihn zum Glück nicht erwischt. Und ich bin gespannt, wie er sich dann anstellt. Manchmal sind die neuerwachenden Lebensgeister ganz schön gefährlich.«

      »Ach, hör auf. Warum soll ich nicht ein bisschen nett zu ihm sein? Vielleicht lohnt es sich sogar. Immerhin hat er mal was von Testament gemurmelt. Ich habe nichts gegen Geld.«

      Elke Riegella setzte sich auf die Schreibtischkante. Mit den flachen Absätzen ihrer weißen Schuhe stieß sie gegen die Seitenwand. Es klang unangenehm blechern. »Testament«, sagte sie höhnisch. »Das kennt man. Meist lässt die Dankbarkeit mit zunehmender Genesung rapide nach. Das wird bei deinem Lurrup nicht anders sein. Wie konkret ist er denn geworden?«

      »Ziemlich.«

      »Na, dann verwöhne deinen Liebling man weiter. Reich genug soll er ja sein.« Elke Riegella streckte die schlanken Beine aus. »Aber pass auf, dass dir seine Frau nicht die Augen auskratzt. Die ist bestimmt nicht begeistert, wenn er dir Geld hinterherschmeißt. Und was heißt schon Testament. Der kann noch dreißig Jahre leben. Ich frage mich, was du mit dem Geld dann noch anfangen willst. Aber vielleicht kann er das gar nicht anders machen, weil ihn seine Frau an das Geld nicht ranlässt. Sonst könnte er dir ja gleich was geben. Testament. Du bist naiv genug, auf so was reinzufallen.«

      »Von welcher Frau redest du dauernd?«, fragte Schwester Brigitte verunsichert.

      »Dein munterer Knabe ist relativ frisch verheiratet.«

      »Du willst mich ärgern.«

      »Da kenne ich bessere Möglichkeiten. - Auf seine alten Tage hat er sich was ganz Junges genommen.«

      Schwester Brigitte starrte auf den grauen Linoleumfußboden. »Er spricht nie von seiner Frau. Eigenartig. Ich dachte immer...«

      »Ob du denkst oder nicht. Seine Frau liegt in den Städtischen auf der Gynäkologie. Da müssen die vollenden, was dein Liebling nicht richtig angefangen hat.«

      »Er wird Vater?«

      Elke Riegella rutschte von der Schreibtischkante. »Jetzt fehlt nur noch, dass du Mutter wirst. Trag es mit Fassung«, sagte sie spöttisch. »Männer sind eben so. Man fällt immer rein. Du denkst noch mal an mich.«

      »Ich bin nicht reingefallen. Ich... Außerdem könnte ich das noch gar nicht wissen, wenn was passiert wäre.«

      Wieder läutete das Telefon.

      »Nun geh' schon hin zu der Alten. Sonst beschwert sie sich beim Chef. Ich möchte mal wissen, warum der heute im Haus ist. Sonst lässt er sich um diese Zeit nie sehen.« Elke Riegella schob die Schwester zur Tür. Sie strich ihr tröstend über den Rücken.

      »Lass mich in Ruhe!« Schwester Brigitte ging auf den Flur hinaus. »Du, ich glaube, der Chef geht eben weg.«

      »Das ist auch besser so. Der stört hier nur. Wenn du mich suchst: Ich rauche draußen meine Zigarette. Dann kann keiner sagen, ich hätte die Luft verpestet.«

      Professor Curd Kamphuut zählte zehn Chips ab und schob sie dem Tischcroupier hin. »Auf Zero«, sagte er. Betont desinteressiert sah er auf seine kantigen Hände, aber seine Augenlider flatterten unruhig, als die Roulettekugel zu rollen begann.

      »Rien ne va plus. Nichts geht mehr«, sagte der Kesselcroupier mit monotoner Stimme. »Bitte nicht mehr setzen.«

      Die Kugel begann über die Trennstege zu klappern.

      Kamphuut griff an die Revers seiner Smokingjacke. Dann ließ er die Hände in die Taschen gleiten.

      Das Klappern der Kugel verstummte.

      »Sechs«, sagte der Kesselcroupier in die Stille hinein. »Sechs. Pair. Rouge.«

      Der Rechen des Tischcroupiers harkte über den Tisch.

      Kamphuuts linke Hand schloss sich um den Tausend-Mark-Chip.

      »Bitte das Spiel zu machen.«

      Kamphuut zögerte. Er lehnte sich zurück und schien zu überlegen.

      »Spielen Sie nicht mehr?«, fragte hinter ihm jemand.

      Kamphuut schüttelte den Kopf. Er sah über die Spieler hinweg auf die Wand, an der eine weiträumige Landschaft mit beruhigendem Grün hing.

      »Bitte das Spiel zu machen.« Der Kesselcroupier hielt die Elfenbeinkugel zwischen Daumen und Zeigefinger.

      Kamphuuts Hand zögerte über der Dreizehn. Dann ließ er den Tausend-Mark-Chip auf die Siebzehn fallen. »Ich spiele noch«, sagte er über die Schulter nach hinten. Auf seiner breiten Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet.

      »Verzeihung.