„Ein Schriftsteller aus der Eifel.“
Von Sanden verdrehte die Augen.
„Wie bitte? Ein Journalist und dann auch noch aus der Eifel? Genau aus jener Gegend, wo man nichts aber auch gar nicht geheim halten kann?“
Baumann zuckte mit den Schultern, ließ sich jedoch nicht beirren.
„Ich denke, dass Guerrero der richtige Mann für uns ist. Er hat lange Zeit in Peru gelebt und kennt Land und Leute wie aus dem FF. Selbstverständlich spricht er die Landessprache und nicht nur das! Er versteht sich sogar in Quetschua, der alten Inkasprache, denn genau die sind im Übrigen sein Steckenpferd.“
Staatssekretär Von Sanden blickte ihn ziemlich ratlos an.
„Naja mein Freund, das ist ja alles gut und schön, aber was wir brauchen, ist ein Ermittler, einen richtigen Spürhund, sozusagen!“
„Eben, Claudio Guerrero! Das sagte ich doch bereits. Er hat sogar für peruanische Institutionen gearbeitet. Und warum soll ein Reisejournalist nicht auch ermitteln können? Das widerspricht sich doch keinesfalls.“
„Und im Moment macht er was?“
„Er sitzt in der Eifel und schreibt für irgend so ein Heimatblatt. Als ich ihn das letzte Mal traf, sah er nicht gerade glücklich aus. Vielleicht ist es genau so eine anspruchsvolle Aufgabe, die ihn wieder in die richtige Spur bringt.“
„Na dann sehen wir uns den Wunderknappen doch einfach einmal an“, schlug Von Sanden vor. Peter Baumann musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle laut loszubrüllen. Claudio Guerrero war alles, bloß kein Wunderknabe.
Kapitel 3
Sie trafen ihn im Onkel Nestor, einer urgemütlichen Eifel-Gaststätte, die es schon seit vielen Generationen gab. Baumann wusste, dass Claudio fast jede freie Minute in diesem Lokal verbrachte. Ursprünglich einmal hatte das Gebäude unter Denkmalschutz gestanden, allerdings war das Lokal seit seiner Entstehung durch unzählige Umbau- und Restaurationsarbeiten stetig verändert worden. Sein momentaner Besitzer war ein Kunstsammler aus dem Ruhrgebiet mit dem Namen Elias. Er hatte die Gaststätte kurzerhand in eine Art Galerie verwandelt. Überall standen antike Möbelstücke und Sitzgelegenheiten verschiedenster
Epochen herum und an den Wänden hingen antike Ölgemälde, Masken und Fotografien. Das einzige was heute noch unter den Denkmalschutz fiel, war die eigentümliche Kundschaft, die aus ausnahmslos aus wahrhaftigen Eifelanern bestand.
Claudio Guerrero saß auf einem zierlichen Luis XIV Stuhl hinter einem kleinen runden Ecktisch und trank einheimischen Rotwein. Elias stand hinter dem geräumigen Tresen und zapfte Bier. Auf einmal deutete er auf die Eingangstür, der sich gerade zwei vornehm gekleidete Herren näherten. Sie betraten den Schankraum und grüßten freundlich, aber niemand außer dem Wirt grüßte zurück. Die Einheimischen starrten die Neuankömmlinge an. Deren Kleidung war teuer, um nicht zu sagen luxuriös. Allein ihre Schuhe durften mehr gekostet haben, als all das, was die meisten Besucher am Leibe trugen. Und sie waren auf Hochglanz poliert, die Bügelfalten ihrer Hosen messerscharf, die dazu passenden Jacken aus hochwertigem Material und natürlich gänzlich ohne jedes Stäubchen. Gewohnt selbstsicher passierten sie die alte rote Telefonkabine aus England, die Elias zu Dekorationszwecken seitlich der Eingangstür aufgestellt hatte und näherte sich dem kleinen Ecktisch.
