Belon-Austern. Jean-Pierre Kermanchec. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jean-Pierre Kermanchec
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847607908
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hast du die Handtasche schon auf Spuren untersucht?“, fragte Kerber seinen Kollegen Goarant, der mit der Spurensicherung beschäftigt war.

      „Du kannst die Tasche ruhig in die Hand nehmen, Ewen, ich habe sie mir schon angesehen. Ihre Papiere und die Geldbörse habe ich hier.“ Dustin zeigte zwei Plastiktütchen mit den erwähnten Inhalten.

      Ewen ging zu Dustin und nahm die Tüte mit dem Ausweis in die Hand.

      „Germaine Kerivel“ las er und stellte fest, dass sie aus Morlaix stammte. Er betrachtete das Bild auf dem Ausweis und sah dann auf das Gesicht der Frau vor ihm. Kein Zweifel, es handelte sich um Germaine Kerivel.

      Ewen nahm die Handtasche auf und sah sich den Inhalt genauer an. Es war eine recht teure Handtasche, die gut und gerne ihre 1500 Euro gekostet haben mochte. Sie hob sich deutlich vom Stil der Kleidung ab.

      Kerber war nicht der absolute Experte in Handtaschenfragen, aber er war doch schon etliche Male mit seiner Frau in Rennes gewesen und hatte, bei der Gelegenheit, die ausgestellten Waren in den eleganten Geschäften der Stadt angesehen. Carla besaß keine Tasche in dieser Preisklasse, aber sie war durchaus von den Handtaschen dieses Hauses begeistert.

      Im Innern befanden sich die üblichen Utensilien einer Frau. Lippenstift, Lidschatten, Parfüm, Deodorant, Taschentücher, ein Kugelschreiber, ein Spiegel, Kamm, diverse Schlüssel und eine kleine Haarbürste. Ewen zog den Reißverschluss der Seitentasche auf und entnahm ihm ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Als er es öffnete sah er, dass es sich um einen Einzahlungsschein bei der BNP Parisbas handelte, vom heutigen Tag.

      „Paul!“, rief er seinen Kollegen, der sich zuvor die Leiche angesehen hatte und nun dabei war, den Passanten zu befragen, der die Frau gefunden hatte.

      „Ewen, ich komme sofort!“, antwortete er seinem Kollegen und beendete das Gespräch mit dem Mann. Dann ging er zu Ewen Kerber.

      „Ewen, was hast du gefunden?“, fragte er seinen Freund.

      „Schau dir einmal diesen Einzahlungsbeleg an. Hier steht, dass die Frau am Vormittag, bei der BNP Paribas in Quimper, einen Betrag von 180.000 Euro eingezahlt hat. Wir sollten uns das Konto der Frau ansehen. Kannst du das erledigen?“

      „Geht klar, Ewen, aber wäre es nicht einfacher, wenn du Carla bitten würdest, nachzusehen? Immerhin arbeitet sie bei der Bank.“

      „Ich will es lieber auf dem normalen Dienstweg erledigen und Carla da raushalten“, war die Antwort von Kerber. Paul konnte Ewen durchaus verstehen.

      Ewen ging auf einen der Polizisten zu.

      „Ich möchte Sie bitten, die Betreiber der Marktstände zu befragen, vielleicht ist jemandem etwas aufgefallen. Alles kann von Bedeutung sein. Nehmen Sie sich noch einen Kollegen mit, und schicken Sie die Protokolle möglichst schnell ans Kommissariat, zu meinen Händen.“

      Der Polizist folgte der Aufforderung sogleich.

      Nachdem das Team der Spurensicherung die Arbeit beendet hatte und die Leiche in die Pathologie gebracht worden war, fuhren Ewen und Paul ebenfalls zurück ins Kommissariat.

      „Wir sollten uns die Wohnung der Frau ansehen. Vielleicht findet sich etwas Brauchbares.“ Ewen sah Paul an und sah seinen fragenden Gesichtsausdruck.

      „Die Frau wohnt in Morlaix, Ewen, das ist nicht unser Revier!“

      „Das ist mir wohl bekannt, aber gestorben ist sie hier in Quimper. Wir rufen die Kollegen in Morlaix an und bitten um eine Zusammenarbeit. Das dürfte kein Problem sein.“

      „Für dich, für mich und für die Kollegen in Morlaix sicherlich nicht. Aber was sagt unser OPJ Nourilly? Du kennst doch diesen vom Lachen befreiten, kleinkarierten Chef. Wenn wir ihm erklären, dass wir nach Morlaix fahren müssen, dann fragt er sofort nach den Benzinkosten für die 100 Kilometer.“

      „Lass mich das machen, das kriegen wir schon hin. Wir sollten morgen früh fahren.“

      Ewen Kerber ging in sein Büro, rief die Kollegen in Morlaix an und verabredete sich mit ihnen. Dann telefonierte er mit Nourilly und erklärte ihm die Situation.

