Die Frauen von Schloss Blackhill. Ed Belser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Belser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844246957
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      Sie ritten auf befestigten Straßen, die aussahen, als wären sie soeben neu gebaut worden, und die bevölkert waren von englischen Soldaten und Steuereintreibern mit ihren Eskorten sowie Händlern mit großen Wagen voller aufgetürmter Kisten.

      Es war ein sonniger Tag mit blauem, wolkenlosem Himmel, wo man hinschaute. Weit im Süden kräuselten sich ein paar Wolken über dem Horizont, und in der Ferne waren die Umrisse eines Schlosses zu sehen.

      Die Straße führte sie auf ein Dorf zu. Eine der größeren Scheunen erwies sich als Schenke, bestehend aus einem abgetrennten Raum mit einem Tisch und einigen Stühlen mit freier Sicht in den Kuhstall. Sie banden ihre Pferde an und fanden den Gastwirt im Stall beim Melken.

      „Kriegt man hier etwas zu essen?“, rief Humphredus.

      Der Bauer ließ sich nicht in seiner Arbeit unterbrechen und schaute auch nicht auf. „Wartet, bis ich fertig bin.“

      Sie setzten sich an den Tisch. Von dort sah man durch eine Tür in einen anderen Raum, in dem unzählige Spindeln mit Rohwolle gelagert waren. Neben großen Bottichen lagen säuberlich geschichtete Rindenstücke von Ebereschen zum Färben der Wolle bereit.

      Endlich erschien der Bauer und fragte, was sie wollten. Er war mittelgroß, gedrungen, hatte Glotzaugen und riesige Lippen.

      Wie ein Fisch, dachte Cremor. „Wir würden gerne essen und übernachten. Geht das? Wie heißt du übrigens? Das ist Humph, und ich bin Cremor.“

      „MacLysh. Ihr könnt Haferkuchen, Lammfleisch und Wein haben. Übernachten könnt ihr dort.“ Er zeigte auf den Raum mit den Spindeln.

      „Wir nehmen alles. Bring zuerst den Wein und Wasser. Wir werden inzwischen die Pferde versorgen.“

      Nach dem Essen fragte Cremor nach Whisky.

      MacLysh zögerte zuerst, doch dann holte er einen Krug. „Man kann heutzutage niemandem mehr trauen.“

      Er stellte den Krug auf den Tisch und räumte die hölzernen Essgeschirre weg; er kam mit drei Bechern in der Hand zurück und schenkte aus dem Krug ein.

      „Wer seid ihr?“, fragte er.

      Cremor stellte sich als Wundarzt und Humph als Lehrer vor.

      „Also gebildete Leute seid ihr!“

      Sie erfuhren den Namen des Dorfes: Blair Mhor.

      „Es gehört zum Gebiet von MacLennoch”, erklärte MacLysh. „Wenn ihr nordwärts zieht, kommt ihr an Schloss Summerset vorbei.”

      „Und was machst du, MacLysh?“

      „Ich bin Schankwirt, sammle die Wolle von den Spinnerinnen ein, färbe sie und bringe sie in die Weberei.“

      „Und Schwarzbrenner?“, fragte Cremor, dem die riesigen Bottiche aufgefallen waren.

      Diese wurden sicher nicht nur zum Färben der Wolle verwendet. In ihnen konnte man auch Gerste einweichen und zum Keimen bringen.

      „Man kommt so herum“, sagte MacLysh, „nehmt noch einen Schluck.“

      2

      Am anderen Tag brachen sie im Morgengrauen auf, Richtung Norden, am Schloss der MacLennochs vorbei, das sie aus der Ferne betrachten konnten. Etliche fast weiße und hohe Gebäude umgaben eine dunkle Burg, auf deren Zinne eine Fahne zu erkennen war. Auf einem Feld exerzierten Soldaten, aus der Ferne klein wie Ameisen. Man hörte die Töne eines Dudelsacks, aber kaum den Hufschlag all der Pferde, die mit Lasten oder eingespannt in Wagen und Kutschen unterwegs waren.

      Bald hatten sie das große Anwesen hinter sich gelassen. Seit keine englischen Soldaten mehr zu sehen waren, trugen sie ihre Waffen offen. Hier und da duckten sich Hütten in die Mulden, eine wie die andere, alle fensterlos, mit Stroh- und Schilfdächern, aus denen Rauch entwich. Darunter trockneten hochgeschichtete Torfstreifen. An dunkelsilbernen Bächen weideten Schafe. In der Umgebung gingen Bauern ihrer Feldarbeit nach.

