Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737564281
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aber dafür war er ja wohl auch nicht um Viertel vor acht hier angetreten. Außerdem: Augen auf bei der Fächerwahl!

      Sie stopfte ihre übrigen Mappen und Bücher in die Tasche, wünschte allseits einen schönen Restnachmittag und entfloh, bevor sich die Mendel womöglich noch verarscht fühlte. Merkwürdig, dass sie offenbar erst seit diesem Jahr so durchdrehte. Und für Wegheiraten und Kinderkriegen war sie wohl schon zu alt.

      Doro parkte vor dem Baumarkt und eilte die Gänge entlang. Wo hatten die hier die Regale? Und wie schwer waren die wohl? Ihr ältlicher Kleinwagen fasste nicht unbegrenzt viel, aber notfalls würde sie eben täglich hier vorbeischauen.

      Vor den Regalen traf sie Maja Körner, die letztes Jahr am Mariengymnasium angefangen hatte. „Aha, willst du auch mal Ordnung in die Bude bringen?“, begrüßte diese sie. Doro nickte. „Ich hab die Wohnung ja erst seit ein paar Wochen, und immerzu aus Kisten leben…“

      „Schöne Wohnung?“

      „Och – ja. Ein Zimmer halt. In Selling. Aber ganz in Ordnung, finde ich. Gute Infrastruktur.“

      „Selling ist nicht schlecht, da hast du Recht. Haufenweise normale Läden und an jeder Ecke eine Bushaltestelle.“

      „Normale Läden?“

      „Solche, die man brauchen kann“, erläuterte Maja. „Lebensmittel, Klamotten, Schreibwaren, Apotheke… An der Uni gibt´s praktisch nur noch Cafés und Copyshops, was soll einem das, wenn man mit dem Studium fertig ist? Und in der Altstadt… schick schon, aber Designerklamotten braucht man ja auch nicht täglich!“ Doro lachte. „Stimmt. Obwohl, das Schaufenstergucken macht bei Designerklamotten natürlich mehr Spaß.“

      „Auf der Suche nach schicken Blazern…“ Maja seufzte.

      „Woher weißt du?“

      „Luise, Hilde und Katja haben schon eine starke Vorbildfunktion, findest du nicht?“

      „Doch… vor allem, wenn man manche andere danebenhält…“

      „Den fettigen Ederer… oder die Trautenwolf?“

      „Trautenwolf… ist das diese Dicke?“

      „Ja. Mit der Figur ist es wohl echt schwierig, sich gut anzuziehen… Größe 56 ist das bestimmt.“

      „Aber dafür kann sie ja wohl nichts… ich meine, wer so viel Speck angesammelt hat, hat doch bestimmt irgendein gesundheitliches Problem, eine Stoffwechselstörung oder so was?“

      „Meinst du?“

      „Weiß ich nicht, ich denke mir das halt so… Aber an dieser Schule laufen eigentlich viele recht gut gekleidet rum. An meiner Seminarschule hatte nicht mal der Chef einen Anzug an, sondern Cordhosen und ganz unglaubliche Pullis. Die hat ihm seine Alte offenbar selbst gestrickt. Und soo eine Wampe!“ Sie deutete das mit einer entsprechenden Geste an, und Maja lachte. „Wie der Ederer, das alte Ferkel! Die Trautenwolf ist immerhin Kult bei den Schülern, die hat einen wahnsinnig trockenen Humor. Ich hab bloß Angst, dass sie eines Tages tot umfällt – die muss doch unglaubliche Werte haben. Und rauchen tut sie auch noch, wie ein Schlot!“

      „Was? Huch, wo kann man denn am Mariengymnasium rauchen? Etwa vor der Tür, mit den Schülern? Geht ja gar nicht!“

      „Entweder dort, aber das hat wirklich was von Anbiederung. Oder um die Ecke im Georgenweg, da ist so eine ganz kleine Anlage. Da hängen die Kollegen dann gerne herum.“

      „Zur Freude der Anwohner?“

      „Genau. Und, was willst du hier kaufen?“

      Doro erzählte, ließ sich beraten und schleifte schließlich mit Maja zusammen die Bauteile für zwei Regale zur Kasse. Soviel würde in ihr Auto passen, hatten sie beschlossen. Und ein ganz hohes und ein fast ganz hohes Regal, das müsste doch ein guter Anfang für eine interessant gestaltete Regalwand sein?

      Leider verabschiedete sich Maja schon auf dem Parkplatz, also musste Doro den Kram alleine nach oben schleppen. Gut, dann war für heute die Fitness abgehakt!

