Labyrinth
Ein Ziehen ging durch ihren ganzen Körper. Sie fühlte sich, als würde sie sich in Einzelteile auflösen. Es schmerzte, aber es war trotzdem ein schönes und aufregendes Gefühl. Ihre brauen krausen Haare stellten sich kerzengerade auf und dann wieder kraus. Als sie an sich runter schaute, bemerkte sie, wie sich ihre Füsse auflösten. Was war das? Wer stahl ihre Füsse? Cassandra löste sich immer mehr au. Nach den Füssen, die Beine, ihr Becken... Sie versuchte die Körperteile fest zu halten, griff aber jeweils nur ins „Nichts“. Ihr Bauch war auch schon weg… dann wurde sie ohnmächtig und als sie wieder aufwachte, war ihr mulmig in der Magengegend. Vorsichtig berührte sie ihren Körper und schaute nach, ob wieder alle Glieder an Ort und Stelle waren. Schnell zählte sie ihre Finger. Glück gehabt, alle zehn waren wieder an der Hand befestigt. Sie waren nicht mal vertauscht. Bei diesem Gedanken huschte ein Lachen über Cassandras Gesicht. Ihre Füsse und Beine waren auch wieder dort befestigt, wo sie sein sollten. Aber was hatte sie in ihrer Hand? Ach ja, den Zahlenblock.
Schritte im Dunkeln
Was ist passiert und wo bin ich überhaupt? Verwirrt schaute Cassandra um sich. Es war dunkel und muffig. Einen solchen Geruch hatte sie noch nie in ihrer Nase. Es roch nach Kräutern, Erde und verwestem – dachte sie zumindest. Ihre Augen gewöhnten sich nur ganz langsam an die Dunkelheit. Dann endlich konnte sie Umrisse erkennen. Sie ertaste mit ihren Händen etwas grosses, schweres und raues. Sie wollte es aufheben, konnte es aber nicht, weil es zu schwer war. Vielleicht war es ein Sack? Gefüllt war er mit etwas Hartem. Viele kleine, runde Einzelteile waren darin. Cassandras Augen gewöhnten sich langsam an dieses diffuse Licht. Sie schaute sich genauer um. Die Wände des Raumes waren rau, braun und nicht verputzt. Der Raum schien recht gross und quadratisch zu sein und hatte links und rechts je einen Gang, welcher von diesem einen grossen Raum weg ging. Plötzlich hörte Cassandra Schritte! Wer konnte das sein? Die Erwachsenen waren doch in den Menschenblöcken oder in Eden. Ob sie hier in Eden ist? Nein, Eden soll sauber sein. Nicht so muffig. Und die Sonne soll jeden Tag scheinen und es hätte dort viele alte Menschen, überlegte Cassandra. Die Schritte kamen immer näher. Komische, schlurfende Schritte, eine hinkende Gangart. Die Person schien in ihre Richtung zu gehen. Warum zündete sie das Licht nicht richtig an? Cassandra versteckte sich hinter diesem komisch rauen Sack. Die Schritte der Person wurden immer deutlicher. Jetzt wurde es langsam heller. Das Licht flackerte. Vermutlich war es kaputt und sollte wieder einmal geflickt werden. Je näher die Person kam, desto mehr Angst verspürte Cassandra. Was machte sie bloss hier? Sie machte sich Vorwürfe. Wäre sie heute Morgen doch nur in ihrem Zimmer geblieben. Nur noch wenige Schritte und die komisch schlurfende Person ist bei mir und kann mich sehen, dachte Cassandra ängstlich. Noch ein Schritt und….
Timbursalem
…das „Hinkebein“ blieb genau vor dem grossen Ding stehen, hinter welchem sich Cassandra versteckt hielt. Ganz vorsichtig, ohne einen Ton zu machen, bewegte sich Cassandra. Sie wollte den Menschen sehen, welcher ihr so viel Angst bereitete. Insgeheim hoffte sie, dass sie danach ihre Furcht ablegen konnte. Vielleicht war es ja eine ganz lieb aussehende Frau, welche einfach einen komischen Schritt hat. Oder vielleicht war es ein nettes Kind, so wie sie?, sinnierte Cassandra. Sie hielt den Atem an, um ja keinen Mucks von sich zu geben und bewegte den Kopf nach oben und zur Seite. Sie machte einen langen Hals wie eine Giraffe und streckte sogar ihren Oberkörper ein wenig nach oben. Cassandra konnte sich anstrengen wie sie wollte, aber sehen konnte sie die hinkende Person nicht. Dann endlich bewegte sich diese Gestalt wieder, wühlte in etwas herum und schlurfte zum gegenüberliegenden Ausgang und verschwand. Erleichtert liess sich Cassandra nach hinten in einen dieser Säcke fallen. Die ganze Angst und Anspannung fiel in diesen Sack hinein und verschwand. Kaum lag sie aber da und schaute zur Decke, da sah sie sie. Genau über ihr schaute ganz frech eine dicke, grosse, fette, schwarze Spinne auf sie hinunter. Igitt, so etwas Abscheuliches hatte sie noch nie lebendig gesehen. Sie wusste zwar, dass es solche Tier einmal gab, aber gesehen hatte sie sie nur im Triper, diesem Bildschirm mit den Realmakerkapseln in ihrem Zimmer. Jetzt nur keine hastigen Bewegungen. Sonst springt mich dieses Ding noch an, dachte sich Cassandra. Ganz vorsichtig hob Cassandra ihren Oberkörper und schlich sich in eine andere Ecke des Raumes. Diesen Ortswechsel nutzte sie, um sich wieder etwas umzuschauen. Alles sah so ganz anders aus als zu Hause im Schachtelturm. Noch vor ein paar Augenblicken war sie in einem, zwar staubigen,