Charlotte Engel
Männersuche
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Inhaltsverzeichnis
1. Kapitel
Stumpf blickte er auf das gegenüberliegende Haus in der Hoffnung, dass dort etwas Aufregendes passieren würde, was uns abhalten könnte, über unsere Probleme in der Partnerschaft zu sprechen.
Unsere Krise nach einer einjährigen Beziehung forderte nun dieses Gespräch, um unausgesprochene Missverständnisse zu klären und dem anderen seine wahren, eventuell schmerzhaften und zugleich schönen Gedanken mitzuteilen.
Wir saßen meistens auf dem Balkon, wenn es darum ging, Probleme zu lösen. Bisher waren es aber immer banale Sorgen, die nur einen von uns beiden betrafen, und der andere mit Rat und Tat zur Seite stand.
In diesem Augenblick, wo ich so neben ihm saß, ihn beobachtete und dabei in meinem Kaffee rührte, fiel mir auf, dass ich jedes Mal diejenige war, die ihm hier auf diesem Balkon stets zuhörte, tröstete, bemitleidete, kritisierte und half. Mir wurde aber auch gleichzeitig klar, dass ich ihm meine eigenen Probleme und Gedanken nicht mitteilte, weil ich das Gefühl hatte, ich würde ihn nur belästigen, meine Sorgen wären lächerlich und er könnte mich für eine Problemfrau halten. So hatte ich es mir in einer gutgehenden Beziehung aber nicht vorgestellt. Ich hätte es schon gern, wenn ich mich bei meinem Liebling auch über ein schwerwiegendes Pickelproblem im Gesicht zur unpassenden Zeit beklagen könnte oder über eine hundsmiserable Frisur nach zwei Stunden Arbeit im Badezimmer, von einem mangelnden Kleiderbestand im Schrank ganz zu schweigen, nur um dann von ihm getröstet zu werden und zu hören, dass ich wunderschön und hinreißend wie immer aussehe. Im Angesicht der Selbstkritik möchte man auch nichts anderes hören.
Nur diesen Mitteilungsdrang von Sorgen hatte ich gleich zu Beginn unserer Beziehung bei Kai nicht gespürt. Ich verdrängte meine Gedanken von vornherein, weil ich ihm gegenüber als starke Persönlichkeit auftreten wollte, die alles lächelnd meistern könnte, cool und selbstbewusst. Das Problem war nur: Ich war es nicht immer, schwächelnde Phasen kann schließlich jeder bekommen.
Eine Viertelstunde war nun vergangen, als Kai mir endlich ins Gesicht blickte. Sein Gesichtsausdruck war nachdenklich und kam mir verletzlich vor. Seine Augen waren zusammengekniffen, und er biss sich auf die Lippen. So kannte ich ihn gar nicht. Mir war sein über alles erhabenes Gesicht, welches nicht zu erschüttern war und in dem man keine Regung in seinen Zügen erkennen konnte, sehr viel vertrauter. Eine Wallung von Mitleid kam in mir auf, ich wollte ihn an mich ziehen, verdrängte diesen Gedanken jedoch schnell wieder, denn es war an der Zeit, dass Kai einen Schritt auf mich zukommen sollte.
Kai war stets cool und selbstbewusst, ein Frauenschwarm eben, charmant mit einer Prise Verwegenheit und schmutzigen Gedanken. Daher für mich ein absolutes Muss, meine Coolness und Selbstsicherheit jeden Tag auf ein Neues herauszulocken. Hauptsache, ich wurde nicht uninteressant für Kai, schließlich hatte er es nicht nötig, sich in einer Beziehung zu langweilen oder zu blockieren.
Ich dachte, dass ich diese mit stetigem Adrenalinkick geprägte Beziehung durchhalten würde. Ich schaffte es nicht. Es war an der Zeit, wo ich einen Liebesbeweis von Kai wollte, ich wollte spüren, wie wichtig ich für ihn war.
Wir schauten uns schweigend an. Nach ein paar Minuten kam Kai zu der Überzeugung, es sei nun der richtige Zeitpunkt für die Mitteilung meiner wahren Gedanken und was ich in unserem Verhältnis verbessern könnte. Oh nein, mein Schatz, wenn jetzt jemand reden sollte, dann du! Nach eindringlicher Aufforderung redete Kai. Besser gesagt, er versprach und war von sich und vielleicht auch von seinen Worten – in dem Augenblick jedenfalls – überzeugt. Ich ebenfalls, denn in dem Moment wollte ich es nicht anders. Er spürte und wusste, was ich von ihm erwartete, einfach mehr Aufmerksamkeit, Respekt und Zärtlichkeit. Ich wollte glauben, dass sich ein Mensch innerhalb von 24 Stunden um 180 Grad drehen könnte, und dass seine Anschauung einer Beziehung plötzlich mit meiner – etwas jedenfalls – übereinstimmte. Wie verstand er mich doch auf einmal, mich mit all meinen kleinen Problemchen, welche er erspürt habe. Ich müsse mir doch nicht mein kleines Köpfchen so zermartern; mir alles so zu Herzen nehmen. Wie recht er doch hat, dieser Verstandesmann, immer der Realität nachjagend. Ich war zufrieden und mit überzeugter Kraft sagte ich mir, ab morgen wird alles anders, alles besser. Voller Tatendrang gab ich mich gönnerhaft und überlegen.
2.