Sieben Tage bis zur Hochzeit. Bettina Reiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bettina Reiter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738087420
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hielten jeweils ein Kristallweinglas mit dem Familienwappen in der Hand und klopften mit dem Löffel sacht dagegen. Cara, Mary, Mildred, Susan, Helen, Emma und Frida scheuchten ihren Nachwuchs hinaus, inklusive Ehemänner.

      „Geht zu den Schafen aufs Feld“, ordnete Cara an. Sie war mit fünfundvierzig die Älteste. Kinder nebst Ehemännern jubelten und sausten davon. Ray atmete tief durch.

      Sein Vater und Grant stellten gleichzeitig die Gläser auf den langen Eichentisch. Nicht umsonst nannte man sie hinter vorgehaltener Hand ´die zwei sizilianischen Patenˋ. Sie glichen sich nicht nur äußerlich mit ihrer korpulenten Figur, den zurückgegelten grauen Haaren, meist dunklen Anzügen und dem Erbring am kleinen Finger. Auch im Charakter unterschieden sie sich kaum. Beide waren hart wenn es um Geschäftliches ging, weich und nachgiebig sobald es die Familie betraf.

      „Setzt euch bitte, Kinder.“ Rays Vater und Grant deuteten auf die Stühle. Es dauerte, bis alle seiner Aufforderung gefolgt waren. Ein vertrautes Gefühl durchströmte Ray, während er die leere Bierflasche von sich schob. Wie früher hatten alle ihre alten Plätze eingenommen. Auch Tommy, der von Kindesbeinen an die Sommer hier draußen verbracht hatte. Oft hatten sie sich um diesen Tisch herum versammelt um zu essen, zu plaudern, zu streiten oder Spiele zu spielen. Fast glaubte Ray, das Lachen seiner Mutter zu hören.

      „Ich freue mich sehr“, begann Rays Vater, dessen Timbre dunkel und rau klang, „dass ihr unserer Einladung vollzählig gefolgt seid und ich möchte euch sagen, wie stolz ich bin.“ Nach der Reihe blickte er Rays Schwestern an, die mit sanft geröteten Wangen lächelten. „Cara, du bist meine Erstgeborene. Kaum haben die Wehen eingesetzt, warst du da. Nie werde ich diesen Moment vergessen, als ich dich zum ersten Mal im Arm hielt.“ Tränen glitzerten in seinen Augen. Du lieber Himmel, stimmte etwas nicht mit seinem Vater? War er krank? Ging es den Firmen schlecht? „Dann kamen deine Schwestern. Jede nach zwei Jahren, jede nach zwei Stunden. Mit einer Ausnahme: Frida, du bist Spitzenreiterin mit zwanzig Minuten.“ Die jüngste der sieben strahlte über das ganze Gesicht, während der Vater einen schnellen Blick mit Grant wechselte. „Raymond, du hingegen hast bereits bei der Geburt lange auf dich warten lassen. Diese zwanzig Stunden waren die längsten meines Lebens.“ Sein Vater lockerte die gelbe Krawatte. „Deine Mutter war zwar erschöpft, aber überglücklich und meinte, du wärst das schönste unter all ihren Babys.“

      Grinsend nahm Ray die finsteren Blicke seiner Schwestern zur Kenntnis und hob dann kurz die Schultern an. „Ich kann nichts dafür.“

      „Du hast dich ständig vor allem gedrückt“, warf Cara ihm prompt vor, die mit Vorliebe Petticoats trug wie auch Frisuren aus den 60er Jahren. „Entschuldige, Dad, aber musstest du das unbedingt sagen? Ray war bereits als Baby ein Player und ist es bis heute geblieben. Nun wird dein jüngster Spross seine Nase noch höher tragen.“

      „Cara hat recht“, mischte sich Frida ein und richtete sich den Rollkragen ihres grauen Kaschmirpullovers. Sie kaufte sich alles prinzipiell eine Nummer kleiner und verzichtete auf einen BH. Wollte man wissen welche Temperaturen vorherrschten, brauchte man ihr bloß auf die winzige Brust zu schauen. „Ray wurde immer verwöhnt, während wir von Mutter und dir ziemlich hart rangenommen wurden.“

      „Was euch gestärkt hat“, versicherte der Vater. „Jede einzelne von euch hat in unseren Firmen von der Pike auf gelernt, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Mittlerweile sind wir ein einflussreicher Familienbetrieb und ich freue mich, dass meine Töchter trotz Nachwuchs am härtesten von allen arbeiten. Auch meine Schwiegersöhne identifizieren sich mit unserem Unternehmen und verschaffen euch genügend Freiraum, damit ihr eurer Pflicht nachkommen könnt.“

      Weicheier, dachte Ray. Seine sieben Schwäger führten den Haushalt, kümmerten sich um die Kinder und waren Mitglied im Elternverein. Kein Leben, wie es ihm vorschwebte. Doch allmählich fragte er sich, worauf sein Vater hinauswollte.

