Blutspuren im Teufelsmoor. Barni Newman. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barni Newman
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737524520
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aus.

      1.3 Kolkhagen

       Der Bürgermeister der Gemeinde Barnstedt (Landkreis Lüneburg) kann seinen Augen kaum glauben. Schon oft hat er angefressene Tierkadaver am Straßenrand gesehen. Doch dieser Fund bei dem kleinen Dorf Kolkhagen ist anders.

       “Da war nichts mehr dran an dem Wildschwein, alles akribisch abgenagt”.

       Anwohner haben sofort den Wolf in Verdacht. Denn immer wieder wurde das Raubtier nahe der Gemeinde gesichtet. Beunruhigend ist dieser Vorfall besonders deswegen, das der Schauplatz sich nur 350 Meter von dem Ort Kolkhagen entfernt befindet. Immer häufiger werden Wölfe auch in bebauten Gegenden gesichtet.

       “Der Wolf hat keine Angst vor Siedlungen” bestätigt ein Wolfsberater. “Es geht ihm nur um seine Kinderaufzucht und um die Suche nach Futter”.

       Der Wolf hat keine natürlichen Feinde, steht unter Naturschutz und hat somit hierzulande keine Dezimierung zu befürchten.

       Und sie kommen immer näher ...

      1.4 Celle

       Ein Waldstück in der Nähe von Celle. In der Abenddämmerung bezieht ein Jäger auf seinem Hochstand Stellung. Der fast volle Mond steigt auf, aber es ist kaum was los, nur ein paar Hasen. Nach ca. zwei Stunden entdeckt er ein Reh das am Waldrand äst. Er hat eine Abschussfreigabe für mehrere Stück Rehwild. Nach wenigen Minuten hat der Jäger freie Sicht. Er blickt zum Mond, der in Kürze hinter den Wolken verschwinden wird. Er richtet sein Gewehr aus, schießt und trifft.

       Kurze Zeit später schließt er die Fenster vom Hochstand und steigt mit dem entladenen Gewehr auf dem Rücken herab. Auf dem Weg zum Reh bricht er traditionell einen Zweigspitze von einer Tanne ab. Als der Jäger das Reh inspizieren möchte, bemerkt er etwas hinter sich. Er dreht sich um, wenige Meter entfernt steht ein Wolf im Schein seiner Taschenlampe. Auch er hat es auf das Reh abgesehen. Der Wolf zeigt keine Furcht. Der Jäger geht auf Nummer sicher, verlässt rückwärts den Ort, und überlässt das Reh dem Wolf. Er geht noch 30 Meter rückwärts und leuchtet hinter sich auf den Boden. Dann dreht er sich um und geht mit langen bestimmten Schritten zügig zu seinem Auto. Er schließt die Tür hinter sich und atmet durch.

       “Was war denn das, so etwas gibt es doch gar nicht”. Er sieht sich im Spiegel selber in die Augen, und bemerkt das sein Gesicht aschfahl scheint obwohl sein Puls auf 180 ist. Er atmet mehrmals tief durch, bevor er beschließt am nächsten Tag zurückzukommen, und die Reste des Rehs zu untersuchen. Er startet das Auto und fährt langsam den Wirtschaftsweg in Richtung Hauptstraße. “Das glaubt mir doch wieder keiner”

      1.5 Vollersode

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       Es ist Nacht, der Mond spendet nur wenig fahles Licht. Der Nebel zieht vom Moorgewässer über die Weiden, das Gras ist nass und kühlt. Aus der Ferne ertönt das tuten eines Zuges, sonst ist es still. Ich laufe, laufe immer weiter durch die Nacht, der Mond weist mir den Weg. So haben es die Alten immer beschrieben, laufe, laufe so lange du kannst. Ich bin schon lange außerhalb der sicheren Zone, habe die Sandhügel hinter mir gelassen und laufe schon die zweite Nacht, ich bin Fähe eine Tochter aus Munster. Ich hatte die Gängeleien der Brüder und Schwestern nicht mehr ertragen, ich musste da weg. Habe nur noch auf den hellen Mond gewartet und seit dem laufe ich, laufe in Richtung des frühen Mondes. Die Alten sagten laufe mindestens drei Nächte ohne Rast, dann suche ein sicheres Dickicht, und beobachte die Umgebung. Entdeckst du die Zeichen, laufe weiter denn sonst bist du des Todes. Jage nicht wie du es gelernt hast, dafür ist keine Zeit, friss was du findest, es ist genug für alle da.

