Anhang 6: So entstand die Immobilienblase
Aznars Beitrag zum Immobiliencrash
Betrügereien und Korruption rund um Luxusimmobilien
Anhang 7: Wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt gekillt wurde
Spanien gegen Deutschland Teil 1
Worum wurde eigentlich gestritten – der Pakt enthält doch eindeutige Regeln?
Die Mängelliste des Stabilitätspaktes
Das Spiel der Deutschen mit den Schwächen des SWP
Deutschland bricht sein Versprechen
Spanien gegen Deutschland Teil 2
Gegen wen ist bisher ein solches Verfahren eingeleitet worden?
Größter Schuldner Europas, noch vor Italien
Hatte Kanzler Schröder also doch Recht?
Zur Einstimmung
Die Eurozone gerät in immer kürzeren Zeitabschnitten unter stärkeren Druck. Warum? Weil sich die Europäische Kommission und der Europäische Rat – kurz: die Euro-Elite – immer nur durchwursteln und kein Problem lösen. Dadurch wird die Zahl der Kandidaten für den Rettungsschirm immer länger: Gegenwärtig stehen Griechenland, Zypern, Italien, Portugal und Spanien auf der Liste. Seit Beginn des Jahres rückt auch Frankreich immer häufiger ins Blickfeld. Der Eurozonen-Ballon ist bis zum Bersten aufgepumpt. Wann platzt er? Wenn außer Griechenland noch ein weiteres südeuropäisches Land vor der Pleite steht. Wer könnte das sein? Wer killt den Euro? „Mit Spanien wird sich das Schicksal Europas entscheiden“, schrieb der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman 2008 in einem Artikel der Tageszeitung „El Pais“, der wenige Tage vor dem EU-Gipfel am 28./29. Juni erschien. Für diese Einschätzung gibt es überzeugende Gründe. In diesem Buch werden sie offengelegt.
Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone. Das Land steckt seit fünf Jahren in einer Rezession – die Aussichten: negativ. Es gibt zwei Hauptprobleme: die außerordentlich hohe private Verschuldung als Folge des Immobiliencrashs von 2008 sowie eine Wirtschaftsstruktur, die, wenn man globale Maßstäbe anlegt, meilenweit entfernt ist von jeglicher Wettbewerbsfähigkeit. Haben die Spanier eine Chance, da wieder rauszukommen? Wohl kaum, denn: Über viele Jahre hinweg werden die Wachstumsraten negativ sein oder nur knapp im Plus liegen. Warum? Weil erstens der radikale Sparkurs das Wachstum erstickt (die überaus lange Zeit der Rezession ist ein klarer Beleg) und weil es zweitens keinen überzeugenden Plan zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft gibt. Damit steht fest: Aus eigener Kraft kann Spanien sich nicht von den schweren Lasten befreien. Also unter den Rettungsschirm?
Nein, wollen sie nicht. Regierungschef Rajoy und seine Ministerriege sowie die gesamte spanische Elite wehren sich mit Händen und Füßen. Warum nur? Ganz klar: Sie können nicht zulassen, daß die Troika ständig im Land herumschnüffelt und kontrolliert, ob ihre Auflagen eingehalten werden – letztlich also bestimmt, wo es langgeht und somit die Regierung entmündigt. Nein, das lassen die stolzen Spanier nicht zu. Keine Chance! So wird in der Öffentlichkeit argumentiert. In den Hinterstübchen aber werden noch ganz andere Befürchtungen geäußert. Worum geht es? Nun, die spanische Elite, insbesondere aber die Politiker der großen Parteien PP und PSOE – und jetzt auch noch das Königshaus – sind ins Visier der Staatsanwälte geraten. Sie alle haben sich während vieler Jahre in einem kaum noch zu entwirrenden Korruptionsnetz vernetzt und verstrickt. Was passiert, wenn die Troika ihre Nase dort hineinsteckt – kaum auszudenken!
Die Spanier wollen also eine Rettung nach ihrem Gusto. Kein Rettungsschirm, nur scheinbare Auflagen, keine Kontrollen, aber viele Milliarden. Bisher sieht es ganz danach aus, als kämen sie damit durch. Denn es heißt wie bei den Banken: „Too big to fail.“ Anders gesagt: Läßt man Spanien in die Pleite rauschen, zerbricht das Euro-System. Also, sagen die EU-Regierungschefs – natürlich inoffiziell –, dann pumpen wir eben solange Steuergelder ins Land, bis es gerettet ist. Um welche Summen geht es wohl? Wie immer gehen die Meinungen dazu auseinander, aber man muß nicht lange spekulieren: Es sind so viele Billionen, daß die Rettungsschirme gesprengt würden. Wie will die EU-Elite da wieder rauskommen? Sie, lieber Leser, kennen das schon: Das Spiel heißt „Durchwursteln, um Zeit zu gewinnen“. Und was erreicht sie damit? Gar nichts.
Was wird jetzt gemacht? Ich nenne es: Agenda 2010 auf Spanisch. Das heißt: Löhne und Gehälter kappen, Rentenalter rauf, weniger Moos für Arbeitslose, im Staat und den Kommunen Stellen kürzen, eine effektivere Verwaltung schaffen und privatisieren. Dieses Programm greift in Spanien viel tiefer in soziale und ökonomische Zusammenhänge ein und es stößt auf heftigeren Widerstand als in Deutschland. Wenn Deutschland damit erfolgreich war, schafft das Spanien auch? Unwahrscheinlich. Denn damals gab es keine weltweite Finanzkrise und keine Eurokrise. Mehr noch: Damals gab es keine nervösen Finanzmärkte und keine antieuropäischen Rating-Agenturen. Das gesamte globale Umfeld hat sich verändert und die Bedingungen für eine konjunkturelle Erholung haben sich enorm verschlechtert. Vor allem aber: Das Problem der Deutschen in den 90ern war ein völlig anderes als das der Spanier. In der Kritik stand ein „zu fetter Sozialstaat“ (wurde mit der Agenda 2010 behoben), hinzu kam die enorme wirtschaftliche Belastung durch die deutsche Einheit. Dennoch waren die deutschen Unternehmen weitgehend wettbewerbsfähig, schließlich war das Land damals Exportweltmeister.
„Mit Spanien wird sich das Schicksal Europas entscheiden.“ Warum? Weil die Euroblase platzt, wenn Spanien folgende Bedingungen nicht erfüllt: 1. Ohne Wachstum kann es die Staatsschulden nicht an die Gläubiger zurückzahlen. Wie viel Wachstum ist notwendig? Mindestens 3 Prozent über viele Jahre hinweg, weil sonst die Arbeitslosigkeit zu hoch bleibt und damit Problem 2 nicht gelöst wird – die private Verschuldung. Ohne starken Abbau der privaten Verschuldung geraten die spanischen Banken plus ausländischen Gläubiger in Gefahr. Die Konjunktur muß also anhaltend brummen. Genau dies kann man ausschließen, denn dem Land fehlen auf absehbare Zeit die dafür notwendigen Wachstumstreiber.
Tabelle 1: Wachstumsraten des Bruttoinlandprodukts (BIP) Spaniens von 2001 bis 2010
Jahr | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 |
BIP in % z. Vj. | 3,5 | 2,7 | 3,0 | 3,1 | 3,5 | 3,9 | 3,6 | 0,9 | -3,7 | -0,1 |
Quelle: Germany Trade & Invest 2011
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