      „Müssen Sie denn nach Morlaix fahren? Sie wissen doch, was uns das wieder kostet? Können Sie die Wohnungsdurchsuchung nicht den Kollegen in Morlaix überlassen und das ganze am Telefon klären?“

      „Nein, das kann ich nicht. Ich muss mir ein Bild von der Frau machen, von ihrer Wohnung, von ihrem Umfeld und auch von ihren Freunden und Bekannten. Sehr häufig handelt es sich um Beziehungstaten, und da ist der Täter durchaus im Bekanntenkreis zu suchen. Sie wissen doch, wie solche Verbrechen manchmal ablaufen.“

      „Also gut, wenn es denn sein muss, dann fahren Sie eben nach Morlaix. Sie müssen doch hoffentlich nicht auch noch dort übernachten?“

      „Ich werde versuchen, es zu vermeiden, Monsieur Nourilly. Vielen Dank für Ihre Kooperation.“ Ewen legte auf, mehr wollte er nicht erreichen.

      Kurz darauf klingelte das Telefon. Paul war in der Leitung.

      „Ewen, ich habe gerade von der BNP Paribas erfahren, dass das Konto unserer Toten einen Kontostand von 720.000 Euro aufweist. Die letzte Einzahlung über 180.000 Euro ist, wie du ja schon gesehen hast, am heutigen Morgen gewesen. Vor drei Monaten hat sie schon einmal 180.000 Euro einbezahlt. Vor zwei Jahren haben zwei Einzahlungen über jeweils 60.000 Euro stattgefunden und zwar im Mai und August, zusammen auch 120.000 Euro. Dann sind letztes Jahr im Juli und September jeweils 120.000 einbezahlt worden.“

      „Die Frau hat entweder jemanden erpresst oder betrogen, das Geld gestohlen, oder sie ist eine verdammt clevere Geschäftsfrau gewesen. Wir sollten alle Betrügereien und Erpressungen raussuchen, von denen wir erfahren haben. Vielleicht findet sich ja etwas Nützliches. An so etwas wie einen Banküberfall glaube ich bei der Frau nicht.

      Seltsam ist nur die Tatsache, dass sie alle Einzahlungen in der Filiale der Bank, hier in Quimper, getätigt hat. Da sie in Morlaix gewohnt hat, wäre es doch einfacher gewesen die dortige Filiale aufzusuchen oder nicht?“

      „Da stimme ich dir zu, Paul, das spricht aber dafür, dass mit den Einzahlungen etwas nicht stimmt. Wenn sie aus Morlaix stammt, dann hat sie ihre Kindheit dort verbracht, ist dort in die Schule gegangen und kennt viele Einwohner, und viele dürften sie kennen. In einer kleinen Stadt spricht sich schnell herum, wenn jemand so viel Geld besitzt, Bankgeheimnis hin oder her. Wenn sie vermieden hat, dass man ihr unangenehme Fragen stellt, über die Herkunft des Geldes, dann ist es schon besser gewesen, es nicht in Morlaix zur Bank zu bringen. Wir sollten uns unbedingt in ihrem Bekanntenkreis in Morlaix umhören. Nourilly ist einverstanden mit unserem Ausflug dorthin.“

      „Das hast du wieder gut hinbekommen, Ewen, also bis morgen früh.“ Paul Chevrier legte auf, und auch Ewen wollte den heutigen Arbeitstag beenden, als es an seiner Tür klopfte.

      „Herein!“, rief Ewen, während er die Schublade seines Schreibtisches verschloss.

      Dustin Goarant von der Spurensicherung trat ein.

      „Gut, dass ich dich noch antreffe“, sagte Dustin und verschloss die Tür wieder hinter sich.

      „Wir haben am Tatort noch dieses kleine Stück Folie gefunden. Es handelt sich um eine Bodenabdeckfolie, wie sie Gärtner benutzen. Man nennt sie auch Mulchfolie. Die Folie muss nichts mit der Toten zu tun haben, sie kann auch noch von den dort stattgefundenen Arbeiten stammen. Mir ist nur aufgefallen, dass sie neu aussieht, und die gröbsten Arbeiten wurden dort vor zwei Monaten abgeschlossen. Jetzt werden, wenn überhaupt noch, höchstens vereinzelte Ausbesserungsarbeiten durchgeführt.

      Dann habe ich bei der Durchsicht des Portemonnaies einige Dinge gefunden, die für euch vielleicht interessant sein könnten. Es hat sich kein Bargeld darin befunden, das könnte durchaus auf einen Raubmord hindeuten. Andererseits sind die Kreditkarten alle vorhanden. Darüber hinaus haben wir noch sieben Visitenkarten gefunden, darunter auch die eines nicht ganz unbekannten Herren.“

      Dustin reichte Ewen die sieben Karten, und der sah sie sich genau an. Obenauf lag die Karte von Guy de Moros, einem bekannten