Der Wurbelschnurps. Nadja Hummes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nadja Hummes
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741805110
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möchte jedenfalls keine Klassenarbeit schreiben.“

      „Hm“, machte der Wurbelschnurps nachdenklich. „Erst die Klassenarbeit.“

      „Muss das sein?“

      „Ja.“

      „Och menno.“

      „Erst die Klassenarbeit, dann Dorjas' Schwester besuchen.“

      „Na gut“, seufzte Finella.

      „Vielleicht solltest du noch ein wenig lernen, um gut auf die Klassenarbeit vorbereitet zu sein.“

      „Wir haben Wochenende!“

      „Ich weiß.“

      „Und gestern hatte ich zu viel Stress, als das ich noch hätte lernen können.“

      Der Wurbelschnurps sah sie abwartend an.

      „Und morgen ist auch Wochenende!“

      Der Wurbelschnurps sah sie weiterhin an, sagte jedoch nichts.

      „Außerdem würde es sich gar nicht lohnen, wenn ich jetzt anfinge, den Stoff für die Klassenarbeit zu pauken. Bestimmt hätte ich bis zur Klassenarbeit alles wieder vergessen. Da ist es doch viel logischer, wenn ich direkt vor der Klassenarbeit lerne.“

      „Wann schreibt ihr die Klassenarbeit?“

      „Dienstag.“

      „Heute ist Samstag.“

      „Weiß ich.“

      „Ich gehe jetzt nach Amarythien. Dienstag Abend bin ich wieder da.“

      Sprach es und entfernte sich, ehe Finella protestieren konnte.

      *

      Montag Morgen, während der Mathestunde, fand Finella doch noch etwas Zeit für ihre Vorbereitungen. Die englischen Vokabeln lagen unter dem Mathebuch. Sie prägte sich eine um die andere der Vokabeln ein. Nach der großen Pause widmete sie sich der englischen Grammatik. Während der Physikstunde.

      Heute, einen Tag vor der Klassenarbeit, würde Mama mit dem Klassenlehrer sprechen. Na toll. Weder Mama noch Papa hatten sich umstimmen lassen. Dass die Erwachsenen aber auch immer zusammenhalten müssen.

      Finella suhlte sich noch ein bisschen in ihrem Selbstmitleid, wurde dieser Beschäftigung jedoch bald überdrüssig. Außerdem wusste sie genau, dass es in Wirklichkeit halb so wild war.

      Wieder daheim vergrub sie sich nach dem Abendbrot in ihren Büchern. Die Zeit flog dahin, ohne dass es ihr besonders auffiel. Ihr selbst gebasteltes „Betreten verboten!“-Schild baumelte außen an der Türklinke ihrer Zimmertür. Mama klopfte an.

      „Finella?“

      „Ja?“

      „Papa ist am Telefon. Möchtest du ihn sprechen?“

      „Was für eine Frage!“ rief Finella, sprang auf, riss die Zimmertüre auf und ihrer Mutter das kabellose Telefon aus der Hand.

      Leise zog ihre Mutter die Zimmertür von außen zu. Finella saß bereits im Schneidersitz auf dem Teppich, in der Mitte ihres Zimmers.

      „Hallo Papa.“

      „Hallo, meine kleine Springmaus. Wie viele Hecken hast du heute geentert?“

      „Keine einzige. Und ich habe sogar geübt. Für die Englischarbeit morgen.“

      „Ah, du hast dich also doch noch vorbereitet.“

      „Ja.“

      „Kluges Mädchen. Hattest du noch Ärger in der Schule?“

      „Heute nicht.“

      „Na, das ist doch mal was.“

      „Ja.“

      „Wie geht es dir?“

      „Gut. Aber ich vermisse dich. Mama vermisst dich auch.“

      „Autsch.“

      „Wieso ‚autsch‘, Papa?“

      „Du streust Salz in meine Wunden.“

      „Wenn's doch wahr ist.“

      „Eben drum. Ich vermisse euch auch. Sehr sogar.“

      „Wann bist du denn wieder da?“

      „Am Donnerstag. Und dann überraschen wir Mama.“

      „Au ja! Aber nur, wenn es eine schöne Überraschung ist! Womit denn?“

      „Aber nicht verraten, meine kleine Springmaus.“

      „Nein.“

      „Wir fahren über's Wochenende weg. Donnerstag bin ich wieder da. Und Freitag, nach der Schule, fahren wir los. Ich habe schon mit Mamas Chef telefoniert. Sie weiß zwar noch nichts davon, aber sie hat Freitag frei. Ich freue mich richtig auf euch. Ich vermisse euch so. Freitag Morgen, während du in der Schule bist, werde ich in aller Ruhe mit Mama frühstücken. Anschließend helfe ich ihr, unsere Taschen zu packen. Danach holen wir dich von der Schule ab und dann geht es los. Was sagst du?“

      Finella schluckte. Was sie da gerade zu hören bekommen hatte, machte, dass sie kurz ein wenig schlucken musste. Ein glückliches Schlucken.

      „Ich glaube, Mama freut sich“, flüsterte Finella vorsichtig in den Hörer.

      „Das glaube ich auch.“

      „Du, Papa.“

      „Ja?“

      „Ich glaube, Mama würde sich aber viel mehr freuen, wenn du mehr bei uns wärest.“

      „Ja, das kann ich nachvollziehen. Geht mir ebenso.“

      „Mir auch.“

      Finella machte eine kurze Pause.

      „Papa? Sprichst du mit deinem Chef?“

      „Worauf du dich verlassen kannst.“

      Wieder legte Finella eine kleine Pause ein. Sie hörte Papas Stimme tief in sich nachhallen und fühlte, dass er die Wahrheit sagte.

      „Soll ich dir noch etwas aus meinen Büchern vorlesen?“ fragte sie anschließend sehr engagiert.

      „Nein. Du sollst jetzt mal so langsam ins Bett gehen. Immerhin schreibst du morgen eine Klassenarbeit. Da musst du ausgeschlafen sein. Also: Gute Nacht, meine kleine Springmaus. Schlaf gut.“

      „Du auch, Papa. Gute Nacht.“

      *

      Dienstag. Die Klassenarbeit kam und ging.

      Tom, Murat und Steffi verhielten sich derart zurückhaltend, dass es regelrecht auffiel. Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Versetzung gefährdet? Schulverweis? Handyentzug? PC demontiert? Was auch immer, es hatte jedenfalls gewirkt.

      Nach Schulschluss spazierte Finella noch ein wenig durch die Siedlung. Wem hätte sie auch von der Englischarbeit erzählen sollen? Mama verrichtete ihre Arbeit im Supermarkt und Papa hatte Außendienst.

      Und der Wurbelschnurps? „Dienstag Abend bin ich wieder da“, hatte er gesagt. Finella musste gar nicht erst in den Himmel oder auf ihre Armbanduhr schauen. Sie wusste, dass es erst Nachmittag war. Immerhin fast schon später Nachmittag, aber definitiv noch kein Abend.

      Sie stromerte weiter, bis sie schließlich vor der Kleingartenanlage „Zur friedlichen Taube“ stand. Opa Hauke harkte das Gemüsebeet in seinem Schrebergarten und pflanzte Setzlinge.

      „Guten Tag, Herr Hauke.“

      „Hm? Oh, Frau…“

      „Finella“, sagte Finella.

      „Ah ja, richtig. Frau von und zu Finella. Nein, aber ich muss ja Fräulein sagen. Denn verheiratet sind Sie ja noch nicht, junge Dame.“

      Finella grinste. Opa Hauke lächelte.