Tempus Z. Jo Caminos. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jo Caminos
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092905
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zu amüsieren.

      »Verstehen Sie es nicht, General?«, fuhr er fort. »Wenn ich die Symptome verstärken kann, dann kann ich sie auch abschwächen. Das ist der Denkansatz dahinter. Vielleicht gelingt es uns, eine Riesenarmee aufzustellen, die nichts kostet. Der oberste Oligarch hat da einige hervorragende Ideen. Der Faschismus in Deutschland ist letztendlich daran gescheitert, dass Hitler die Jungs weggestorben sind - und die Nazizuchtstuten konnten nicht oft genug werfen. Wir werden dieses Problem nicht haben. Wir haben eine Welt voller potenzieller Soldaten.«

      Dimitrov schluckte. Dass der russische Oligarch, der sich selbst Präsident nannte, einen Hang zum Höheren hatte, stand außer Frage. Doch das hier nahm ganz andere Dimensionen an. »Und wie wollen Sie wissen, ob dieses Medikament funktioniert?«

      Timjonow neigte ironisch den Kopf. »Unsere amerikanischen Freunde werden uns doch bestimmt informieren - über Satellit oder so, falls mit dem Flugzeug was passiert. Wir werden das natürlich sehr bedauern. Aber aus dem, was die Amerikaner berichten werden, kann ich wertvolle Informationen für die weitere Forschung ziehen. So oder so - es spielt keine Rolle. Die Carruthers und die beiden Agenten sind nur ein kleines Rädchen in meinem Plan. Und noch nicht einmal ein Besonderes. Was wir brauchen, ist Zeit. Ich habe meine Gegner niemals unterschätzt. Auch nicht die Intelligenz meiner amerikanischen Kollegen. Sie sind klug und fähig, auch wenn ich sie nicht ausstehen kann. Aber sie spielen zu sehr nach den alten Regeln. Klammern sich an eine Welt, die längst vergangen ist.«

      Timjonow schenkte Dimitrov einen langen Blick.

      »Und wann denken Sie, wird das Medikament seine Wirkung zeigen?«, fragte Dimitrov nach einer Weile.

      Timjonow zuckte mit den Achseln. »Sehen Sie, ich mag genial sein, aber so genial auch wieder nicht. Leider kann ich nicht hellsehen. Im Idealfall wird Carruthers erst aktiviert, wenn der Jet die USA erreicht hat. Vielleicht dreht sie aber auch schon früher durch. Mir ist es gleich. Diese Menschen interessieren mich nicht. Und jedes Ergebnis, egal, wie es ausfällt, ist ein wissenschaftlicher Gewinn - neue Erkenntnis. Erfahren wir, dass es an Bord der Jet zu einem Zwischenfall gekommen ist, habe ich das Medikament zu scharf eingestellt. Also werde ich an einer Verfeinerung der Testreihe arbeiten. Sollte Carruthers jedoch erst aktiviert werden, wenn sie die USA erreicht hat, weiß ich, dass das Medikament grundsätzlich funktioniert. Natürlich sollte man nicht zu viel erwarten. Ich gehe davon aus, dass sich die gute Frau irgendwann wie ein hirnloser Zombie verhalten wird. Sie wird toben, ein bisschen schäumen, ziemlich giftig werden - na ja, zumindest so lange, bis man ihr das Hirn ausbläst.« Timjonow grinste. »Ach, mein guter General. Vertrauen Sie mir. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wozu hätten wir uns die Hände an diesem Agentenpaar schmutzig machen sollen? Und im Fall Carruthers wird uns niemand etwas nachweisen können. So etwas kann immer mal passieren - in diesen Zeiten.« Timjonow wirkte übergangslos ernst. »Entschuldigen Sie mich, General, ich muss zurück an meine Arbeit.« Er ließ Dimitrov einfach stehen und machte sich auf den Weg in sein Privatlabor.

      Dimitrov blieb nachdenklich an der Spiegelwand stehen. Ihm waren die Hände gebunden. Sollte er die USA unterrichten, dass man Carruthers irgendein Medikament injiziert hatte? Noch im gleichen Augenblick verwarf er den Gedanken. Er war nur ein kleines Rädchen in einem unglaublich großen Uhrwerk. Er musste funktionieren. Nicht nur für sich, sondern für seine Familie. Du bist ein Feigling, sagte er sich und korrigierte sich zugleich. Ich bin nur ein Soldat in einer zu wichtigen Position, der den Fehler gemacht hat, sich eine Familie zuzulegen. Er ekelte sich vor sich selbst, und fast wünschte er, die USA würden eine Interkontinentalrakete nach Kasachstan schicken. Er hätte schwören können, dass man mittlerweile wusste, wo sich der verborgene Forschungsstützpunkt befand. Aber das würde nicht geschehen. Und Timjonow? Woran forschte er wirklich? Dimitrov hatte ärgste Zweifel, dass es um ein Medikament ging, das die Zombieseuche bekämpfen könnte. Vielmehr befürchtete er, dass es darum ging, die Untoten als Waffe zu missbrauchen. Die Armee der Untoten, die den Aufstieg der neuen Sowjetunion besiegeln würde.

