Die ersten vier Tage bleiben die Eltern oft zusammen und warten sehnlichst darauf, dass ihr Söhnchen Robin die ersten Schritte macht. Um nichts in der Welt möchten sie das verpassen.
Robin wächst und gedeiht. Kein Wunder, bei der Pflege, die ihm die Eltern angedeihen lassen!
Anfangs, als er unbeholfen auf den viel zu langen Beinen steht, bleibt er gerne in der Nähe der Eltern. Er genießt ihren Schutz und hat er mal Hunger, braucht er nicht weit zu gehen um Nahrung zu erhalten.
Der graue Flaum verschwindet. Wie bei einem ganz normalen Flamingo wachsen rosafarbene Federn nach. Immer sicherer geht und steht er auf seinen zwei Beinen. Nur sein Schnabel, der braucht etwas länger, bis er richtig entwickelt ist.
Trotzdem entfernt sich Robin immer weiter von den Eltern weg. Er möchte die Flamingowelt erkunden. Nur zum Fressen der Kropfmilch kehrt er gerne zu den Ernährern zurück.
Zwar versucht Robin immer wieder, selbst Nahrung aus dem Wasser zu seihen, doch der Schnabel will noch nicht so recht.
Bei einer dieser Erkundungstouren begegnet er Guy.
Guy und Robin
„Wie heißt du?“
Guy zuckt zusammen und zieht mit einem Ruck den Schnabel aus dem Wasser. Während das Wasser noch aus seinem Unterschnabel fließt, starrt er den Fremden an.
„Guy“, antwortet er. Dabei fällt ihm das Grünzeug, das er gerade aufgesammelt hat aus dem Schnabel.
„Hi Guy“, grüßt Robin sein Gegenüber fröhlich. „Ich bin Robin.“ Dabei strahlt er den fremden Jungflamingo an.
Robins Freundlichkeit ist ansteckend. Auch Guy lächelt zurück. „Hi“, erwidert er daraufhin den Gruß des anderen.
Kurz starren sich die zwei Jungen wortlos an. „Wollen wir etwas unternehmen?“, fragt Robin nun.
Guy dreht sich um. „Und was?“
„Weiß nicht.“ Robin schaut Guy neugierig an. „Wo sind deine Eltern?“
Suchend blickt sich Guy nach Artur und Senta um. „Da hinten steht meine Mutter.“ Mit dem Schnabel zeigt er in eine Richtung. „Und da ist mein Vater.“ Er wendet den Kopf in die andere Richtung. „Und deine Eltern?“
Nun ist es an Robin, nachzuschauen, wo denn seine Eltern sind. „Da drüben stehen sie und unterhalten sich.“
„Lass uns doch spazieren gehen“, schlägt Robin vor. „Es gibt bestimmt noch andere Flamingojungen die mit uns gehen.“
„Wohin willst du denn?“, Guy ist neugierig geworden.
„Halt so, einfach rumgehen.“
Guy nickt. „okay.“
Auf ihren langen, dünnen Beinen staksen die beiden Jungen los um die Flamingowelt zu erforschen.
„Und, hast du Geschwister?“, will Guy wissen.
„Nein, Einzelkind“, ist die knappe Antwort.
„Ich auch“, gibt Guy zurück. „Aber bei uns in der Nachbarschaft, sind in zwei Nestern zwei Vögel geschlüpft. Da geht die Post ab, sage ich dir.“
„Wieso?“, fragt Robin verständnislos.
Guy schaut den Weggefährten ungläubig an. „Na, weil die Eltern nicht wissen, wie sie zwei Junge satt kriegen sollen. Da bin ich schon lieber ein Einzelflamingo.“
„Stimmt“, pflichtet Robin bei. Er schlägt mit den Flügeln. „Wollen wir auf die andere Seite fliegen?“ Er zeigt in die Ferne. Irgendwo auf der anderen Seite der Straße.
„Ich darf nicht so weit weg“, bremst Guy den Eifer des neuen Freundes. „Außerdem habe ich Hunger.
