Der tote Hund in der Dachrinne. Axel Birkmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Axel Birkmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847607939
Скачать книгу
Sie mir!« Ludwig Huber sprang aus dem Bus und öffnete die Schiebetür. Galant bot er Melanie die Hand an um ihr herauszuhelfen. Sie hatte immer noch ihre Pumps und ihren Minirock an. Absolut nicht die richtige Bekleidung für einen Einsatz auf einem windigen Flugplatz, doch sie ließ nicht erkennen, dass sie fror. Sie hatten keine Zeit gehabt, sich umzuziehen. Und eigentlich musste sie die Klamotten seit Sonntagabend anhaben, dachte Alois. Sie waren gleich nach dem Dienst zum Essen gefahren. Und jetzt direkt vom Lindenkeller hierher. Der Wind zerzauste Melanie die Reste ihrer Frisur. Sie hielt sich wacker. Sie stand ihren Mann, dachte Alois, und sah dabei auch noch hübsch und begehrenswert aus.

      »Wo liegt der Tote?«, fasste er sich schnell wieder und schob die Gedenken an den gemeinsamen Abend weg.

      »Hier mitten auf der Startbahn«, sagte Huber und schob zwei Beamte mit automatischen Waffen zur Seite. Jetzt konnte ihn auch Kreithmeier sehen. Mitten zwischen zwei Farbmarkierungen lag ein Mann in einem eleganten Anzug und teuren Schuhen, so weit er das einschätzen konnte, auf dem Rücken. Das ehemals schneeweiße Hemd hatte sich dunkel verfärbt. Mitten auf seiner Brust waren drei schwarze Löcher im Hemd. Einschusswunden schlussfolgerte der Kommissar.

      »Wer hat die Leiche gefunden?«

      »Einer unserer Marshaller, einer der Einwinker der Flugzeuge. Normalerweise warten sie am Ende der Landebahn auf die Maschine und geleiten sie dann persönlich zu ihrer jeweiligen Endposition. Und das auch nur, wenn das elektronische Einweisungssystem ausgefallen oder überlastet ist. Einer der Piloten einer landenden Maschine hat per Funk weitergegeben, dass etwas auf der Betonpiste liegt. Erst daraufhin ist jemand dorthin gefahren. Die Start- und Landebahnen sind tabu für Bodenfahrzeuge, nur im Notfall erlaubt: Feuer, Entführung oder bei einer Notlandung.«

      Kreithmeier blickte den Toten an, dann den Leiter der Sicherheit und schließlich besorgt in den Himmel.

      »Und Sie sind absolut sicher, dass in der nächsten Zeit hier keine Maschine landen wird, auch nicht aus Versehen?«

      »Die Landebahn ist gesperrt. Und wir haben jetzt Nacht, da gilt das Nachtflugverbot. Am Flughafen München ist deshalb zur Nachtzeit Flugbetrieb nur mit besonders lärmarmen Flugzeugen und nur in eingeschränktem Umfang zugelassen. Die ersten Maschinen starten wieder um 5.45. Bis dahin sollten Sie mit Ihrer Arbeit fertig sein.«

      Kreithmeier starrte wieder auf die Leiche. Dass der Mann tot war, schien außer Frage. Den Beweis musste er nicht erbringen. Was jetzt von Interesse sein sollte, war der Fundort auch der Tatort, und seit wann lag die Leiche hier und vor allem wie kam sie hierher. Der Flughafen war von allen Seiten mit einem über drei Meter hohen Maschendrahtzaun mit Stacheldraht eingezäunt. Überall Patrouillen von Beamten des Bundesgrenzschutzes und des Zoll. Wie sollte da jemand hineinkommen und vor allem warum? Warum tötete man jemanden hier und legte dann die Leiche an einen so exponierten Ort? Was wollte der Mörder damit sagen? Kreithmeier suchte nach seiner Begleitung. Gizmo hatte er im VW-Bus gelassen. Der würde hier jetzt nur alle verwirren, anknurren und anbellen und herumspringen. Da war er im Bus besser aufgehoben.

      Melanie Schütz hatte sich weiße Silikonhandschuhe angezogen und untersuchte vorsichtig die männliche Leiche. Der Mann kam aus gutem Hause, hatte schwarzes leicht gelocktes Haar, manikürte Hände, einen guten Schneider und keine billigen Schuhe an. Er musste um die 40 sein, vielleicht sogar älter, maximal 43. Kein Arbeiter, ein Bürogänger. Er sah auch nicht aus wie ein Krimineller, Drogenhändler oder Waffenschieber, der einer internen Säuberungsaktion zum Opfer gefallen war. Nein, er sah aus wie ein unbescholtener Familienvater, auf dem Weg nach Hause nach einem arbeitsreichen Tag. Ihrer Schätzung nach war der Tod noch nicht lang eingetreten. Der Körper war zwar schon kalt, aber das konnte auch am eisigen Westwind liegen. Vorsichtig griff sie dem Toten in die Innentasche seines Sakkos. Und sie hatte Glück. Zwischen Zeige- und Mittelfinger fischte sie eine Brieftasche hervor.