      Dimitrov kehrte in sein Büro zurück und goss sich einen doppelten Wodka ein. Das Böse spielt nur auf Zeit, sagte er sich und hoffte insgeheim, dass Timjonow scheitern würde.

       USA

       Lake Winnepesaukee / New Hampshire

      »Wenn den Kleinen was passiert, bist du tot«, sagte Candy. Sie sah Huntington fest in die Augen. Er hielt ihrem Blick stand und hob beschwichtigend die Hände.

      »Beim ersten Schuss kehren wir um«, sagte er mit fester Stimme. Janet und Leo standen neben ihm und sahen ihre Mutter an. Für ihr Alter wirkten sie sehr abgeklärt und ruhig. Vielleicht zu ruhig.

      Joshua und Mary-Ann warfen sich einen schnellen Blick zu. Candys Aussage war keine leere Drohung gewesen. Sollten die beiden Kleinen auch nur den kleinsten Kratzer abgekommen, kämen auf Huntington schwere Zeiten zu. Joshua und Mary-Ann traten mit Candy ans Boot. Leo und Janet hatten bereits Platz genommen, während Edward Huntington noch etwas mit dem Gleichgewicht kämpfte. Er lächelte verlegen, als er fast die Balance verlor und Joshua ihn auffangen musste. Dann endlich saß auch der schlaksige Psychiater im Boot. Huntington würde darauf verzichten, den Außenbordmotor zu verwenden. Es schien zwar so, dass sich keiner der Fremden am Ufer aufhielt, doch man wollte keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Huntington würde bis zur Nachbarinsel rudern.

      Langsam entfernte sich das Boot, dem Candy, Mary-Ann und Joshua schweigend hinterher sahen. Joshua spähte mit dem Feldstecher zur Nachbarinsel, wo sich, versteckt hinter einigen hohen Tannen, eine Nobelblockhütte verbarg. Mary-Ann hatte in der Vergangenheit, als die Welt noch in Ordnung war, einmal dorthin übergesetzt und sich umgesehen. Das Domizil war noch größer als ihr eigenes. Noch regte sich dort nichts und niemand.

      Die Kinder blickten in Fahrtrichtung. Janet hielt eine weiße Fahne, die im Wind flatterte, Leo balancierte einen großen Karton auf den Knien, auf dem in großen Lettern Reden, Frieden, Freund geschrieben stand. Huntington stöhnte. Er absolvierte mittlerweile zwar regelmäßig ein Fitnessprogramm, doch rudern gehörte nicht zu seinen bevorzugten Übungen. Die Schultern taten ihm weh, doch er ignorierte den Schmerz. Etwas half ihm das ganze Adrenalin, das durch seinen Körper strömte. Er war nervös, obwohl er es nicht zeigte. Das Ufer war noch geschätzte fünfzig Meter entfernt, als ein Mann aus dem Gebüsch trat. Kurz darauf erschien an seiner Seite ein Kind.

      Huntington keuchte. Insgeheim erwartete er einen Schuss vor den Bug. Damit wäre die Aktion zu Ende. Er hatte Candy versprochen, in diesem Fall sofort umzukehren. Janet und Leo begannen zu winken. Janet schwenkte die weiße Fahne und Leo hielt den Karton mit der Nachricht in die Höhe.

      »Passt auf, dass ihr nicht ins Wasser fallt!«, presste Huntington zwischen den Lippen hervor. Sein Atem ging rasselnd. Jeder einzelne Knochen schien ihm wehzutun.

      Der Mann und das Kind am Ufer warteten ab. Huntington registrierte befriedigt, dass der Mann die Waffe gesenkt hielt. Das Kind, es war ein Junge, wie jetzt zu erkennen war, winkte zum Boot und schwenkte dann die Arme. Offensichtlich freute er sich, auf andere Kinder zu stoßen.

      Janet schwenkte begeistert die Fahne und wäre fast ins Wasser gefallen, wenn Leo sie nicht im letzten Moment festgehalten hätte.

      Huntington spürte, wie ihm die Kräfte schwanden. Seine Muskeln brannten wie Feuer, jeder Atemzug tat weh. Endlich hatten sie das Ufer erreicht.

      »Bleibt noch im Boot«, keuchte Huntington, als Janet und Leo ins seichte Wasser springen wollten.

      Der Mann und der Junge kamen auf sie zu.

      Huntington lächelte und sah dem Mann ins Gesicht. Durchtrainiert, wachsamer Blick, aber keine Feindseligkeit ... Er registrierte das Misstrauen in den Augen seines Gegenübers, dann jedoch reichte der Mann Huntington die Hand und half ihm, aus dem Boot zu steigen. Das war für Janet und Leo das Signal, zu dem Jungen zu laufen. Er hatte in einigem Abstand gewartet, offensichtlich auf Anweisung seines Vaters. Die drei Kinder kamen schnell ins Gespräch. Sie schienen sich zu mögen.

      Huntington krümmte sich und beugte sich