Von Gnomen und Menschen. Gisela Schaefer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gisela Schaefer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738027549
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nein, nicht jedes Jahr, Menschen ändern sich nicht so schnell, das braucht Generationen. Und da sie ziemlich kurzlebig sind, anders als wir … na ja, ich schätze mal, dass es genügt, wenn wir, ich meine unsere Urenkel, in 100 Jahren wieder vorbeischauen … oder anders ausgedrückt, jeder Weise Mann sollte sich einmal während seiner Amtszeit ein Bild über die Lage machen. Es sei denn, Nidi, Durin und ich kommen gleich beim ersten Besuch mit guten Nachrichten zurück.“

      „In 100 Jahren!“ Buba lachte laut auf, „ Da müssen eure Urenkel dann mit meinen Urururenkeln fliegen. Wie alt bist du jetzt, Bombur … wenn ich fragen darf.“

      „115,“ antwortete er stolz, „mein Urenkel ist 15 und in 85 Jahren wird er mich ablösen.“

      „Donnerwetter, das nenne ich ein langes Leben! Bombur, ich mach dir einen, nein zwei Vorschläge: Es ist Herbst, was hältst du vom 1. September nächsten Jahres als Abflugtag … und zurück Anfang Oktober?“

      „Das wär perfekt. Dann ist es auch nicht mehr ganz so heiß.“

      „Der zweite Vorschlag wäre, dass wir beide einen kleinen Probeflug machen.“

      „Äh … ja, sicher … wann dachtest du …?“

      „Jetzt!“

      „Was,“ stieß Bombur erschrocken hervor.

      „Ich nehme doch an, dass du noch nie in deinem Leben geflogen bist, oder?“

      „Nein … aber ich habe schon mal auf einem hohen Berg gestanden …“

      „Aha, und du meinst, das wär ähnlich wie Fliegen?“

      „Es war starker Wind.“

      Buba schüttelte den Kopf und kauerte sich nieder: „Kletter auf meinen Rücken, aber vorsichtig bitte, dass du mir ja keine Feder brichst, sonst kannst du nämlich alles vergessen.“

      Bombur fühlte seine Knie weich werden und fast bedauerte er seinen ihm nun aberwitzig erscheinenden Einfall. Auf der anderen Seite konnte er unmöglich einen Rückzieher machen, die Blamage wäre nicht wieder gutzumachen gewesen, früher oder später hätte es sich herumgesprochen, sein Ruf stand auf dem Spiel. Also gab er sich einen Ruck und begann den Aufstieg, wobei ihm des Öfteren eine Feder durch die Finger rutschte und er selber hinterher, so dass er wieder von vorne beginnen musste. Verstohlen schaute er sich um, aber es war niemand in der Nähe, der seine klägliche Vorstellung hätte beobachten können. Als er es endlich geschafft hatte, bis kurz hinter ihre Ohren mit den kess abstehenden Haarbüscheln zu krabbeln, schrie er: „Was jetzt?“

      „Festhalten, was sonst,“ schrie Buba zurück und breitete ihre Schwingen aus.

      „Ich werde ohnmächtig,“ dachte Bombur und krampfte sich ins Gefieder.

      „Werd‘ mir ja nicht ohnmächtig,“ warnte Buba, „wenn du runterfällst, bist du hin!“

      Als Antwort krampfte sich Bombur noch fester.

      Buba nahm Anlauf, ruderte heftig mit den Schwingen, Bombur atmete tief durch um die aufsteigende Panik zu bekämpfen – dann waren sie in der Luft. Noch ein paar Flügelschläge und Buba wechselte in einen Gleitflug. Bomburs Zähne klapperten unkontrollierbar und als er einen kurzen Blick nach unten warf und die Baumwipfel unter sich fand, schrie er kurz auf. Beim zweiten Blick wagte er schon, nach allen Seiten zu schauen, in die weißen Wolken und den blauen Himmel, über den unüberschaubar großen, grünen Wald - konnte es sein, dass die Fliegerei auch ihre schönen Seiten hatte? Buba ließ sich niedersinken, glitt sanft um die Bäume herum und setzte sicher auf dem Waldboden auf.

      „Na, wie war’s,“ fragte sie vergnügt.