„Hallo Claudio.“, grüßte Peter Baumann freundlich und nahm auf einem der freien Stühle Platz. „Man hat uns gesagt, dass wir dich hier finden würden. Wenn ich kurz vorstellen darf: Das hier ist mein Kollege Bertram.“
„Angenehm!“
„Klaus und das hier ist Herr Guerrero, wie er leibt und lebt.“
Er lachte über seinen müden Scherz und sah zu, wie sein Kollege Claudio eine Hand entgegenstreckte. Klaus Bertram war etwa Anfang fünfzig und hatte volles, dunkles Haar. Nur sein Gesicht wurde von einer meißelartigen Nase dominiert, die man bei jeder anderen Person als charakteristisch bezeichnet hätte, bei Bertram aber einfach nur außergewöhnlich dick wirkte. Er besaß ein weiches Kinn und abgerundete Wangen, welche ihm wiederum eine offene und freundliche Ausstrahlung verliehen, jedoch als Claudio ihm die Hand schüttelte, bemerkte er die harten Augen hinter dessen ganz in Gold gefasster Sonnenbrille. Zugleich richtete sich sein Blick auf die ausgefallene Seidenkrawatte, die Baumanns Kollege trug. Sie war mit einer goldenen Spange versehen, die zusätzlich von einem großen Edelstein geziert wurde. Claudio war sich sicher, dass er echt war.
„Nun sagt schon, was treibt ausgerechnet euch hierher in die Eifel?“
„Staatssekretär Von Sanden möchte dich kennenlernen.“
Man sah Claudio nicht an, ob diese Aussage ihn sonderlich beeindruckte.
„Trinkt ihr Bier, oder lieber so wie ich einen Roten?“ fragte er ohne darauf einzugehen.
„Wir sollen dich jetzt gleich mitnehmen!“
„Mitnehmen, wohin?“
„Nach Bonn!“
Wie von Geisterhand herangeschafft, standen plötzlich zwei Eifelpils auf dem Tischchen. Elias zwinkerte mit den Augen und Claudio grinste vor sich hin. „Prost meine Herren. Na dann plaudert doch mal ein bisschen aus dem Nähkästchen.“
„Hör zu Claudio. Wir haben nicht die Zeit um dir große Geschichten zu erzählen. Trink deinen Wein aus und dann komm mit.“
„Und was ist mit eurem Bier? Wäre doch wirklich schade drum.“
Automatisch setzte Baumann die Lippen an sein Bierglas und nahm einen kräftigen Schluck. Danach blickte er Claudio an und versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu behalten.
„Mensch Claudio, Staatssekretär Von Sanden will dich kennenlernen. Möglicherweise hat er einen Job für dich.“
Claudio rülpste und Peter Baumann wich zurück.
„Was denn für einen Job?“
„Das möchte er dir selber sagen. Trink aus und komm mit!“
„Und wenn ich nicht will?“
„Claudio, du spinnst! Das hier ist vielleicht die Chance deines Lebens. Also mach schon, oder willst du ewig so weitermachen und langweilige Artikel für Heimatblätter in der Eifel schreiben?“
„Sagt eurem Boss einen schönen Gruß von mir und dass ich morgen früh um acht Uhr bei ihm auf der Matte stehe. Und jetzt gehe ich nach Hause.“
Damit stand er auf und ging. Peter Baumann starrte wie gelähmt auf sein halbvolles Bierglas. Er zweifelte keine Sekunde an Claudios Seriösität, auch wenn er sein Handeln umso weniger verstand. Draußen war es mittlerweile dunkel geworden. Elias zündete Kerzen und Räucherstäbchen an. Ein Gitarrenduo spielte auf einer kleinen Bühne sanfte Jazzklänge und die beiden Beamten spürten die Wirkung des langen Tages. Es war Zeit, den Rückweg nach Bonn anzutreten.
Claudio schloss die Tür auf und betrat seinen Hausflur. Luna, die kleine Mischlingshündin, die er von seiner Ex-Freundin Edith übernommen hatte, legte den Kopf schief und kam auf ihn zugerannt.
„Na, du kleine Nervensäge. Kontrollierst du neuerdings schon, wann ich nach Hause komme?“
Luna drehte elegant den Kopf auf die andere Seite und blinzelte ihn an. Fast schien es so, als wollte sie sagen: Wird auch langsam Zeit, dass du kommst. Gib mir endlich etwas zu fressen. Claudio streichelte über ihr weiches Fell.
„Also gut, du