Ingrid Neufeld
Das Wunschtraumhaus
Eine Zeitreisegeschichte für Kinder
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Inhaltsverzeichnis
Prolog
Unscheinbar und unauffällig duckte sich das kleine Haus in die großzügige Parklandschaft, so als wollte es gar nicht gesehen werden. Die in einigem Abstand dahinter stehenden Bäume bildeten mit ihrem dichten Grün eine undurchdringliche Hecke und schirmten es ab, wie eine Wand. Zu seiner Stirnseite spiegelte es sich in einem See. Seit rund vierhundert Jahren stand das Haus nun an seinem Platz, trutzig und unverwüstlich. Trotzdem hatten die Jahrhunderte ihre Spuren hinterlassen. Unter unzähligen Stürmen war der Putz abgeplatzt und die Mauern verfielen langsam. Fledermäuse hatten sich zeitweilig den Dachstuhl als Quartier ausgesucht. Vögel nisteten im Gebälk und verschandelten das Haus mit ihrem Dreck. Das ganze Häuschen bestand nur aus einem einzigen Raum, mit zwei Fenstern an jeder Breitseite. Ein früherer Besitzer hatte drei davon zumauern lassen. Nur ein Fenster gab es noch, das allerdings mit schweren Holzläden verschlossen war. Deshalb ähnelte das Haus einem Kopf ohne Augen, es war als hätte es kein Gesicht. Die alte Tür aus massivem Eichenholz quietschte in ihren Angeln und ließ sich nur schwer öffnen und schließen. Doch dem Haus fehlte noch mehr, als nur ein Gesicht. Ihm fehlte das Leben. Es war leer und unbewohnt. Dabei hätte es soviel zu erzählten gehabt. Seit Hunderten von Jahren verbarg es ein Geheimnis. Niemand ahnte etwas davon. Denn das baufällige Äußere erwies sich als gute Tarnung für etwas, von dem so viele Menschen träumten. Das Haus hütete dieses Geheimnis gut, noch nicht einmal der Graf, dem der Park samt dem Häuschen gehörte, ahnte etwas davon. Das Haus blickte in den See, der sein gesichtsloses Antlitz zurückwarf und sein Geheimnis teilte. Im dichten Schilf, das sich Halm an Halm bis zum Ufer ausbreitete, war es gut aufgehoben. Nur manchmal, wenn ein leiser Wind wehte, schien es, als würden es sich die Bäume untereinander zuwispern. Doch da war niemand, der es hörte.
Letzter Schultag!
„Peng!“ Knapp schoss die Kreide an meinem Kopf vorbei. Erschrocken riss ich mich von meinem Traum los. In meinen Tagträumen lag ich am Strand, die Füße im Meerwasser und das Gesicht in die Sonne gestreckt! Jetzt hatte mich die Wirklichkeit wieder. Statt am Strand saß ich in diesem langweiligen Klassenzimmer und sah mich nach diesem Volltrottel um, der mir meine angenehmen Gedanken missgönnte.
Frau Stumpf, die Lehrerin, stand vorne an der Tafel und schrieb gerade einen Satz hin. Sie hielt die Kreide noch in der Hand und hatte sie bestimmt nicht geworfen!
Empört schaute ich mich um. Jonas schnitt mir eine Grimasse und grinste frech. Na klar, er war der Kreidewerfer!
Ich streckte ihm die Zunge heraus und wandte mich ab. Heute am letzten Schultag wollte ich mich nicht mehr ärgern lassen.
Morgen begannen die Ferien und da wollte ich nur noch faulenzen und meine freie Zeit genießen.
Der Unterricht ging in die letzte Runde, trotzdem fragte Frau Stumpf die vier Fälle ab.
„In welchem Fall steht „das Haus“ in diesem Satz, Anna-Maria?“
Wieso wollte sie das gerade von mir wissen? Wo ich doch meinen Sender schon abgeschaltet hatte und ich voll auf Pausentaste stand. So hatte ich ihre Erklärungen auch nicht mitgekriegt.
„Was war das noch mal?“, flüsterte ich Jana, meiner Freundin und Banknachbarin zu.
„aschmgmmm.“, hörte ich. Doch das konnte nicht stimmen. Soviel wusste ich immerhin.
„Hab die Frage nicht verstanden“, zögerte ich meine Antwort hinaus.
Die Lehrerin seufzte, wiederholte aber geduldig ihre Frage.
Die Antwort wusste ich trotzdem nicht.
Flehentlich schaute ich zu Jana hinüber.
Warum musste das immer mir passieren? Es gab 28 weitere Kinder in dieser Klasse. Aber nein, sie fragte ausgerechnet mich, obwohl ich gerade im sonnigen Süden von Mallorca weilte. Gedanklich, versteht sich.
Jana formte ihre Hände zu einem Trichter und flüsterte lauter: „aschm…all“.
Hatte ich schon Meerwasser in den Ohren? Ich verstand kein Wort. Vielleicht lag es auch am allgemeinen Geräuschpegel. Heute am letzten Schultag nahm es keiner mit dem Aufpassen besonders genau. Die meisten Mitschüler hingen ziemlich teilnahmslos auf ihren Stühlen herum, schwätzten, kicherten und hatten den Kopf voll mit Dingen, die nicht in die Schule gehörten.
Hilflos zuckte ich mit den Achseln.
Jana wiederholte: „…er….all“
Da traf mich der Geistesblitz. „Im Wer-Fall natürlich.“, antwortete ich, als sei das das Selbstverständlichste von der Welt.
„Schön“, lobte mich Frau Stumpf. „Und wenn du mir jetzt noch den lateinischen Begriff dafür sagen kannst…“
Die hatte Nerven. Konnte ich natürlich nicht. Jetzt war ich so stolz darauf, wenigstens den Fall erkannt zu haben – und jetzt wollte sie das auch noch auf Latein hören!
Wir waren Grundschule, vierte Klasse. Wusste sie das nicht mehr?
Frau Stumpf zupfte ihren Rock zurecht und setzte sich die Brille wieder auf. Sie war kurzsichtig und brauchte ihre Brille, um auch die weiter weg sitzenden Schüler zu erkennen. Einmal haben wir ihr die Brille versteckt,