Karriere und Liebe. Phil Lister. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Phil Lister
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844251074
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die setzen auf dich und setzen dich durch. Das ist unerlässlich, das gehört zu dem Quäntchen Glück, das man braucht, um nach oben zu kommen. Wie lange man oben bleibt, ist dann wieder eine andere Frage. Die Luft ist extrem dünn, und du musst sehen, dass du potenzielle Gegner wieder ausschaltest, sonst bist du dran. Das ist das Gesetz, Felix.“

      „Na, ich weiß nicht, ob ich das gut finden soll. Bei uns wird noch nicht in jedem Fall gleich geschossen. Aber Daser ist bestimmt kein Einzelfall. Und wenn ich mir den Dr. Rose vorstelle, der ist möglicherweise auch von diesem Kaliber.“

      „Wie lange bist du jetzt dabei? Im Vorstand?“

      „Fast ein Jahr. In wenigen Monaten wird Sell 65. Dann wird es irgendwann soweit sein. Warum fragst du?“

      „Ich glaube, das ist noch eine zu kurze Zeit, um hinter die Visiere zu schauen. Ich bin jetzt vier Jahre dabei. Und es gibt immer wieder Überraschungen, wer mit wem Allianzen eingeht oder sich neu bekämpft.“

      Felix hatte noch nicht den Hörer auf der Gabel, als Frau Binder schon im Zimmer stand. „Sie haben in drei Minuten Ihren Termin bei Herrn Carwitz!“ Verflucht! Das hatte Felix glatt vergessen. Dabei legte Carwitz allergrößten Wert auf Pünktlichkeit. Da war er überaus penibel, der Herr Generaldirektor, der Vorstandssitzungen, Pressekonferenzen und die Jahreshauptversammlung schon ein Jahr im Voraus festlegte und die Pläne an die Vorstandsmitglieder verteilen ließ. Wie ein geschickter Choreograph inszenierte er schon weit im Voraus die vorgeschriebenen Rituale.

      Felix hastete nach oben und wäre unterwegs beinahe mit Daser zusammengestoßen. Wenn man an den Teufel denkt... Fräulein Sindermann beruhigte: „Er telefoniert noch.“

      Gut, so konnte er nochmals seine Gedanken sortieren und Souveränität zurückgewinnen. Carwitz war ein Mann, der ihm Respekt abnötigte. Auch wenn ihn der Spleen mit der Überpünktlichkeit auf ein menschliches Mittelmaß zu stutzen schien. Er war kompetent. Er war auch eigenständig in seinen Entscheidungen. Und ihm hatte bisher noch niemand hineingefunkt.

      „Herr Admont, bitte“, Carwitz' Stimme wirkte etwas verzerrt durch die Sprechanlage. ,,Und keine Störung!“

      Der Kapitän, verantwortlich für das Bankenschiff, hatte sich eine Pfeife angesteckt. Ein VIP, kein Zweifel. Aber die vielen kleinen Fältchen um die grau-blauen Augen gaben seinem Blick etwas Menschliches. Seine Augen blickten ernst und ruhig.

      „Nun, Herr Admont, wir haben nur eine Viertelstunde. Worum handelt es sich?“

      „Es geht um die Umsetzung des Projektes Mini-Computer. Wir kommen jetzt langsam in die Praxisphase. Wenn wir horrende Kosten bei der Einführung vermeiden wollen, müssen wir jetzt an die Personalentwicklung denken. Das ist eine langfristige Aufgabe, denn es wird ein radikales Umdenken verlangt. Es geht ja nicht mehr nur um Eingabe, es geht um Dialog mit dem Computer.“ „Sie wissen ja, ich verstehe nichts davon. Ich gebe auch ehrlich zu, dass mir der Wille fehlt, mich in die Materie einzuarbeiten. Worauf wollen Sie hinaus? Soll eine neue Arbeitsgruppe gegründet werden?“

      „Die arbeitet ja kontinuierlich weiter. Und ist auch bei der Mini-Computereinführung unentbehrlich. Ich wollte eine neue Idee in unser Schulungssystem integrieren: Kompakte Seminare über wenigstens zwei Wochen mit Trockenübungen am Computer für die Praxis. Danach gibt es eine Prüfung und einen Computer-Führerschein. Es geht aber nicht nur um Schulung, auch die Freizeit sollte besonders gestaltet sein. Unterhaltung, Sport, Kultur, Ausflüge, Wettbewerbe. Die ganze Sache sollte so aufgezogen werden, dass sich die Mitarbeiter darum reißen, mitkommen zu dürfen.“

      „Das wird nicht billig, warum die Investition?“

      „Es wird sich für uns auszahlen. Die Computerisierung wird enorme Umstellungen bringen. Und Rationalisierungseffekte. Wenn wir das alles möglichst reibungslos etablieren wollen, brauchen wir Mitarbeiter, die mitziehen. Wenn wir die Anforderungen verbinden mit einer Auszeichnung, dann könnte das gelingen.“

