Wer konnte da bloß widerstehen? Natürlich niemand, die Schmetterlinge nicht, die Hummeln und die Bienchen nicht, die Krabbelkäfer nicht und die Blumenelfen erst recht nicht. Die tummelten sich in Scharen bei ihren Blumen, Klee und Gräsern.
Auch das Veilchen-Elfchen saß frohgemut bei seinen Veilchen und freute sich des Lebens.
„Herbei, herbei“, rief es den Hummeln und den Bienchen zu, „hier erwartet euch ein süßer Nektartrunk.“ Aber da kam nichts herbeigesummt oder herbeigeflogen. Nein, im Gegenteil, die Bienchen und die Hummeln beachteten ihre Veilchen gar nicht. Na, das war aber komisch! Was war denn los mit den Veilchen?
„Vielleicht duftet ihr nicht mehr?“ sagte es zu seinen Veilchen und schnupperte an jedem. Aber nein, alle Veilchen dufteten so wie eh und je.
„Das verstehe ich nicht“, sagte es wieder.
„Ich auch nicht“, rief eine Kohlmeise, die nun ganz nahe an das Veilchen-Elfchen heranrückte.
Erstaunt schaute das Elfchen auf den Vogel, dann sagte es: „Ja, was machst denn du hier, so tief unten auf der Erde. Du gehörst doch in die Luft oder hoch oben in die Bäume und Sträucher!“
Da schaute die Kohlmeise das Elfchen treuherzig an und sagte; „Ich weiß, aber weißt du, dein Veilchenduft hat mich so betört, dass ich mich entschlossen habe: Nur hier, gleich neben den Veilchen, will ich mein Nest bauen. Meine Kinderlein sollen sich an dem herrlichen Veilchenduft ergötzen. Schau mal, mein Nest ist beinahe fertig und mein Frauchen wird nun auch bald kommen. Na, die wird sich freuen, dass ich das Nest zwischen den Veilchen gebaut habe, meinst du nicht auch? Oder hast du etwas dagegen?“
„Nein, nein!“, rief das Elfchen, „das nicht, aber ist das nicht ein bisschen gefährlich, dass du dein Nest im Gras baust? So tief unten auf der Erde, da lauern ja so viele Gefahren auf dich und dein Frauchen, und nicht zu vergessen auf deine kleinen zarten Kinderlein.“
„Wie meinst du das? Und welche Gefahren warten denn auf mich und meine Familie?“, fragte erschrocken die Kohlmeise.
„Na ja, hier unten im Gras, da schlängelt sich so manche Schlange entlang, die gerne deine Eierchen oder Kinderlein verspeisen würde. Die dicken Kröten lieben auch zu gerne kleine Vogeleierchen. Oder der Fuchs, der jede Nacht durch die Wiese streunt, und nicht zu vergessen die Wildkatze. Meinst du nicht auch, dass dein Nest hoch oben in dem Baum viel mehr geschützt ist als hier unten auf der Erde? Der Veilchenduft wird dich bestimmt nicht beschützen“, meinte das Elfchen.
Da erschrak der Vogel ganz gewaltig und leise sagte er: „Oh du meine Güte, du hast ja recht, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich war ganz betört von dem Veilchenduft, bitte sei mir nicht böse, aber ich bevorzuge doch, ein Nest so hoch wie möglich in den Bäumen zu bauen. Leb wohl, und sage bitte nichts meiner Frau, wenn du sie siehst, sonst hält sie mich womöglich für dumm.“
„Nein, nein, natürlich nicht, ich kenne ja deine Frau gar nicht. Ich bin ja nur froh, dass du ein Einsehen hast und meinen Rat befolgst. Also auf Wiedersehen und nimm dir ruhig ein Veilchen mit für deine Frau“, erwiderte das Elfchen.
Und das machte der Vogel und als er weg war, da kamen sogleich viele Hummelchen und Bienchen herbeigeflogen und labten sich an dem süßen Nektar.
