WAS SAGEN WIR DER WITWE?. Detlef Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Detlef Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750223110
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      »Ist er auch. Das ist das einzige, was uns Zeugen bestätigen können. Nach dem Unfall hat sich das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit entfernt. Schade. Die Schlossstraße ist eine reine Geschäftsstraße. Da herrscht um die Zeit kaum noch Verkehr, und Fußgänger sind erst recht nicht unterwegs.«

      »Deshalb nehme ich ja den Weg. Die kürzeste Entfernung zwischen der Firma und meiner Wohnung ist das nicht. Trotzdem spare ich am Ende etwa fünf Minuten.«

      »Sie beschäftigen keinen Fahrer?«

      »Auf dem Papier schon. Aber der ist bei mir mehr Mädchen für alles. Ich kann dem Mann nicht zumuten, immer bis gegen Mitternacht auf mich zu warten. Abends fahre ich deshalb meist selbst. Und im Übrigen... Kleinwagen mit Chauffeur. Wie sieht das denn aus?«

      Der Wachtmeister lächelte. »Wir haben den Wagen sichergestellt. Vielleicht lässt sich ja noch was ermitteln.«

      »Wieso sichergestellt? Ich lasse den sofort verschrotten. Wenn ich hier rauskomme, will ich an den Vorfall nicht mehr erinnert werden. Vielleicht können Sie das verstehen?«

      »So einfach können wir uns das nicht machen«, sagte der Wachtmeister. »Wir müssen das im Auge behalten. Manchmal ergeben sich im Zusammenhang mit anderen Straftaten noch Hinweise. Es kann ja sein, dass der gerade von einem Einbruch gekommen ist und deshalb kein Licht anhatte.«

      »Das wäre eine Erklärung«, sagte Lurrup. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Versuchen Sie mal festzustellen, ob da in der Nähe ein Einbruch war.«

      »In der Gegend wird häufiger eingebrochen, und die Aufklärungsquote ist leider nicht sehr hoch. Manchmal hilft der Zufall. Auf den werden wir bei Ihnen wohl besonders angewiesen sein.« Der Wachtmeister klappte sein Notizbuch zu. »Sollte Ihnen noch was einfallen...«

      »Dann lasse ich Sie das umgehend wissen«, sagte Lurrup.

      »Vorläufig mal gute Besserung. Auf Wiedersehen.«

      Lurrup antwortete nicht. Er sah zur Decke des Krankenzimmers hinauf und schloss die Augen, als er allein war. Zischend atmete er durch die Zähne. Dann wälzte er sich stöhnend halb auf die Seite. Mit der unverletzten Hand zog er das grüne Telefon an die Kante des Nachttischs. Er hob den Hörer ab und legte ihn neben sich auf das Kopfkissen. Langsam wählte er eine siebenstellige Nummer.

      »Lurrup. Verbinden Sie mich mit der Wohnung von Bertram. - Ja, das weiß ich auch, dass der jetzt vermutlich schläft. Lassen Sie’s läuten, bis er wach ist. - Hören Sie, Bertram, ich hatte einen Unfall und liege in der Klinik von Professor Kamphuut. - Unterbrechen Sie mich nicht. Ich weiß auch, dass das mit Ihnen nicht passiert wäre. Weshalb ich anrufe: Sie gehen jetzt rüber in die Villa. In meinem Schreibtisch, oben in der rechten Schublade, liegt ein Band Grundwissen der Metallurgie, den bringen Sie mir sofort her. - Dann nehmen Sie eben ein Taxi, wenn der Wagen in der Inspektion ist. - Das Buch ist innen ausgehöhlt. Erschrecken Sie nicht, falls Sie’s aufschlagen. Da liegt eine Pistole drin. Prüfen Sie am besten mal nach, ob die überhaupt geladen ist. Ich habe das Ding nie gebraucht. - Ja, jetzt könnte ich sie gebrauchen. Legen Sie zur Tarnung ein paar andere Bücher dazu. Nehmen Sie einfach was aus dem Regal. - Es kontrolliert Sie keiner. Ich sage Bescheid, dass ich meinen Fahrer erwarte. Und Maria soll Ihnen zusammenpacken, was man im Krankenhaus so braucht. Dass mir übrigens keiner auf die Idee kommt, meine Frau zu benachrichtigen. Das mache ich selber. Immerhin lebe ich ja noch. - Danke.«

      »Sind Sie die behandelnde Ärztin?«, erkundigte sich der Wachtmeister. »Sonst müsste ich mal jemand sprechen, der...«

      »Nein, ich bin die Ärztin«, sagte Elke Riegella. »Ich wüsste allerdings nicht, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Herr Lurrup ist bei Bewusstsein und kann Ihnen alle Fragen beantworten.« Sie strich sich über die kurzgeschnittenen blonden Haare, dann schob sie die Hände in die Taschen des Ärztekittels.