      Für nichts in der Welt hätte Bombur zugegeben, dass er mit seinem Mageninhalt gekämpft hatte darum, dass er dort blieb wo er war. Ein wenig bleich und zittrig stieg er von ihrem Rücken und antwortete so leichthin wie möglich: „Oh, genauso habe ich es mir vorgestellt, wunderbar, wirklich … wunderbar.“

      Buba sah ihn von der Seite an und grinste. „Dann sind wir uns ja einig, oder?“

      „Vollkommen, und Buba … danke!“

      „Oh, freu dich nicht zu früh, was ihr vorhabt, ist gefährlich.“

      „Ich weiß.“

      Die drei Weisen Männer hatten zwar schon des Öfteren über einen Erkundungsausflug zu den Menschen gesprochen, waren jedoch jedes Mal steckengeblieben, wenn sie über die

      Möglichkeiten zur Überwindung der Entfernung sprachen. Als Nidi und Durin nun erfuhren, dass sie fliegen sollten, waren sie ziemlich überrascht. Um genau zu sein, sie bekamen reichlich Bauchschmerzen bei der Vorstellung, ließen sich aber nichts anmerken. Schließlich sahen sie ein, dass es wohl keinen anderen Weg gab, und außerdem beschrieb ihnen Bombur das Fliegen als das Herrlichste, was er je erlebt habe in seinem Leben, erhebend, grandios, reine Glücksgefühle hervorrufend – und was ihm sonst alles an Lügen und Übertreibungen einfiel. Nidi und Durin sahen sich verstohlen an und schämten sich ihrer feigen Anwandlungen. Nachdem nun dieser Punkt geklärt war, begannen sie mit der eigentlichen Organisation, wobei immer mehr Fragen und Probleme auftauchten, je länger sie berieten. Zum Beispiel: Wer sollte in ihrer Abwesenheit die Verantwortung zuhause übernehmen, wer die Aufsicht darüber, dass niemand ihre außerhalb der Siedlung gelegenen Hütten mit Kräutersammlungen, Geheimrezepten und Pergamentrollen voller Beschwörungs- und Zauberformeln betrat? Schließlich wollten sie nicht ihre Autorität als Weise Männer gefährden durch ein allgemein verbreitetes Wissen über ihre Kunststückchen. Des Weiteren bestimmten sie Personen aus ihrer Sippe, die für die Gesundheit zuständig waren, für die Kindererziehung, für die Beziehungen zu den anderen Bewohnern des Waldes, für die Überwachung der immer im Herbst beginnenden Vorratsspeicherung von Nüssen, Wurzeln, getrockneten Beeren und vieles mehr.

      Von größter Wichtigkeit war die Frage, was geschehen sollte, falls einem von ihnen unter diesen besonderen Bedingungen etwas zustoßen sollte. Zwar hatten sie zu dieser Zeit schon Urenkel, aber die waren weit davon entfernt, ein Amt übernehmen zu können. Da indes die Wahrscheinlichkeit sehr gering war, dass alle drei zugleich ein Unglück treffen würde, kamen sie zu folgender Lösung: Die Überlebenden sollten die Aufgaben des Pechvogels solange übernehmen, bis der rechtmäßige Nachfolger das erforderliche Alter erreicht hat. Im schlimmsten Falle, bei nur einem Rückkehrer, müsste dieser drei Sippen führen und mit seinem Ableben warten, bis auch der letzte der zur Nachfolge bestimmten Urenkel seine 100 Jahre voll hätte.

      Als die organisatorischen Angelegenheiten endlich zufriedenstellend erledigt waren, ersannen sie eine genaue Strategie zur Erreichung ihres Zieles, das bekanntermaßen darin bestand, herauszufinden, ob man den Menschen bzw. welchen Menschen man vertrauen konnte oder nicht – das musste man wissen, wenn man mehr als 10mal kleiner war als sie. Nachdem alle Fragen für eine solche Urteilsfindung aufgelistet worden waren, beschlossen sie, getrennt voneinander in die Familien und Häuser zu gehen, um soviel wie möglich von dem zu hören und zu sehen, was dort vor sich ging – danach sollten dann ihre gesammelten Erfahrungen ausgetauscht werden. Ob die Menschen planten, den Wald abzuholzen, würde dabei ganz nebenbei offenbar.

      Bomburs, Nidis und Durins Reise

      Unter all diesen gründlichen Vorbereitungen verging das Jahr wie im Fluge. Der Abend der Abreise kam. Buba holte Bombur ab, ihr Sohn Nori ließ zur gleichen Zeit Durin auf seinem Rücken Platz nehmen und ihre Tochter Billa Nidi. Da tauchten überraschend für alle Beteiligten Zimbel und Trudi, die beiden anderen Kinder Bubas auf und erklärten, dass man nie wissen könne, ob Ersatzflie ger notwendig würden, oder Gepäckträger. Die Wahrheit war, dass die beiden auf keinen Fall die Dummen sein wollten, denen dieses aufregende Abenteuer versagt bliebe.

      „Welches Gepäck,“ dachte denn auch Bombur sofort, der, genau wie seine Kollegen, einen Kittel zum Wechseln in einem Rucksack auf dem Rücken trug nebst einem kleinen Vorrat an in Blätter gewickelte Pülverchen gegen Magenverstimmung und andere Unpässlichkeiten – nicht ahnend, als wie weise sich die kleinen Notlügen