AUSSTEIGEN - LIGHT. Andreas N. Graf. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas N. Graf
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783738026665
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ohne dass ich ihn besonders mühevoll erwerben musste. Ich nehme nur, was andere nicht mehr wollen und kann – so arrogant, so dumm bin ich – nicht verstehen, warum bei all dieser absurden Überfülle, nicht jedem Mensch auf diesem Planeten zumindest das Nötigste zur Verfügung gestellt werden kann...

       Anpassen an Gegebenes

      Survival of the fittest – so heißt es bei Darwin, so lautet die Gesetzmäßigkeit, nach der sich Entwicklung, Evolution, vollzieht. Das Überleben der Angepasstesten.

      Wir haben verlernt, uns anzupassen. Was für unsere Vorväter noch natürlich war, erscheint uns heute in Anbetracht unseres technologischen Potenzials, archaisch und rückständig, nämlich: Mit dem auszukommen, was leicht verfügbar ist, d.h. sich an die Gegebenheiten anpassen.

      Stattdessen glauben wir, wir könnten die Gegebenheiten immer an unsere Bedürfnisse anpassen. Und dies nicht einmal an die Grundbedürfnisse, sondern vor allem an die erlernten, die chimärenhaften, die fantastischen, die irrealen. Das letzteres mit Notwendigkeit zur Katastrophe führen wird, ist wohl auch dem Dümmsten mittlerweile aufgegangen. Unser Planet ist begrenzt – unsere Wünsche (und ja: auch unsere Ignoranz, unsere Unbescheidenheit, unser Größenwahn) unbegrenzt. Ich verbiete mir an dieser Stelle das weitere Polemisieren, denn jeder, der Augen hat, zu sehen, der sieht.

      Stattdessen werde ich kurz erläutern, wie effizient die Anpassung an die Gegebenheiten im Gegensatz zu deren Anpassung an unsere Bedürfnisse ist, ohne dabei zu verschweigen, dass beides beizeiten nötig ist.

      Um Land urbar zu machen, um aus Wald Ackerboden zu gewinnen, muss das bestehende Terrain verändert werden. Jeder sieht das ein, jeder versteht, warum wir in diesem Fall unsere Umwelt anpassen müssen. Doch wie schwer, wie langwierig ist dieser Prozess! Jahrhunderte und ungezählte Mühen ungezählter Menschen kostete es, das wilde Germanien, von dem Tacitus noch als einem fast durchgehend bewaldeten und gänzlich unwirtlich Gebiet spricht, urbar zu machen.

      Wie leicht ist es dagegen, Bedürfnisse aus dem Vorhandenen zu befriedigen. Man lebt beispielsweise in der Nähe eines Waldes. Man benötigt Baumaterial, Feuerholz, will sich einen Tisch, einen Stuhl zimmern – siehe: alles im Überfluss vorhanden! Eine Axt, ein Wagen, ein paar Schritte und schon hat man alles beisammen, um sich Behausung, Mobiliar und Wärme zu erschaffen.

      Die Anpassung an das Gegebene ist deutlich einfacher als die Anpassung des Gegebenen – dieses Prinzip auf die Gestaltung des eigenen Lebens angewandt, hilft, dieses immens zu vereinfachen und unglaublich zu bereichern.

      Ein Beispiel aus meinem Alltag. Wir benötigten Unterkunft. Wir wollten neben ausreichendem Wohnraum auch ein Gärtchen für die Kinder. Wir konnten und wollten uns nicht viel leisten, konnten und wollten nur um unser Geld kaufen, also mit dem arbeiten, was faktisch verfügbar war.

      Wir endeten in einer Vorstadtgemeinde, deren Zentrum im Verfall begriffen war, während an ihren Rändern wie Krebsgeschwüre die Neubaugebiete empor wucherten. Irrsinn. Auf der einen Seite günstiger bzw. günstig herzurichtender Wohnraum, der leer steht, auf der anderen Seite immens kostenintensive Neubauprojekte! Ein kleines Haus wurde es also, mit einem kleinen Garten, einem kleinen Hof, einer Scheune dabei. Jeder hat sein Zimmer. Darüber hinaus gibt es zwei Wohnräume. Eines der zwei Bäder und eine der zwei Küchen habe ich zurück gebaut – wir brauchen nämlich nur ein Bad und eine Küche. Die Renovierung erfolgte nach folgenden Überlegungen:

      Was nicht kaputt war, wurde nicht ersetzt.

      Was schadhaft war, wurde repariert.

      Was irreparabel beschädigt war, wurde durch etwas Gebrauchtes (so es verfügbar war) ersetzt.

      War der Schaden nur optischer Natur, wurde er erst einmal ignoriert.

      Nur im äußersten Notfall wurde etwas neu angeschafft.

      Alles was funktionierte, wurde belassen wie es war.

      Was nicht gefiel und ohne großen Kostenaufwand verändert werden konnte (Tapeten, Bodenbeläge – kann selbst ich machen), wurde auch verändert.

      Was nicht gefiel, und nicht ohne großen Kostenaufwand verändert werden konnte (in unserem Fall die 70er-Jahre Zimmertüren) wurde belassen. Wir haben uns den erdfarbenen Rechtecken aus feinstem Pressspan schlicht angepasst und...überlebt.