      »Er ist nicht sehr mitteilsam«, meinte der Wachtmeister. »Wie sind denn die Verletzungen?«

      »Er hat relativ viel Glück gehabt. Im Wesentlichen handelt es sich um mehr oder weniger schwere Prellungen und ein paar Schnittwunden. Alles in allem nichts Ernsthaftes. Der ist bald wieder draußen.«

      »Sie brauchen also nicht zu operieren?«

      »Prellungen kann man nicht operieren. Es sind auch keine Komplikationen zu befürchten.«

      »Schade.« Der Wachtmeister sah die überschlanke Ärztin enttäuscht an.

      Elke Riegella lächelte zu dem Wachtmeister hinauf. »Medizinisch wäre jede Operation sinnlos.«

      »Polizeilich nicht.«

      »Aus polizeilichen Gründen operieren wir aber nicht. Was sollte denn das bringen?«

      »Manche Leute sollen ja unter Narkose anfangen zu reden.«

      »Das kommt seltener vor, als Laien meinen. Und wenn, dann unterliegen wir der ärztlichen Schweigepflicht.« Sie nahm die randlose Brille ab und blinzelte kurzsichtig. Ohne die Brille machte sie einen weniger strengen Eindruck. »Was sollte er denn in der Narkose verraten?«

      »Wer ihn angefahren hat.«

      »Vielleicht weiß er es ja wirklich nicht.«

      »Das nehme ich ihm nicht ab. Ich habe meine Erfahrung mit Unfallopfern. Die verhalten sich anders. Meist wollen sie mehr gesehen haben, als überhaupt passiert ist. Der da drin stellt sich einfach dumm.« Der Wachtmeister deutete mit dem Daumen auf die Tür des Zimmers, in dem Hermann Lurrup lag. »Aber da kann man eben nichts machen. Wenn er denn nicht will... Wissen Sie übrigens, dass er Vater wird?«

      »Nein. Wir sind hier keine Frauenklinik.«

      »Ich meine nur... Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich in seinem Alter?«

      »Als Wunder kann man das nicht bezeichnen«, sagte Elke Riegella.

      »Ich dachte nur, dass das Kind vielleicht nicht von ihm ist und der werte Liebhaber...«

      »Ich dachte immer, Polizisten haben keine Phantasie«, unterbrach ihn Elke Riegella. »Aber überlegen Sie mal. Dann hätte er ja eher Grund gehabt, den Liebhaber überzumangeln.«

      »Stimmt eigentlich, Frau Doktor«, sagte der Wachtmeister. »Nichts für ungut. Vielleicht sehen wir uns ja noch mal.«

      »Das glaube ich nicht. Ich habe dauernd Nachtdienst.«

      »Wo hast du dich denn so lange rumgetrieben?«

      »Auf der Station. Wo denn sonst schon?« Schwester Brigitte schnippte eine Zigarette aus der Packung.

      Elke Riegella nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und ließ es mit ausgestrecktem Arm aufflammen. »Komm mal ein bisschen näher. Noch näher.« Sie bewegte die Flamme auf sich zu.

      Schwester Brigitte folgte ihr mit der Zigarette im Mund. »So wird das nichts«, murmelte sie.

      »Soll es auch nicht. Du mit diesen albernen Damenzigaretten. Für Männerhände zu schade, oder wie die Reklame heißt.« Elke Riegella nahm der Nachtschwester die Zigarette aus dem Mund. »Küss mich, bevor du nach Rauch schmeckst.«

      »Was meinst du denn, wie du nach deinem französischen Männerkraut schmeckst?« Mit gelangweilter Miene hielt Schwester Brigitte der Ärztin den Mund hin. - »Au! Du hast mich gebissen! Meine Lippe blutet. Sadistin!«

      Elke Riegella reichte ihr die Zigarette. »Das ist die Strafe fürs Wartenlassen.« Sie hielt Schwester Brigittes Hand fest. »Wisch nicht mit dem Ärmel drüber, du kriegst sonst Blut an den Kittel. Der Chef sieht das nicht gern.«

      »Der Chef sieht bestimmt auch nicht gern, dass die Stationsärztin was mit der Nachtschwester hat.« Schwester Brigitte lächelte kokett. »Der hätte dich gar nicht einstellen dürfen. Du bist eine sittliche Gefahr für unschuldige Mädchen«, sagte sie kichernd.

      »Ich lasse wenigstens die männlichen Patienten in Ruhe. Und du? Du wimmelst ständig um diesen Lurrup von Nummer