      „Wie haben Sie sich das konkret gedacht?“

      „Wir suchen ein spezielles Hotel, vielleicht in den Alpen oder an der Nordsee, das die Räumlichkeiten zur Verfügung hat. Wir entwerfen ein Schulungs- und ein Freizeitprogramm und wir machen Werbung im Haus dafür. So schaffen wir die Antriebskraft, die wir für die Etablierung der Mini-Computer brauchen.“

      „Klingt nicht schlecht. Haben Sie das mit Herrn Daser abgesprochen, die Kosten ausgerechnet?“

      „Noch nicht, ich wollte zuerst Ihre grundsätzliche Zustimmung, bevor ich damit weiter an die Öffentlichkeit gehe. Als nächstes spreche ich mit Herrn Daser.“

      „Gut, Sie stellen das Ganze dann auf der nächsten Vorstandssitzung vor. Und die Kostenseite nicht vergessen.“

      Felix war erleichtert. Nach dem Gespräch mit Sell hatte er tagelang über das Problem der Akzeptanz nachgedacht. Er konnte nicht drei Jahre warten, um dann neu anzusetzen. Es musste einen Weg geben, das Misstrauen der Belegschaft gegen die Veränderungen umzulenken. Auf der Suche nach der Lösung war ihm ein Artikel in einer amerikanisches Wirtschaftszeitung aufgefallen, der sich mit betrieblicher Menschenführung beschäftigte. Human relations war ein Zauberwort in Amerika.

      Es ging darum, die Freiwilligkeit und das Verantwortungsgefühl der Mitarbeiter zu stärken. Nur der glückliche und zufriedene Mitarbeiter ist auch ein guter und tüchtiger Mitarbeiter, so der Kern der Aussage. Wie war das mit dem Wettbewerbsgedanken zu verbinden? So hatte sich aus der Gedankenskizze allmählich der Plan entwickelt, den er jetzt auch Daser vortrug.

      „Generaldirektor Carwitz kennt Ihre Überlegungen?“ war Dasers erste Frage. „In groben Zügen. Ich bin erst in der Entwicklungsphase.“

      „Mir ist die Umsetzung noch nicht klar. Wenn Sie die Kosten ermitteln, ist ja auch zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiter zwei Wochen nicht am Arbeitsplatz sind. Wir brauchen Ersatz, den es nicht gibt auf dem Arbeitsmarkt. Oder es gibt Unzufriedenheiten, weil die Kollegen dann Überstunden machen müssen. Sie haben dafür sicher eine Lösung?“

      „Ich denke, wir müssen beim Kopf anfangen. Es geht zunächst um die Abteilungsleiterebene. Die braucht natürlich eine andere Ansprache als später die Sachbearbeiterebene. Bei den Abteilungsleitern gehe ich einfach davon aus, dass die Stellvertreter das übernehmen. Unaufschiebbare Entscheidungen können auch mal per Telefon getroffen werden. Bei den Sachbearbeitern, da gebe ich Ihnen recht. Wir müssen dafür sorgen, dass der Bankbetrieb reibungslos weiterläuft. Es darf kein böses Blut geben. Das ist eine gute Anregung. Gut, dass wir jetzt schon darüber gesprochen haben. Ich werde sie bei der konkreten Ausarbeitung meines Planes berücksichtigen.“

      Felix bewegte sich bei den Daser-Gesprächen immer vorsichtig und ausgesucht höflich. Er fühlte sich auf dünnem Eis, aber er gab sich keine Blöße. Das Bemühen, den Zwergen keinen Anlass zu liefern, zu Giftzwergen zu werden, war mit vielen Anstrengungen verbunden. Denn er musste versuchen, sich auch in den Gehirnwindungen seines Gegners auszukennen. So war es sein Bestreben, nach Möglichkeit nie direkt neben Daser zu stehen, um dann im Gespräch auf ihn herabzublicken. Wenn sich beide in Dasers Büro gegenübersaßen, war ein Gespräch in Augenhöhe möglich, da Daser einen verstellbaren Drehstuhl benutzte, der ihn hinter dem Schreibtisch größer erscheinen ließ. Was würde er wohl dafür geben, wenn es möglich wäre, seine Körpergröße zu verändern, dachte Felix. Was wäre möglicherweise aus diesem Zwerg geworden, wenn er sich nicht so erniedrigt gefühlt hätte? Immerhin hatte er es mit seinen Intrigen bis in die Vorstandsetage gebracht. Und ich habe jetzt unter den Kompensationsversuchen zu leiden.

      Sells Abschied nahte. Auch er hatte, zog man die Kriegsjahre ab, fast 40 Jahre in der Bank zugebracht. Auch er kam aus einem guten Stall der Oberschicht. Schon der Großvater war Bankier gewesen, der Vater hatte sich als Wirtschaftsprofessor einen Namen gemacht. Aber er wurde nicht verweichlicht. Er arbeitete viel, verstand es aber auch zu genießen. Allerdings gingen die Freizeitaktivitäten immer eher von Frau Sell aus, die ihren Mann dann aus der Vorstandsetage loseisen musste.

      Auch seinen Abgang organisierte der Vorstand für die Organisation perfekt. Ein Sektfrühstück für den Stab, einen Empfang für die Etage, einen Brief an die lieben Mitarbeiter und ein außerordentliches