Ja, jetzt begriff auch das Elfchen, warum keine Hummeln und Bienchen zu ihr kamen, das lag natürlich an der Kohlmeise, die ihr Nest neben den Veilchen gebaut hatte, denn man weiß ja nie bei so einem großen Vogel …
Der letzte Schneehaufen
„Guck doch mal“, riefen die Sonnenstrahlkinder, „da ganz hinten im Gärtchen, da liegt doch noch Schnee? Das kann doch nicht möglich sein, wo der Frühling schon überall ist. Kommt, lasst uns den Schnee wegjagen!“
Aber das war leichter gesagt als getan. Die Sonnenstrahlkinder versuchten immer wieder das Schneehäufchen mit ihren warmen Strahlen zu erreichen, aber da war der dunkle kalte Schatten und der verwehrte ihnen den Weg. Breit hatte er sich hingelegt und wich keinen Daumen breit zu Seite. Er war ein guter Freund des Schneehaufens und sie erzählten sich von dem Winter, dem Nordwind und den vielen Schneeflocken.
„So schön war es“, seufzte der Schneehaufen, „darum will ich auch hier bei dir bleiben, den ganzen Frühling und auch den Sommer über. Niemand bringt mich hier weg, niemand bringt mich zum Schmelzen, solange du bei mir bist.“
Da lachte der Schatten und sagte: „Aber natürlich bleibe ich bei dir, was soll ich in der Sonne.“
Da ärgerten sich die Sonnenstrahlenkinder und schnell huschten sie in den Blumengarten. Sogleich öffneten viele Frühlingsblumen ihre Knospen. Aber so richtig warm waren heute die Sonnenstrahlkinder gar nicht.
„Was ist denn los mit euch?“, fragte das Tränende-Herz-Elfchen die Sonnenstrahlkinder. „Ihr seid heute so kühl!“
Da nickten die Kinder und sagten: „Das stimmt, wir haben uns abgekühlt bei dem Schneehaufen, der dort drüben im Schatten liegt.“
„Waaas? Liegt da noch Schnee?“, riefen nun alle Blumenelfen erstaunt. „Das gibt’s doch nicht!“
„Leider doch“, erwiderten die Sonnenstrahlkinder, „schaut selber mal, aber geht nicht zu nahe ran, sonst verkühlt ihr euch noch.“
Also flogen die Blumenelfen ganz leise und sehr vorsichtig hinüber zu dem Winkel, wo es immer schattig war.
Wie erschraken alle, als sie den Schneehaufen protzig und kalt im Schatten liegen sahen.
Das kleine Veilchen-Elfchen traute sich als erste, etwas zu sagen: „Wird es für dich nicht höchste Zeit zu schmelzen?“
„Pfff“, machte der Schneehaufen nur und zeigte dem Elfchen seine kalte Schulter.
Da versuchte es das Gänseblümchen, das Himmelschlüsselchen, ja sogar die Weidekätzchen kamen, aber der Schneehaufen blieb stur und kümmerte sich nicht mehr um die Bitten der Blumen-Elfen.
Traurig wollten sie wieder gehen, denn es wurde ihnen hier schon zu kalt, da der Schatten sich noch mehr ausgebreitet hatte. Da hatte das Tränende-Herz-Elfchen eine Idee.
„Wenn es so nicht geht, vielleicht schmilzt er, wenn er meine süßen Herzchen sieht“, sagte das Elfchen und schnell pflückte es von dem Herzerlstock einige der schönsten Herzblumen-Zweige. Dann flog es wieder zurück zu dem Schneehaufen und sagte: „Schau mal, was ich für dich habe, ich gebe dir ganz viele Blumenherzen, nur für dich.“
„Was, für mich?“, fragte erstaunt der Schneehaufen.
Da nickten alle Blumen-Elfen ganz herzlichst. „Ja, für dich.“
„Oh wie schön, oh vielen Dank“, rief der Schneehaufen ganz gerührt und vor lauter Glück und Freude schmolz er dahin. Er wurde kleiner und kleiner, bis nur eine kleine Pfütze von ihm übrigblieb.
Und der Schatten? Ach, der wurde auch immer kürzer, das kam dadurch, dass die Sonne immer höher und höher kletterte. Ach, wie schön …
Frühlingserwachen
„Na, ich weiß nicht, ob es nun Frühling wird oder nicht!“, seufzte der Weidenbusch bei dem Bächlein, das sich so gar nicht munter bewegen wollte.
„Murmel, murmel“, murmelte das Bächlein, „ich zweifle auch schon einige Zeit, denn mir ist noch so kalt und ich fühle mich so starr und eingeengt. Ich kann so gar nicht über die Steinchen hüpfen oder gar über meine eigenen Wellen springen. Brrr, viel zu kalt.“
Da wehte verdorrtes Laub zu dem Weidenbusch und blieb zwischen seinen Wurzeln