      »Kreiti, schau mal, ich habe seine Brieftasche.«

      Melanie kam ihm entgegen und hielt sie vor einen Scheinwerfer eines der Fahrzeuge. Sie klappte sie vor seinen Augen auf und beide starrten wie versteinert auf einen Personalausweis, der in einem Fach steckte. Durch die durchsichtige Plastikabdeckung hindurch konnten beide zusammen den Namen lesen. Und fast gleichzeitig blieb ihnen ein Aufschrei im Hals stecken. Auf dem Ausweis stand in sauberen Maschinenlettern: Tobias Löbinger.

      Kreithmeier hatte sich als erstes wieder im Griff: »Löbinger, Tobias Löbinger, der Ehemann von Sara Löbinger. Das gibt es doch nicht. Träume ich?«

      »Nee, leider nicht. Das ist wirklich der Gute. Ich habe seine Firma ja im Internet gegooglet. Und da war ein Bild von ihm auf der Homepage. Er ist es tatsächlich. Der Baulöwe Tobias Löbinger. Erschossen. Mit drei Kugeln in die Brust. Es sieht aus wie eine Hinrichtung. Wie sollen wir das nur der armen Frau erklären?«

      Melanie und Alois schritten wieder zurück zum Fundort. Ludwig Huber hatte bemerkt, dass die beiden etwas im Scheinwerferlicht betrachtet hatten und kam neugierig auf sie zu.

      »Was Neues? Kennen Sie den Mann?«, fragte er.

      »Nicht direkt. Wir haben nur seine Brieftasche. Somit können wir von seiner Identität ausgehen. Aber solange die Spusi nicht ihren Job gemacht hat, sind das alles nur Spekulationen. Ich möchte mich gerne mal mit dem Mann unterhalten, der die Leiche gefunden hat.«

      »Selbstverständlich. Hier entlang. Er sitzt in einem der Busse des Grenzschutz.«

      Der Marshaller, ein junger Mann von maximal 26 Jahren, saß leicht zitternd an einem Tisch im Bus der Polizei.

      »Kommissar Kreithmeier, Polizei Freising, ich leite die Ermittlungen und hätte ein paar Fragen an Sie.«

      »Jürgen Tischler, Einwinker auf dem Vorfeld.«

      »Danke, die Personalien nehmen wir später auf. Erzählen Sie bitte der Reihe nach, was passiert ist.«

      »Es muss so gegen 20 Uhr gewesen sein, da hat der Pilot der Air Berlin, Flug Hamburg-München, am Tower gemeldet, dass etwas auf der Landebahn liegt. Sie hätten einen Schatten im Licht des Bugscheinwerfers entdeckt und auch die Bugkamera hätte etwas aufgezeichnet. Nun das ist für uns nichts Neues. Es kann immer mal passieren, dass der Wind Äste oder andere Dinge auf die Landebahn weht oder Reifenteile herumliegen. Die werden dann natürlich sofort beseitigt. Und die Betonplatte wird immer wieder von einer Kehrmaschine abgebürstet. Ich habe also vom Tower die Anweisung bekommen zwischen zwei Slots die Sachlage zu überprüfen. Sicherheit steht an erster Stelle und Fremdkörper auf der Landebahn sind ganz einfach gefährlich. Sie könnten bei einem Start von den Triebwerken angesaugt werden. Gar nicht auszumalen was da alles passieren könnte.«

      »Ist ja gut, verstehe ich alles. Aber bitte kommen Sie zum Punkt!«, hakte Kreithmeier ungeduldig nach.

      Der Marshaller fuhr fort: »Ich musste mich beeilen, denn die nächste Maschine war im Landeanflug, und um sie zur zweiten Landebahn umzuleiten, hätte sie durchstarten müssen also......«

      »Mussten Sie sich beeilen?«

      »Ja!«

      »Und dann?«

      »Ich bin zu der besagten Stelle gefahren und da habe ich ihn gefunden. Tot. Mit drei Löchern in der Brust.«

      »Das konnten Sie in der Dunkelheit sofort feststellen?«

      »Ja, klar. Ich habe immer eine Taschenlampe im Fahrzeug und außerdem wird die Bahn, wenn sie in Betrieb ist, von den angrenzenden Bodenlampen ganz gut ausgeleuchtet.«

      »Sie schauen zu viele Tatorts, deswegen können Sie ohne weitere Ausbildung ohne Probleme eine Diagnose abgeben?«, fragte Kreithmeier den Mann provozierend.

      »Ja, woher wissen Sie?«

      »Weil jeden Sonntag Millionen von Deutschen Tatort sehen und eineinhalb Stunden lang, sich die Meisten davon in ermittelnde Kriminalkommissare verwandeln und gegenseitig Wetten abgeben, wer der Mörder ist.«

      »Das wusste ich gar nicht.«

      »Es gibt ganze Tatort Clubs und Vereine.«

      »Ach was?«

      »Hallo,