       Der Morgen dämmert, ich laufe, eine Lichtung, ich rieche sie, ich habe Hunger. Das hohe Gras am Waldrand gibt mir Deckung, ich rieche sie, ein Reh gebar ein Kitz. Der Geruch leitet mich direkt ins Ziel, es ist genug für alle da. Die Mutter flüchtet, das Kitz schreit, es ist zu spät. Ein Biss und es verstummt. Ich fresse das warme Fleisch so schnell ich kann. Im Rudel fraß man nie allein, man musste seinen Anteil verteidigen. Es lehrte uns die Umsicht und so sehe ich auch jetzt was mich umgibt. Ich stehe auf einer Lichtung im hohen Gras, man kann nur ein paar Meter weit sehen, die Reh-Mutter läuft noch immer in Richtung Moor. Ich bin Fähe, die Tochter von Munster auf dem Weg in die Freiheit. Noch einen Bissen und ich laufe in den nahen Wald.

       Hier gibt es wieder Hügel, Tannen und Sand wie dort wo ich aufgewachsen bin. Dort gab es Sand, viel Sand und im Sommer ein Blütenmeer. Ich durchquerte die flache moorige Ebene in zwei Nächten, und hier auf der anderen Seite will ich schlafen, verborgen im trockenen Sand unter Tannen und Brombeerdornen, und morgen Nacht werde ich die Gegend erkunden.

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       Ein großes Gehöft bei Vollersode, Landwirtschaft wird schon lange nicht mehr betrieben. Drinnen brennen Kerzen, ein Fernseher läuft, Nachrichten aus der Region. Ein ortsansässiger Jäger beobachtete einen Wolf. Ein gerissenes Rehkitz wurde gefunden. Die DNA Analyse des Speichels bewies das es sich wirklich um einen Wolf handelt, eine Wölfin aus Munster. Die Nachkommen des Rudels seien auf der Suche nach neuen Revieren berichtet stolz die Wolfsbeauftragte Britta Habbe mit einem strahlenden Gesicht, eine junge Frau Anfang Dreißig. Das Tier stelle keine große Gefahr da, denn es werde sich normalerweise Häusern nicht nähern.

       “Nicht nähern!” Reini spring auf, sieht Ute an, “definiere mal Nähe!”. Er geht in den Keller, kramt im Stahlschrank, 50, 100, 150. Zurück im Wohnzimmer “Ich fahre morgen zur Genossenschaft, habe nur noch Patronen für 150 Schuss”. Dann schweigen.

       Beide wissen das Rehkitz wurde keine 200 Meter von ihrem Gehöft entfernt gefunden. Reini klingen plötzlich die Worte seines Opas wieder in den Ohren.

       Er lebte in einer Zeit da es hier noch Wölfe gab. Reini hasste seinen Vater für den er nie gut genug war, aber seinen Opa hatte er vergöttert. Wenn der nicht vom Krieg erzählte, dann von dem Kampf gegen die Wölfe. Es gab eine Zeit da durfte man des Nachts nicht alleine von einem Dorfe ins andere laufen, man hätte es nicht überlebt. Damals gab es keine Autos, und nur die Reichen hatten eine Kutsche. Aber auch die war nicht so sicher denn Pferde waren auch Beutetiere. Damals wurde eben viel gelaufen, und hier in der Gegend gab es ein großes Moor. Sein Opa erzählte auch von aus Eisen geschmiedeten Wolfsangeln die zum Fangen von Wölfen verwendet wurden. Die mit Widerhaken versehenen Enden wurden mit Ködern, zum Beispiel mit den Eingeweiden erlegter Jagdtiere, bestückt und an einem Baum so hoch aufgehängt, dass der Wolf danach springen musste, um zuschnappen zu können. Der Wolf blieb mit dem Maul hängen und verendete. Die verschiedenen Formen der Haken zieren bis heute noch so manches Stadt-Wappen.

       Reini und Ute haben drei Kinder. Das Haus im Grünen war schon immer ihr Traum, und jetzt das. Paff – wie eine Seifenblase, auf der Wiese spielende Enkelkinder – paff. Wenn ihre Töchter davon erfahren, ist es aus mit dem Traum, das ist ja wohl klar.

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       Die Nächte sind noch kalt, doch die Sonne am Tag gewinnt an Kraft. Am Tage muss ich schlafen, bleibe im verborgenen, doch des Nachts gehe ich auf die Jagt. Ich träume von Kämpfen im Rudel, und meine Muskeln zucken im Schlaf. Die Brüder gaben nie Ruhe, für sie war es nur ein Spiel. Ich bin die Erstgeborene, habe für sie gesorgt, sie mit aufgezogen, doch gedankt haben sie es mir nie. Nun bin ich auf der Flucht, allein auf mich gestellt.

       Da! ein Kauz – er holt mich aus dem Traum zurück. Es ist schon Dämmerung, ich drehe mich im Sand, muss ihn loswerden den Kitzgeruch. Spähe aus der Deckung am Waldrand in die Ebene, horche, horche. Die Zeichen, was sind die Zeichen? Kann ich bleiben oder muss ich weiter. Das Gelände ist ideal, die dichten Wälder bieten mir Schutz, und Hirsche und Rehe sind zahlreich vorhanden, es ist genug für alle da.

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