Am 07.11.2013 wurde jedoch das genaue Gegenteil verkündet, empört sich Florian Rötzer: "Die EU-Kommission lässt die umstrittene Maissorte SmartStax als Futter- und Lebensmittel zu. SmartStax ist im Wettrüsten mit der Resistenz ein zukunftsweisender Giftcocktail mit acht eingebauten Genen. Zur Entscheidung steht auch die Anbauzulassung für den Genmais 1507. Wie schon vorauszusehen war, hat die EU die Einfuhr der mehrfach gentechnisch veränderten Maissorte SmartStax von Monsanto sowohl als Futter als auch Lebensmittel zugelassen." Ebenso wie »Powercore«, eine ähnliche Maissorte von Dow, wurde »SmartStax« einfach durchgewunken: "SmartStax ist nicht nur gegen die zwei Herbizide Glyphosat und Glufosinat resistent, sondern die Pflanze enthält auch sechs verschiedene Insektengifte aus der Gruppe der Bt-Toxine, darunter cry1A105, das aus verschiedenen Insektengiften synthetisiert wurde. Die Toxine stammen von verschiedenen Stämmen des Bakteriums Bacillus thuringiensis und werden in der Pflanze auch anders als in den Bakterien gebildet."
»SmartStax« ist nicht die erste gentechnisch veränderte Pflanze mit mehreren Toxinen und Herbiziden, die in der EU zugelassen wurde. Die Maissorte »DAS1507xNK603« von Pioneer und Dow, die die beiden Herbizide und »cry1F« enthält, oder »59122xNK603« von Pioneer mit den beiden Herbiziden und »cry34Ab1« sowie »cry35Ab1« sind weitere. Welche Folgen solche Kombinationen aus Herbiziden und Toxinen haben, wird immer deutlicher. Testbiotech konnte nachweisen, dass die erhöhte Anzahl an Bt-Toxinen den Verdauungsprozess in höheren Mengen überstehen, als man bislang geglaubt hat, und sich negativ auf Säugetiere auswirken können. Ganz zu schweigen davon, wie die Tier- und Pflanzenwelt darauf reagiert. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat die neuen Standards jedoch schlicht akzeptiert: "Der EU-Lebensmittelmarkt wird dazu missbraucht, risikobehaftete Produkte zu entsorgen, die hier niemand haben will", echauffiert sich Christoph Then von Testbiotech.
Bislang wurde nur die Maissorte »MON 810« von Monsanto in der EU angebaut. Schlimm genug. Doch nun soll es uns noch heftiger treffen. Die genveränderte Kartoffel »Amflora« wurde für den Anbau bereits 2010 zugelassen und weitere Genpflanzen folgen. 17
Trotz eindeutiger Versuchsergebnisse zur Risikobewertung, geben sich Agrarriesen wie Monsanto nicht einfach so geschlagen. Sie schicken ihre besten Anwälte ins Rennen, um ihre Rechte einzuklagen, damit sie weiterhin Genprodukte produzieren, sie über sogenannte »Versuchsfelder« vertreiben und die Kleinbauern der Welt in die Abhängigkeit treiben können. Dazu stellen die Multis regelmäßig Genversuche auf unseren Feldern an, damit ihre Saat sich auskreuzt, vom Wind auf andere Felder getragen wird und immer mehr Bauern in der Region zur Kasse gebeten werden können. In den Chemielabors ihrer Kooperationspartner werden die patentierten Samen dann auch noch so verändert, dass sie nur noch mit eigenen Erzeugnissen resistent gegen Schädlinge gemacht werden können. Nur dann kann man den Neukunden nämlich die ganze Palette an Agrogiften verkaufen. Agrogifte, die zuerst auf den genveränderten Pflanzen und letztlich auf unseren genveränderten Nahrungsmitteln landen — seien es Nudeln, Obst und Gemüse oder unser Fleisch: alles ist kontaminiert.
Genfood überall
Wegen der Skrupellosigkeit, mit der die Multis hierbei vorgehen, beinhalten mittlerweile schon 70 Prozent aller Nahrungsmittel in den USA — dem Vorreiter in Sachen Genfood — einen genveränderten Bestandteil und mehr als 90 Prozent aller in den USA angebauten Sojabohnen enthalten Monsantos 2008 patentiertes Genmaterial, obwohl die gesundheitlichen Folgen, so die Vertreiber, noch weitestgehend unerforscht sind. 18 Bei uns sieht es wohl kaum anders aus.
Aber auch gegen die Rohstoff- und Agrarbörsen, an denen in diesem Moment zentral die Preise für einzelne Produkte bestimmt werden, protestieren Völkerrechtler heute immer mehr.
Wieso?
