Operation Eismeer. Patrick Osborn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Patrick Osborn
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847677505
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die Jack einen beeindruckenden Blick auf den St. Lorenz Strom erlaubte.

      Der Black Hawk jagte durch den Morgenhimmel und erstmals seit drei Jahren spürte Jack, dass sich sein Pulsschlag etwas erhöhte. Seine Gedanken kreisten um den Brief. Die Nachricht war genauso kurz, wie prägnant. Präsident Nathan Spencer bat Jack um ein sofortiges Treffen, in einer äußerst wichtigen Angelegenheit.

      Spencer war ein alter Freund von Jacks Vater und kannte ihn schon von Kindesbeinen an. Für Jack stand außer Frage, dass es wirklich wichtig sein musste, wenn der Präsident Jacks freiwillig gewähltes Exil störte.

      „He!“, rief er dem Piloten zu. Seine Stimme ging im Rotorenlärm fast unter. „Wo will mich der Präsident denn treffen? Fliegen wir direkt nach Washington?“

      Der Pilot schüttelte den Kopf. „Der Präsident befindet sich heute nicht im Weißen Haus. Wir fliegen direkt nach Camp David.“

      „Werden noch andere Personen dort sein?“

      „Negativ, Sir. Soweit mir bekannt ist, wünscht der Präsident eine private Unterhaltung mit Ihnen.“ Damit war das Thema für den Piloten beendet und er würdigte Jack keines Blickes mehr.

      Zwei Stunden später näherte sich der Helikopter seinem Ziel. Als die Maschine tiefer ging, erkannte Jack den geschichtsträchtigen Ort, den er noch nie zuvor besucht hatte.

      Camp David diente als Landsitz des amerikanischen Präsidenten und lag etwa fünfundsechzig Kilometer nordwestlich von Washington im Staate Maryland. Immer wieder war der Ort Zeuge zeithistorischer Treffen gewesen. Neunzehnhundertneunundfünfzig fanden hier Gipfelgespräche zwischen Präsident Eisenhower und Nikita Chruschtschow statt, die wesentlich zur Ost-West-Entspannung beitrugen. Einer großen Öffentlichkeit wurde Camp David ein Begriff, als dort der israelische Premierminister Menachem Begin und der ägyptische Staatspräsident Mohammed Anwar as-Sadat unter maßgeblicher Beteiligung von Präsident Carter über einen Frieden im nahen Osten verhandelten.

      Jack fragte sich einmal mehr, was der Präsident von ihm wollte. Was war so wichtig, dass er ihn per Helikopter nach Camp David bringen ließ?

      Der Pilot überflog eine Zufahrtsstraße, die von Eichen gesäumt wurde und steuerte direkt auf das mehrstöckige Hauptgebäude zu. Jack war etwas überrascht, als er sah, dass hinter den Gebäudetrakten eine F-14 Tomcat stand. Die Sache wurde immer mysteriöser.

      Der Pave Hawk setzte unweit des Haupthauses auf. Sofort stoppte der Motor und Jack war für den Augenblick der Ruhe dankbar.

      „Mister Reilly?“ Ein Mann vom Secret Service im dunklen Anzug öffnete die Tür. „Der Präsident erwartet Sie bereits.“

      Jack folgte dem Mann zu dem imposanten Anwesen, das nur wenige Schritte entfernt war. Sein geschulter Blick verriet ihm, dass noch weitere Secret Service Agenten an strategisch wichtigen Punkten platziert waren.

      Er folgte dem Mann und gemeinsam betraten sie das von außen eher schlicht wirkende Hauptgebäude. Sie passierten eine kleine Diele, deren Ausmaße einer kleinen Einzimmerwohnung glichen und traten in ein Konferenzzimmer, dessen Anblick Jack für einen Augenblick den Atem raubte.

      Jacks Schritte waren auf dem dicken Teppichboden nicht zu vernehmen. Und die Inneneinrichtung war luxuriös. Ein langer Konferenztisch aus Ahornholz, um den komfortable, lederbezogene Stühle standen, ein von Messinglampen flankiertes Sofa und eine große Mahagonibar mit einer schier unglaublichen Auswahl feinster Spirituosen.

      Jack konnte in diesem Augenblick Begin und Sadat vor sich sehen, wie sie mit Carter am Tisch saßen und über weltpolitische Dinge diskutierten.

      Dieser Raum strahlte Macht bis in den letzten Winkel aus. Dies wurde durch das überdimensionale Staatswappen unterstrichen, dem Weißkopfseeadler mit dreizehn Pfeilen und einem Ölzweig in den Klauen, das hinter dem Schreibtisch prangte und auch in die Sofakissen eingestickt, in den Eiskübel eingraviert und sogar auf die Glasuntersetzer aufgedruckt war.