      „Steve hat das große Glück, sieben gelungene Töchter zu haben“, ergriff Grant das Wort und lockerte seine grüne Krawatte, „die allesamt eine vorbildliche Ehe führen. Ich hingegen könnte jeden Tag weinen, weil mein einziger Sohn außer Essen und dem Herumlungern auf der Couch keine weiteren Interessen hat. Obwohl er Jura studiert hat und wir einen fähigen Anwalt bräuchten, zieht er es vor, von Beruf Sohn zu sein.“ Ach, um Tommy ging es? Ray lehnte sich zurück. „Schmarotzt sich auf meine Kosten durch das Leben und denkt nicht daran, sich jegliche Annehmlichkeiten selbst zu verdienen.“

      Tommy war mit jedem Wort blasser geworden. „Aber Dad, ich arbeite doch im Unternehmen.“

      „Arbeiten nennst du das?“ Speichel landete auf dem Tisch. „Du kommst und gehst, wann es dir passt.“

      „Hör auf zu grinsen, Ray“, forderte dessen Vater mit herrischem Ton, „dasselbe gilt auch für dich. Grant und ich haben es satt, euch durchzufüttern. Du bist ebenfalls Anwalt, mit einem verdammt guten Schulabschluss. Möchtest du dein Talent tatsächlich vergeuden? Wo sind deine Karrierepläne geblieben? Kommt endlich beide zur Vernunft und bringt euch im Unternehmen mit ein, sonst …“

      „Sonst?“, hakten Tommy und Ray gleichzeitig nach.

      Beide Väter verengten die Augen. „Sonst drehen wir euch den Geldhahn zu. Grant und ich möchten uns aus dem Geschäftsleben zurückziehen. Das bisschen Leben, das wir noch vor uns haben, endlich genießen. Schon lange träumen wir davon, mit unserem Segelboot eine Weltreise zu machen. Ende des Sommers stechen wir in See.“

      „So schnell?“, erschrak Mary und zog sich den silbernen Haarreif vom Kopf. Ihre Vorliebe galt der Esoterik und Woodstock. Felsenfest war sie davon überzeugt, zu dieser Zeit schon einmal gelebt zu haben. Deswegen führte sie eine offene Ehe und liebte Schlaghosen, Häkeljacken und weite Blusen. Mit ihrem blonden Lockenhaar war sie der Mutter am ähnlichsten. Die anderen hatten dunkleres Haar, doch die blauen Augen hatten alle von ihr geerbt. „Wie soll das funktionieren, Daddy?“

      „Mit euch im Boot und einem fähigen Kapitän am Steuer“, kam umgehend die gelassene Antwort.

      „Mit Kapitän meinst du hoffentlich nicht Ray“, stieß Frida aus und versuchte die Ärmel ihres Pullis zurückzuschieben, was misslang. Am Ärmelsaum wölbte sich die Haut, vermutlich ein Blutstau. „Dann werden binnen kürzester Zeit alle weiblichen Mitarbeiterinnen kündigen.“ Als benötige sie die Zustimmung der Schwestern, schaute sie eine nach der anderen an. Allgemeines Nicken war die stumme Antwort. „Wir haben viele Freundinnen verloren, weil dieser Nimmersatt alles vögelt, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.“

      „Also hör mal“, warf Ray ein.

      „Ist doch wahr!“ Frida griff zur Weinflasche auf dem Tisch. So schnell wie sie auf die Welt gekommen war, so schnell leerte sie alles Alkoholische. „Und was rede ich da? Selbst auf den Bäumen ist keine sicher vor dir. Ich wundere mich, dass du nicht regelmäßig im Leichenschauhaus aufschlägst, wo haufenweise devote Frauen herumliegen.“

      „Bewegen sollten sie sich schon. Außerdem, ich laufe keiner hinterher. Das habe ich nicht nötig. Immerhin nennen mich meine Verflossenen einen Sexgott.“ Alle am Tisch rollten mit den Augen. Ray zog grinsend die Zigarettenpackung aus seiner Hosentasche und schob den Aschenbecher zu sich.

      „Sexgott“, äffte Frida ihn nach. „Du bist ein Casanova der übelsten Sorte. Jeder versprichst du die große Liebe. Es gibt weder in Drogheda noch in Dublin ein Herz, das du nicht gebrochen hast.“

      Ray warf die Schachtel auf den Tisch, steckte sich die Zigarette in den Mund und zündete sie an. Das Feuerzeug steckte er in die Hosentasche zurück. „Du übertreibst“, er blies den Rauch aus, „jede alte Frau hat Ruhe vor mir und mit alt meine ich alles über fünfundzwanzig.“

      Plötzlich brach der Krieg aus. Ohne Punkt und Komma redeten seine Schwestern auf ihn ein. Nannten ihn unflätig, sorglos, Macho und zeigten mit dem Finger auf ihn. Dazwischen schenkte ihnen Frida ständig Wein nach und trank schließlich aus der Flasche. Sicher, Ray liebte seine Schwestern über alles, doch in diesem Moment hätte er sie kaltlächelnd umbringen können. Nie hatte er sich derart bloßgestellt gefühlt. Selbst von Tommy kam keine Hilfe, der in sich zusammengesunken auf dem Stuhl saß und vor sich