Keine Mandarinen für Lucy. Chrissi Winterfeld. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chrissi Winterfeld
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847652519
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einfach selig an meiner Brust! Ich wusste genau, wenn ich sie jetzt in ihr Bettchen legen würde, dann würde sie noch ein paar Minuten schlafen und dann wieder nach mehr verlangen. Das zog sich so den ganzen Tag und die ganze Nacht hin. Mein Mann luscherte durch die Zimmertür und sah mich dort sitzen.

      „Pack sie doch in ihr Bett und lass sie einfach mal eine Zeit quengeln!“, verlangte er von mir. „Dann lässt du sie einfach mal ein wenig mit dem Trinken warten und das nächste Mal nimmt sie mehr zu sich. Wenn du das von jetzt ab weiter machst, dann bekommt sie immer mehr Zeit zwischen den Mahlzeiten und trinkt dann nach und nach zu jeder Mahlzeit mehr! Solange, bis sie einen menschlichen Rhythmus hat!“ Ich blitzte ihn wütend an. Ein wenig fühlte ich mich gekränkt. Nicht weil er dabei genervt guckte, sondern weil ich ganz genau wusste, wie Recht er hatte. Ich schaute auf unsere schlafende Tochter und bemerkte gar nicht, dass mein Mann mittlerweile neben uns stand.

      Er nahm unsere Tochter hoch und legte sie ins Bettchen.

      „Komm mit!“, flüsterte er „Ich will dir mal etwas zeigen!“ Er schob mich in Richtung Küche und stellte mich an der Spüle ab.

      „So!“, sagte er „Du kommst hier erst wieder raus, wenn die Küche blitzblank ist!“

      Ich glotzte ihn wohl an wie eine Kuh auf dem Glatteis, denn ich war völlig überrumpelt und sagte kein Wort. Er ging einfach raus und ich hörte, wie er die Tür abschloss!

      Wer ist sturer?

      Das war ja wohl eine Unverschämtheit! Ich hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür und schimpfte wie ein Rohrspatz. Aber er machte die Tür nicht wieder auf. Ich fing an zu weinen und zu betteln. Es nützte nichts, die Tür blieb zu! Dann hörte ich unsere Kleine weinen. Ich lauschte an der Tür und hörte, wie mein Mann beruhigend auf sie einsprach. Er schien sie hin und her zu tragen. Irgendwie kam dann mein Stolz durch. Ich dachte mir nur, dass er sich dafür um die Kleine kümmern müsse und er mal den lahmen Arm bekommen würde. Ich setzte mich auf einen Hocker und maulte und bockte wie ein Esel.

      Einen Kakao würde ich mir machen. Genau! Ich lasse mich doch zu nichts zwingen! Im Kühlschrank fand ich noch etwas Milch. Allerdings fand ich keinen geeigneten Topf. Wie auch! Es war ja alles schmutzig! Ich schaute mich in der Küche um und wurde immer kleinlauter. Oh Mann, wie sah es hier bloß aus? Die Schränke waren leer, die Arbeitsplatten voll. Einen Geschirrspüler und eine Mikrowelle hatten wir damals noch nicht. Ich gehörte auch zu den Müttern, die ihr Baby noch mit Mullwindeln und Moltontüchern wickelte. Die Kleine hatte auf Wegwerfwindeln mit Ausschlag reagiert und mir blieb nichts anderes übrig, als mein Baby so zu wickeln, wie man es schon seit tausend Jahren tat. Dem entsprechend hatte ich natürlich auch unheimlich viel Wäsche. So stand ich also in meiner Chaoten-Küche und nahm seit Monaten bewusst wahr, wie es eigentlich aussah! Draußen im Flur hörte ich die Schritte meines Mannes. Er lauschte nach mir genauso, wie ich nach ihm. Von der Kleinen hörte ich keinen Mucks.

      Ich kam hier nicht raus. Dann konnte ich eigentlich auch abwaschen... und ließ Wasser ins Becken. Wenigstens ein paar Teile könnte ich ja wegräumen. Ich fing also Schulter zuckend an und je mehr ich wieder freie Flächen auf der Arbeitsplatte sah, desto schöner sah meine Küche wieder aus.

      Ich war ziemlich gut voran gekommen, als ich das klägliche Weinen meiner Tochter vernahm. Oh Gott, Lucy! Aus dem Greinen wurde langsam ein Heulen. Ich bat meinen Mann darum, dass er die Tür öffnete. Aber er blieb stur! Ich hörte ihn leise singen. Unsere Kleine brüllte. Es riss mir fast das Herz aus der Brust. Apropos Brust, ich fühlte, wie mir die Milch einschoss. Es zog auf beiden Seiten und ich hatte das dringende Bedürfnis, meine Tochter anzulegen. Doch mein Mann blieb hart. So stand ich am Waschbecken und mir liefen die Tränen vom Gesicht. Mein Abwaschwasser wurde immer mehr! Ich dachte mir nur, je eher ich fertig bin, desto eher könnte ich hier raus! So legte ich einen Gang zu und unter Tränen füllten sich die Schränke und leerte sich die ollen Flächen. Ich schrubbte noch kurz den Herd und wischte die Schranktüren ab.

      Von meinem Töchterchen hörte ich seit einer halben Stunde keinen Laut mehr. Mir schoss durch den Kopf, das sie bestimmt schon tot sei. Umbringen würde ich ihn! Erwürgen! Sobald ich diesen Gedanken zuende gedacht hatte, wusste ich aber, dass das natürlich absoluter Unsinn war. Endlich war ich fertig. Die Küche war picobello sauber! Ich rief nach meinem Mann und versicherte ihm, dass ich alles geschafft hätte. Leise drehte sich der Schlüssel im Schloss. Ich wollte schon an ihm vorbei stürzen, als er mich am Arm zurück hielt:

      „Psst! Sei leise, Lucy schläft noch!“

      Ich traute meinen Augen kaum. Dieses kleine entzückende Baby lag völlig entspannt in ihrem Bettchen und schlief. Irgendwie hatte sie aufgegeben. Sie sah weder verweint, noch unglücklich aus. Ganz ruhig schlummerte sie und grinste im Schlaf. Und ich? Mir platzte bald der Busen!

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