Liebe kaufmännischen Sachbearbeiter!
Bitte versteht mich nicht falsch. Ich weiß eure Arbeit für das Bruttoinlandsgedönse unseres Landes sehr zu schätzen. Aber für mich war das nix. Ich brauchte Bewegung, und wenn es das hospitalistische Hin- und Hertigern zwischen den Klassenzimmern ist.
Mein Schlüsselerlebnis im Ausbildungsbetrieb war der sechswöchige Einsatz in der Abteilung Lager. Für jeweils zwei Lageristen gab es ein Büro. Die Lageristen nannten sich übrigens nicht Lageristen, sondern sie bezeichneten sich selber als Disponenten. Ist ja auch exquisiter, schließlich gibt es heutzutage auch keinen Hausmeister mehr, sondern den ´Facility Manager´.
In jedem dieser Büros wurden meine visuellen Sinne von Postern irgendwelcher Reifenhersteller stimuliert, auf denen sich halb- oder ganz nackte Frauen in eindeutigen Posen auf Sportwagen räkelten. Da sieht man mal, mit wie wenig Mitteln Männer maximalen Lustgewinn erzielen können. Schon damals verstand ich intuitiv, dass es das Minimax-Prinzip sehr wohl gibt, auch wenn es bis heute von der Betriebswirtschaftslehre bestritten wird. In der BWL gibt es nur das Maximalprinzip oder das Minimalprinzip, alles andere ist betriebswirtschaftlicher Mumpitz. In der tatsächlichen Welt aber existiert nachweislich das Minimax-Prinzip: spärliche Bekleidung (Minimalprinzip) führt zu höchstmöglichem Schaum vor dem Mund (Maximalprinzip).
„Quod erat demonstrandum“, wie wir Altgriechen immer zu sagen pflegen, „scheiß auf die Theorie!“
Zum maximalen Lustgewinn trug auch die Tatsache bei, dass sich in jeder freien Minute, und davon gab es wegen Auftragsmangel reichlich, die Disponenten trafen, um die ganze Zeit Skat zu kloppen. Eine Szene ist mir dabei in besonderer Erinnerung geblieben, die zugleich den intellektuellen Tiefgang der Konversationen unter den Mitarbeitern veranschaulicht. Während einer der zahlreichen Skatrunden kam die unterdurchschnittlich reizvolle Tippsenschnepfe des Abteilungsleiters dazu und wurde von einem Disponenten auf einen Fehler aufmerksam gemacht, den sie gemacht hatte. Sein Hinweis, die Sache beim nächsten Mal von vornherein zu klären, konterte sie mit Blick auf das Poster: „Von vorne rein ist immer gut!“
Dieser Vorfall hat mich sehr bewegt, aber mehr psychisch als physisch, falls Du verstehst, was ich meine. Ab diesem Moment stand nämlich mein Entschluss unumstößlich fest:
„Ich will an die Uni – holt mich hier raus!“
Mein Berufsschullehrer in BWL bestärkte mich in meinem Entschluss, indem er sagte:
“Warum werden Sie nicht Lehrer? Das Zeug dazu haben Sie auf alle Fälle!“
Ich wusste, dass er das nicht nur intellektuell meinte, denn schon damals konnte ich mich köstlich über meine Mitschüler und den trotteligen Politiklehrer mit Tennissocken und Jesuslatschen amüsieren.
Kapitel 5
Ein lebensfeindlicher Raum
Vor diesem Höllenteil von Kaffeemaschine herrschte bereits munteres Gedränge. Ich hatte zwar bereits 10 Minuten vor offiziellem Unterrichtsende meine Stunde beendet, aber augenscheinlich waren einige Kollegen von mir noch cleverer. Möglicherweise hatten sie ihre Schüler der momentan angesagten Unterrichtsform des Selbststudiums überlassen, anders konnte ich mir dieses rege Treiben hier nicht erklären.
Die Kaffeemaschine zischte und gab ihr letztes, um 30 überforderte Kollegen mit einer Überdosis Koffein zu versorgen. Mein Versuch, mich an einigen Kollegen vorbei zu mogeln, scheiterte kläglich, denn vor mir blockierte eine Kollegin aus der Hauswirtschaftsabteilung den Weg: Regina Rubens!
Regina Rubens wurde aufgrund ihres riesigen Hinterns, der mir jetzt den Weg versperrte, in Fachkreisen auch ´das Brauereipferd´ genannt. Die Ähnlichkeit war verblüffend, insbesondere von hinten. Vor hundert Jahren hätte sie bestimmt Karriere als Zugtier vor einem Bierkutscher gemacht. Sie war eindeutig der optische Beweis für das Motto ´im Winter warm, im Sommer Schatten´.