„Dann friss doch was.“ Robin deutet auf das Wasser, das sich vor ihnen erstreckt.
Guy bleibt stur. „Ich will jetzt aber Kropfmilch.“
„Kropfmilch ist gut“, bestätigt Robin. „Darauf hätte ich auch Lust.“
„Also auf ein anderes Mal.“ Guy will sich abwenden.
„Halt!“ Robin stellt sich Guy in den Weg. „Treffen wir uns nachher?“
„Warum nicht?“ Guy ist froh, einen Kameraden gefunden zu haben. „Wo ist dein Nest?“
Robin ist mit Guy langsam im Sand gelaufen. Jetzt bleibt er stehen, deutet auf einen Kegel und sagt: „Genau hier.“
„Gut. Ich hole dich nachher ab“, verspricht Guy und macht sich auf die Suche nach seinen Eltern. Bei einem der beiden will er jetzt um Nahrung betteln.
Robin
„Na, mein Sohn“, wendet sich Rose liebevoll und stolz an ihren Sohn Robin, „was hast du gemacht?“
„Ich bin herumgelaufen“, erzählt Robin. „Stell dir vor, ich habe einen Flamingojungen getroffen. Wir wollen nachher noch ein wenig spazieren gehen.“
„Mit einem Flamingojungen?“, erstaunt schaut Rose den Jungen vor sich an.
Eifrig nickt Robin. „Ja, er heißt Guy.“ Der Jungvogel drängt sich an seine Mutter. „Mama, ich habe Hunger.“
„Hast du nichts gefressen?“, will Rose besorgt wissen.
Robin druckst herum. „Doch ein bisschen. Aber deine Kropfmilch schmeckt einfach besser.“ Er drängt sich so nah an seine Mutter, dass diese beinahe das Gleichgewicht verliert.
„Na, dann komm mal her.“ Sie öffnet den Schnabel und gibt ihrem Sohn die leckere Mahlzeit.
Leider wird er davon nicht satt. „Mama, ich habe noch Hunger.“
Traurig schaut Rose ihren Robin an. „Mein Junge, du bist nun groß. Ich habe nicht mehr so viel Kropfmilch. Bald wird es gar keine mehr geben.“
„Ja, ja, Mama, ich weiß“, sagt Robin missmutig. „Dann geh ich mal.“ Er wendet sich von seiner Mutter ab.
Im Augenblick hat er keine Lust aus eigenen Stücken Nahrung zu suchen. Lieber schickt er sich an, seinen Vater ausfindig zu machen und den um Kropfmilch anzubetteln.
Behäbig stolziert er durch das seichte, warme Wasser der Lagune und hält nach seinem Vater Ausschau. Robin will schon aufgeben und sich selbst Fressen suchen, als er den Vater sieht.
Er schreitet auf ihn zu. Als er sich seinem Vater genähert hat, sagt Robin: „Papa, ich habe Hunger.“
Edgar, der damit beschäftigt ist, das schlammige Wasser, das der durch seine Schritte aufgewirbelt hat, zu durchseihen, schaut seinen Sohn an. „Robin, ein Flamingo in deinem Alter ernährt sich selbst.“
„Aber Papa“, wehrt sich der Junge, „so groß bin ich gar nicht. Und, deine Kropfmilch schmeckt besonders gut“, bezirzt er den Vater. Er weiß, der Alte kann seinem Charme nicht widerstehen.
„Na, dann komm, mein Kleiner“, fordert Edgar sogleich seinen Zögling auf. Er öffnet den Schnabel und lässt den Sohn die Kropfmilch aufnehmen. Aber auch hier ist die Nahrung nicht ergiebig.
„Ich habe noch Hunger“, vernimmt Edgar da schon die Stimme seines Sohnes. „Gib mir mehr!“
„Robin“, sagt Edgar daraufhin bedrückt. „Die Zeiten, in denen deine Mama und ich dir Fressen geben können, sind vorbei. Wir können keine Kropfmilch mehr erzeugen. Du bist nun alt genug, dich selbst zu ernähren.“
„Aber