Weil Milchbauern aus der Dritten Welt beispielsweise deutlich höhere Milchleistungen erzielen müssen, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen, und nicht darum herum kommen, genmanipulierte Aussaat zu verwenden, um im Geschäft bleiben zu können. Sie tauschen daher oftmals nicht nur ihre autarke Existenz gegen eine lebenslange Abhängigkeit, auch nehmen sie Schäden für Natur, Umwelt und Mensch sowie wuchernde Lizenzgebühren in Kauf, die sie an den Patentinhaber zahlen müssen, damit sie ihre Kühe auch mit dem Turbofuttermittel, das die Milchproduktion verbessert, füttern können. 19
Das Genprodukte derzeit den Markt nur so überschwemmen, führte erst kürzlich wieder dazu, dass hunderte Obst- und Gemüsebauern in Italien auf die Straße gingen, um lautstark zu demonstrieren, weil 100.000 Tonnen genmanipuliertes chinesisches Tomatenmark die Gesundheit der Verbraucher und auch das Überleben der einheimischen Tomatenproduzenten bedrohen. Geklonte Chinaware mache mittlerweile sogar ein Drittel des italienischen Tomatenmarktes aus, so die Experten, die beklagen, dass der einheimische Markt überhaupt nur wegen der Subventionen aus Brüssel überleben könne.
Der Teufelskreis schließt sich in der Dritten Welt
Gleichzeitig fand in Ghana eine Demo statt, weil die subventionierten italienischen Produkte, die zu Hause keiner mehr haben wollte, nun den afrikanischen Markt überschwemmen. Nur haben die schlecht ausgerüsteten Kleinbauern in Ghana weder eine Lobby oder eine Möglichkeit, mit der hoch technologisierten Landwirtschaft der Europäer zu konkurrieren, noch können sie emigrieren, weil ihnen sonst der Tod oder das Leben in Armut und Knechtschaft drohen. Wie der Weltöffentlichkeit immer wieder gezeigt wird, schließen sich viele von ihnen letztlich aber doch dem nicht abreißenden Flüchtlingsstrom in Richtung Europa an, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Fliehen sie nicht, so verenden sie in den Slums der Megacitys.
Durch Genprodukte wird den armen Kleinbauern der Länder des Südens also nun auch noch das letzte Fünkchen Hoffnung genommen?
Ja. Und wieder einmal sind es sie, bei denen sich der Teufelskreis schließt, der in diesem Fall durch die Gen-Saat eingeleitet wurde. Verstehst du nun, wieso Vandana Shiva im Zusammenhang von Genprodukten und Genpiraterie auch immer von einen »Genozid« an der armen Dritte-Welt-Bevölkerung spricht?
Ja. Dieses Beispiel hat gezeigt, wer die Leidtragenden der Gesetze der freien, »asozialen« Marktwirtschaft sind, welche absurden Missstände durch die Erhebung von Genpatenten im landwirtschaftlichen Sektor entstehen und wie aus Kleinbauern Sklaven ohne Ketten werden.
Ist es nicht eigenartig, dass wir immer wieder beim Leid der Dritten Welt landen, obwohl wir eigentlich auf das Leid und die Missstände im Westen eingehen wollten?
Nein. Denn über die Mechanismen der globalen Marktwirtschaft, sind wir heutzutage so sehr mit den Menschen aus aller Welt vernetzt, dass jedes lokale Problem ein globales Problem ist. Und egal was wir tun oder produzieren, es führt fast immer zu Leid in der Dritten Welt.
Welche Erkenntnis, obwohl wir beide doch gerade mal nur sporadisch auf einige wenige Beispiele marktwirtschaftlicher Zusammenhänge eingegangen sind. Würden wir den Weg aller Produkte, nicht eben nur unserer Nahrungsmittel, explizit bis zu ihrer Gewinnung und Entstehung zurückverfolgen und würden wir untersuchen was ihr Konsum für eine Kettenreaktion im undurchsichtigen Geflecht der globalisierten Weltwirtschaft auslöst, müssten wir feststellen, dass mit fast jeder Ware, die wir heute kaufen, massenweise Dritte-Welt-Bewohner diskriminiert, demoralisiert und radikal ausgegrenzt werden.
Dann lass uns zumindest die Kette von dem zurückverfolgen, was ich am meisten konsumiere: Nahrungsmittel!
Machen wir weiter auf dem Weg vom Samen bis in den Mund des Verbrauchers und decken alle Verbrechen auf, die uns auf dem Weg begegnen. Finden wir heraus, mit welchen Manipulationstricks die Industrie sie uns schmackhaft macht und wie es mit der Saat weitergeht, nachdem sie geklaut und genverändert auf einer der Monokulturen eingesetzt wird.
Nachdem die Saat eingesetzt wird, beginnt die Aufzucht. Eine Höllenqual aus ihrer Perspektive, denn von jetzt an bekommt