      Nach und nach verloren sich die Wege in den Tälern, die enger und enger wurden. Die steil aufsteigenden Hügel warfen lange Schatten. Bäume waren keine mehr vorhanden, die Wiesen waren karg und mit flächigem Heidekraut bedeckt. Inzwischen hatte sich der Himmel bedeckt, und um die Berge bildeten sich Nebelschwaden. Kleine schwarze Rinder suchten den dunkelbraunen Boden nach Futter ab. Hier und da tauchte kurz ein Hase auf, Gruppen von Vögeln verschwanden plötzlich, wenn von den Hängen ein Raubvogel abflog. Die Gegend schien menschenleer.

      Gegen Abend erreichten sie die Passhöhen. Ein Ausblick blieb ihnen verwehrt, denn der Pfad wand sich immer noch zwischen steinigen Hügeln, aber immerhin schien sich im Nebel ein Gefälle im Weg abzuzeichnen. Die Luft war feuchtkalt und bald fielen erste schwere Tropfen.

      „Wir sind in einer anderen Welt“, rief Cremor, doch Humph gab keine Antwort.

      Es war schon recht dunkel, als die Täler wieder breiter und der moorige Weg zwischen Rinnsalen und Pfützen erkennbar wurde.

      Plötzlich warnte Cremor halblaut: „Pass auf!“

      Humph, der hinter ihm ritt, hatte vor sich hin gedöst, war sofort hellwach und griff zum Säbel. Doch schon waren sie von einer Gruppe Soldaten umzingelt, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren. Sie hielten Breitschwertern schlagbereit über dem Kopf. Einer baute sich vor Cremor auf und hielt ihm seine langstielige Streitaxt vor die Brust. Humph wurde von hinten die gleiche Waffe auf die Schulter gesetzt, um ihn bei der ersten Abwehrbewegung vom Pferd reißen zu können. Sie hatten die Pferde am Zaum gefasst und hielten sie fest. Der Anführer der Gruppe, der einzige Soldat zu Pferde, befahl ihnen, abzusteigen.

      „Wer seid ihr? Was wollt ihr?“

      „Wir müssen zu MacAreagh, er erwartet uns. Wir sind Cremor und Humphredus.“

      Der Anführer grinste. „Solch lächerliche Namen hat man mir genannt.“ Er befahl den Soldaten, sich zurückzuziehen. „Steigt auf, reitet vor mir. Ich weise euch den Weg.“

      Cremor und Humph folgten den Anweisungen ihres Führers, der sich hinter ihnen hielt. Als es dunkel wurde, musste er vorausreiten, um sie zu leiten. Der Weg bis hin zum Pass war steiler gewesen. Dieser hier schien zwar leicht abwärts zu führen, doch wenn der Mond eine Lücke in den Wolken fand, sahen sie, dass sie immer noch inmitten von Hügeln ritten.

      Die letzten Stunden hatte es geregnet, und die Gruppe war völlig durchnässt. Nun hatte der Regen nachgelassen, die Wolken rissen auf und machten die Gegend frei für das Licht des Mondes. Der Weg wurde breiter und weniger steinig und die Vegetation reichhaltiger. Das Wasser fiel nicht mehr vom Himmel; es sah aus, als ob es aus der Erde gepresst würde. Hier und da tauchten wieder kleine Gruppen von Rindern auf, doch dauerte es noch eine ganze Weile, bis die Umrisse erster Hütten sichtbar wurden.

      Das Tal öffnete sich, wurde flacher, und sie folgten einem Fluss, der sich nach und nach aus unzähligen Rinnsalen gebildet hatte. Cremor und sein Freund waren müde und nass, ihnen war kalt und sie hatten schon lange nichts mehr gegessen.

      „Wie lange dauert es noch bis zum Schloss?“, fragte Humph.

      „Es wird eine lange Nacht für euch. MacAreagh will euch nach der Ankunft sofort sehen. In einer Stunde sind wir da.“

      3

      Ronald MacAreagh hatte seine Chieftains, wovon die meisten auch Landeigner waren, und ihre Offiziere mit Eilboten zu einem außerordentlichen Treffen befohlen. Alle wussten, dass es da keine Entschuldigungen duldete, gar keine, nicht einmal Krankheit. Es dauerte bis zum späteren Nachmittag, bis alle eingetroffen waren.

      MacAreagh empfing sie im großen Saal des Schlosses Blackhill. Der Tisch, an dem über zwanzig Personen saßen, hätte auch dreimal so vielen Leuten Platz geboten. Von den zahlreichen engen Fenstern an der Seitenwand gelangte gerade noch genügend Licht in den Raum. In der Rückwand lag das wuchtige Eingangstor aus Holz, flankiert von zwei mannshohen