      „Nehmen Sie bitte Platz, Jack. Der Präsident wird in wenigen Augenblicken hier sein.“ Etwas erschrocken fuhr Jack herum und sah, wie der Secret Service Mann das Zimmer verließ.

      Jack ging an die Bar und goss sich zwei fingerbreit Scotch ein. Er nippte an der sicher sündhaft teuren, goldschimmernden Flüssigkeit und fragte sich zum wiederholten Male, was der Präsident der Vereinigten Staaten von ihm wollte?

      Kapitel 5

       Camp David

      „Jack! Was für eine Freude, dich wiederzusehen“, sagte Spencer, während er Jack die Hand schüttelte. Sein Händedruck war fest und warm.

      Jack kämpfte einen Augenblick mit den Worten. „Mr. President, es freut mich...“

      „Lassen wir doch die Formalitäten, Jack“, fiel Spencer ihm ins Wort und deutete an, sich an den Konferenztisch zu setzten. „Ich kenne dich schließlich schon, seit du ein Baby warst. Warum solltest du mich also jetzt förmlicher behandeln?“ Jack folgte Spencer an den Konferenztisch und nahm neben ihm Platz. Spencer goss sich einen doppelten Wodka ein und fragte Jack, ob er auch noch etwas trinken wollte. Doch dieser deutete auf sein Glas und verneinte.

      „Wie geht es deinem Vater? Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört?“ Jacks Vater Jefferson war Besitzer einer renommierten Kanzlei gewesen und kannte Nathan Spencer aus seiner Zeit als Strafverteidiger in Miami.

      „Er lebt völlig zurückgezogen. Erst Mom`s plötzliche Krankheit und ihr schneller Tod und nur ein paar Monate später der Tod seines jüngsten Sohnes, das war einfach zu viel für ihn. Er igelt sich total ein und verlässt nur noch sehr selten das Haus.“

      „Aber du sprichst ihn doch hin und wieder?“

      „Selten. Das letzte Mal habe ich vor einem halben Jahr mit ihm telefoniert. Auch wenn er es nie zugeben würde, aber er gibt mir die Hauptschuld an Stephens Tod.“

      „Aber das ist doch völliger Unsinn, Jack. Und das weißt du ganz genau.“ Spencers Tonlage hatte sich kurz verschärft, um danach wieder sanfter fortzufahren. „Niemand kann dir einen Vorwurf machen. Du hast nur deinen Job getan.“

      „Das ist richtig“, pflichtete ihm Jack bei. „Aber Dad meint wohl, ich hätte besser auf ihn aufpassen, ihn beschützen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass er im Gefängnis vor die Hunde geht.“

      „Und was wäre die Alternative gewesen, Jack?“, fragte Spencer. „Hättest du die Beweise gegen deinen Bruder einfach unter den Tisch fallen lassen sollen? Ich glaube nicht, dass damit jemandem geholfen gewesen wäre. Außerdem war Stephen alt genug, um die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Gerade dein Vater müsste das als Anwalt doch wohl am besten wissen.“

      „Vielleicht ist das seine Art zu trauern und mit dem Verlust fertig zu werden. Im Prinzip hat er ja auch Recht.“

      „Und du glaubst, den Dienst zu quittieren und seitdem auf einer Farm im Nirgendwo zu leben, ist der richtige Weg? Jack, du bist noch nicht einmal Mitte Dreißig. Du warst einer der besten Computerspezialisten den die NSA jemals hatte. Willst du wirklich den Rest deines Lebens damit verbringen, für den Mist den dein Bruder gebaut hat, die Verantwortung zu übernehmen? Ich kannte Stephen nicht so gut wie dich, aber ich glaube kaum, dass er dies gewollt hätte.“ Jack spürte den durchdringenden Blick des Präsidenten. Für ihn gab es zu diesem Thema nichts mehr zu sagen. Auch wenn alle Welt ihm einreden wollte, dass er nichts für den Tod seines Bruders konnte, wusste er es besser. Schließlich hatte er ihn ins Gefängnis gebracht. Und er hätte auch wissen müssen, dass Stephen dieser Belastung nicht gewachsen war.

      „Möchtest du auch noch etwas zu trinken?“, fragte Spencer, der sich an der Bar noch einen weiteren Wodka eingoss.

      „Nein“, antwortete Jack.

      Der Präsident ließ sich mit einem Seufzer wieder auf den großen Konferenzstuhl nieder und wechselte abrupt das Thema.

      „Du fragst dich sicher schon die ganze Zeit, weswegen ich dich