      Oben zog sie den klapprigen Tisch von der Wand, saugte den Boden an der Wand entlang sorgfältigst ab, räumte auch alle Bücherkisten aus der Nähe weg und ging an die Arbeit. Die hohen Regale außen, dann nach innen absinkend bis zum Tisch, hatten sie sich überlegt.

      Sie begann mit dem ganz hohen Regal an der Wand zur Küche, fröhlich die Songs aus dem Radio mitpfeifend. Schwierig war das nicht – oberstes und unterstes Brett mit den Seitenleitern verschrauben, Stützkreuz anschrauben, alles korrekt aufstellen, übrige Bretter an den richtigen Stellen einhängen, alles säubern, um das Sägemehl zu entfernen, die Schrauben noch einmal nachziehen…

      Maja war nett, fand sie. Alle waren nett, außer dem dämlichen Trattner, diesem eitlen Affen, und natürlich der hysterischen Mendel.

      Mit diesem Ederer hatte sie noch nie ein Wort gewechselt – und mit einer Menge anderer aus dem Kollegium auch nicht. Bestimmt brauchte sie ein Jahr, bis sie alle kannte. Und bei einigen von den Referendaren lohnte es sich wahrscheinlich auch gar nicht. Bis sie deren Namen drauf hatte, kehrten sie an die Seminarschule zurück oder wechselten an eine andere Einsatzschule.

      So, das erste Regal stand!

      Ein bisschen korrigieren?

      Nein, erst das zweite Regal. Das Ex hatte wirklich Zeit bis Montag. Das Regal, dann beide schön einräumen, einige leere Kisten in den Keller, den Unterricht für morgen vorbereiten – und dann korrigieren. Wenn sie dann noch Lust hatte, hieß das!

      Konnte es eigentlich sein, dass es an dieser Schule so harmonisch zuging? Sie kannte ja nur zwei andere Schulen, aber dort waren Cliquenbildung und richtig giftige Zänkereien im Lehrerzimmer gang und gäbe gewesen, die Kollegen hängten sich gegenseitig beim Schulleiter hin und da, wo sie im Zweigschuleinsatz gewesen war, hatte die Chefin das auch ausgenutzt – divide et impera, offensichtlich. Und hier war alles Friede, Freude, Eierkuchen?

      Wahrscheinlich blickte sie nur noch nicht richtig durch, überlegte sie, während sie das zweite Regal fertig aufbaute und es mit dem ersten verband. Probehalber rüttelte sie an der Konstruktion: stabil. Vor allem, wenn sie jetzt noch ihre Ordner ins unterste Fach stellte.

      Das Einräumen war ein Genuss – plötzlich war ihr ganzer Schulkrempel übersichtlich untergebracht und sie fand beim Leeren der letzten Kisten noch Klarsichthüllen, Eckspanner und den Klebestift, den sie letzte Woche vergeblich gesucht hatte. Und die Bücher waren auch alle wieder da!

      Sie faltete die überflüssigen Kisten zusammen und lehnte sie im Flur an die Wand. Was jetzt?

      Vorbereiten.

      Ach nein, später. Neben dem Bett konnte sie doch zwei Kisten als Regalersatz aufbauen und ihre Pullis und T-Shirts darin stapeln… vielleicht tauchte dabei ja auch der ominöse Blazer wieder auf?

      Die einzige Zimtzicke, die an die Schulen aus der Referendarzeit erinnerte, war die Mendel. Aber die hatte dafür schon krass einen an der Waffel, fand Doro, während sie ungeahnte Schätze aus einer Kleiderkiste holte, alles auf dem Bett aufstapelte, die Deckflächen nach innen drückte und die Kiste mit dem Boden zur Wand und der Öffnung nach vorne neben dem Bett platzierte. Burnout reichte da wirklich nicht – vielleicht ein Schicksalsschlag? Oder ein Gehirntumor? Oder ein Suchtproblem?

      Dass der Mendel nicht wirklich mal einer eins überzog? Musste es da nicht manche dauernd im Handgelenk jucken, bei dem dummen Geschwätz? Oder dachten sich Leute wie Hilde Suttner dann doch nur Leck mich und fragten andere, ob sie eine Aufsicht übernehmen könnten?

      Unfair wäre das aber wirklich – so käme die Mendel völlig ohne Arbeit davon! Man müsste sie in eine Situation bringen, wo Dr. Eisler nicht mehr anders konnte als ein Disziplinarverfahren einzuleiten… Also, wenn sie eine Möglichkeit sah, jemandem wie Luise Wintrich dabei zu helfen, dann würde sie es auch tun – aber hallo!

      Sie arrangierte die Bücher noch etwas besser, faltete ihre beiden Strickjacken ordentlich, platzierte noch eine zweite stabile Kiste auf