       Das Geld, das ich nicht ausgebe, muss ich nicht verdienen

      Bislang haben wir uns mit Einzelentscheidungen beschäftigt. Die Grundlage jeder Einzelentscheidung ist aber der gewählte Lebensstil. Wenn ich mich entschieden haben, möglichst ökologisch zu Leben, dann ist beispielsweise die Frage, ob ich Billigfleisch vom Discounter kaufe, bereits entschieden. Wenn ich mich als Selbstversorger durchschlagen will, muss ich mir nicht überlegen, wo ich kostengünstig Gemüse einkaufe. Dann sind andere Dinge wichtig, Anderes wird entschieden, das ist ganz klar.

      Um herauszufinden welches Maß grundsätzlich das richtige für mich ist und welches die Eckpfeiler meiner Entscheidungsarchitektur sind oder seinen sollen, muss ich mir zuerst die Frage beantworten, was für mich das wichtigsten im Leben ist. Welche Ziele, welche Zustände möchte ich verwirklichen? Auch hier werde ich mich jeder ethischen Beurteilung enthalten. Ich bin, wie gesagt, kein Weltverbesserer und keiner Ideologie Kind. Jeder ist sich selbst der Nächste und wenn jeder lernen nur würde, mit seinem Stück des Kuchens zufrieden zu sein, bzw. sich in den Gegebenheiten seiner Existenz einzurichten, wäre wohl am Ende allen gedient. Ich beneide nicht den Reichen, den Fleißigen, den Schönen, den Beliebten. Ich bedauere sie sogar. Mit niemanden möchte ich tauschen, denn für mich habe ich das rechte Maß gefunden und daher ist mein Lebensglück... maßlos.

      Für mich ist Freiheit das wichtigste. Freiheit von Zwängen sowie die Freiheit zu tun, was mir behagt. Ich liebe nicht die Sklavenarbeit, bin faul und stolz dazu. Ich liebe nicht das Geld. Ich finde es lästig. Ich ehre es nicht. Ich missbrauche es zu meinen Zwecken, gebe es aus, sobald es mir unter die Hände gerät; ich laufe ihm nicht mehr nach, als unbedingt nötig. Daher habe ich gelernt mit wenig zurecht zukommen. Ganz ohne Gelderwerb geht es auch bei mir nicht, aber ich halte den Aufwand an Zeit und Mühe so gering wie möglich. Mit zwei- drei Stunden pro Werktag ernähre und erhalte ich vier Köpfe. Meine Frau ist zu Hause und wirtschaftet. Ihrer Sorge um unser Hauswesen ist es zu verdanken, warum ich nur das Nötigste verdienen muss. Ich verstehe nicht, warum heutzutage so häufig beide Eheleute Arbeiten gehen. Die Neubausiedlungen gleichen des Tags Geisterstädten. Da sieht man schmucke Häuser und gepflegte Gärten mit Schaukel und Sandkasten darin – verwaist. Keine Kinder, nirgends. Was soll das? Wo sind diese Menschen? Sie arbeiten, um Geld zu verdienen, um sich einen teuren Neubau, zwei Autos, und einen Urlaub zu leisten. Den Urlaub haben sie nötig, um nicht völlig die Fühlung miteinander und zu sich selbst zu verlieren. Wann sieht man sich denn sonst? Abends, wenn alle, Eltern und Kinder, müde und entnervt nach Hause kommen. Bleiben ja noch die Wochenenden, wenn man nicht gerade am Haus werken oder aufarbeiten muss, was an Hausarbeit liegen geblieben ist. Die beiden neuen Autos im schicken Carport entspringen dem Bedürfnis, den Nachbarn unterschwellig anzuzeigen, dass man sich das leisten kann. Und das teuer erbaute Haus und der glatt rasierte Rasen dahinter– nutzloser Tand, weil meist ungenutzt, leer, tot.

      Ich bin gerne daheim, lese viel, schreibe, spiele mit den Kindern, helfe meiner Frau im Haushalt. Ich bin beschäftigt. Ich hätte kein Zeit sieben-acht Stunden pro Tag außer Haus zu sein. Außerdem kostet Werktätigkeit Geld, viel Geld – man darf das nicht unterschätzen. Die Nähe zum Arbeitsplatz muss oft mit erhöhten Wohnkosten bezahlt werden. Die andauernde Mobilität muss sichergestellt werden, auch das kostet. Man geht mittags auswärts essen, man muss entsprechende Kleidung anschaffen. Auch neigt man dazu, mehr Geld für regenerative Maßnahme, wie Urlaub oder Ausgehen auszugeben. Ich habe seit sieben Jahren keinen Urlaub nötig gehabt! Keinen einzigen Tag. Ob ich Lust hätte mal zwei Wochen in einem Hotel am Strand zu verbringen? Gott bewahre! Mein geruhsames Leben geht mir vor!

      Wer wie ich, wenig für andere und viel für sich selbst leben will, muss lernen mit seinen Ressourcen auszukommen. Wer zudem, wie ich, auf gewissen Luxus und Wohlleben nicht verzichten