Abgesehen von diesem Monsterarsch war Regina auch sonst keine Schönheit. Und sie war unsympathisch, eine denkbar unglückliche Kombination. Im internen Kolleginnenranking am Tisch der BWL-Lehrer war sie definitiv keine 10! Was Regina anbetraf, überlegten wir ernsthaft, die Bewertungsskala in den negativen Bereich zu erweitern.
Regina war etwa seit fünf Jahren am HEB. Von diesen fünf Jahren hatte sie ungefähr viereinhalb Jahre in der Elternzeit verbracht, da sie laufend mit ihrem aktuellen Lebenspartner für Nachwuchs sorgte.
Auch wenn mir die Motive ihres Ehemanns für dieses permanente Aufpumpen nicht schlüssig erscheinen, finde ich Nachwuchs grundsätzlich gut. Das sage ich auch immer zu Uschi. Wie gerne hätte ich fünf Kinder, zehn Enkelkinder und ein Haus am See. Leider sind Uschi und mir da aber die Hände gebunden. Ist so eine Redensart, denn mit den Händen hat das ja wahrlich nichts zu tun! Wir erfüllen weder die anatomischen Voraussetzungen für Nachwuchs noch die formalen für eine Adoption. Möchte ich aber nicht drüber reden.
Und da die Reginas in Deutschland die Seltenheit sind, ist die Sterberate in unserem Land höher als die Geburtenrate. Deshalb sind wir auch irgendwann alle Ausländer!
Darüber sollte man einmal in einer stillen Minute nachdenken!
Elternzeit besagt, ich kann daheim bleiben, vollgeschissene Windeln wechseln, unter ständigem Schlafmangel leiden und meine Kommunikation auf ´gutschigutschigutschi´ reduzieren.
Elternzeit besagt aber auch, dass mir meine Stelle in der Schule frei gehalten wird. Doof ist nur, dass der Unterricht während meiner Abwesenheit weiterhin erteilt werden muss. Das bedeutet, je mehr Jungmütter und –väter in Elternzeit sind, desto mehr Stunden müssen die verbleibenden Kollegen unterrichten, da die Bezirksregierung nicht für die nötigen Ersatzlehrkräfte sorgt. Das ist gelebtes Solidaritätsprinzip im Schulwesen.
Es gleicht sich übrigens über die Jahre aus. Wenn ich dann irgendwann wegen Burn-Out und vorzeitiger Dienstunfähigkeit aus dem Schuldienst ausscheide, weil ich zu viele Stunden von jungen Muttis übernehmen musste, müssen die nicht mehr ganz so jungen Reginas meinen Unterricht übernehmen.
Als in diesem äußerst knappen Zeitfenster ihrer Schulanwesenheit eine Stelle zur/zum Oberstudienrätin/Oberstudienrat ausgeschrieben wurde, fand Regina, es wäre an der Zeit, sich auf diese A14-Stelle zu bewerben. Schließlich sollten fünf Kinder erst mal reichen.
Regina hatte einen sehr guten Draht zu Dr. Dümmer. Jeden Freitag gab es für den Schulleiter einen Schokoladenkuchen, den die Hauswirtschaftsklasse HW 66 gebacken hatte. Der stellvertretende Schulleiter Paul Pingel bekam einen Muffin mit Smarties-Garnitur und Kerzchen obendrauf – böse Zungen behaupteten, damit ihm ein Lichtlein aufgeht.
Neben Regina bewarben sich noch drei männliche, kinderlose Kollegen, die deutlich länger am HEB und noch deutlich engagierter waren als Regina. Aber sie backten keinen Kuchen!
Jetzt rate mal, wer die A14-Stelle bekam?
Im öffentlichen Dienst ist es nur fair, dass bei gleicher Eignung Frauen und Schwerbehinderte den Vorzug erhalten!
Nachdem sich Regina aus der Kaffeemaschine einen großen Cappuccino mit extra Sahne und Schokostreusel gegönnt hatte und von dannen walzte, war ich fast am Ziel meiner Kaffeeträume angelangt. Ich ließ meinen Blick über die Kolleginnen im Lehrerzimmer schweifen und dachte noch:
„Hier gibt es wirklich eine Menge Gründe, schwul zu werden.“
Plötzlich spürte ich eine unangenehme, frostige Kälte im Nacken.
Dementorenangriff?
Eigentlich war das Lehrerzimmer für die Sesselpuper immer gut geheizt. Als ich mich instinktiv umdrehte, blickte ich in die funkelnden Augen von Ruth Ratten-Scharf.
Auch Ruth war aus der Hauswirtschaftsabteilung. Offensichtlich war ich heute nur so umzingelt von liebreizenden Kolleginnen.
Ruth hielt sich für extrem attraktiv und lebte diese Auffassung. Sie glaubte, kein