Sebastian Liebowitz
Kindsjahre
Heitere Geschichten
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Inhaltsverzeichnis
Eine Geschichte von Hasenzüchtern und züchtigen Hasen
Was zum Teufel heisst "untersetzt"?
Meisterdiebe und solche, die es werden woll(t)en
Rollenverteilung auf Liebowitz'sche-Art
Von Menschen und Mäuseschwänzen
Fernseher oder nicht fern-seher?
Brändl'sche Backpfeifen und andere regionale Spezialitäten
Du hältst dich wohl für stark, was?
Raketenhafter Aufstieg bei den Pfadfindern
Mission: "Such den Saufkopf"
Das erste Mal besoffen war ich mit vier Jahren.
Das tönt jetzt zwar hart, war aber so. Behauptete zumindest Mama, denn seltsamerweise kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern. Wenn man hackedicht ist, passiert das schon einmal.
Das wiederum behauptete Papa, und der musste es ja schliesslich wissen. Er war da nämlich so quasi Experte. Und eigentlich war er es auch gewesen, der damals Schuld an der ganzen Misere hatte. Wenn man mit vier Jahren sternhagelvoll ist, ist das nämlich kein Kindergeburtstag, um es mal so zu sagen.
Aber vielleicht ist es doch besser, wenn ich Ihnen die ganze Geschichte erzähle.
Für mich hat alles damit angefangen, dass unsere Familie in einen heruntergekommenen Schuppen im Dorfkern von Mels zog. Wenn Sie noch nie etwas von Mels gehört haben, ist das nicht weiter schlimm, weil bereits wenige Meter jenseits der Ortstafel selbst gebürtige Melser ins Grübeln geraten, wenn man sie nach dem Weg nach Mels fragt.
So heruntergekommen der Schuppen aber auch war, er hatte ein paar entscheidende Vorteile:
-Man hatte ein Dach über dem Kopf
-Er war nur einen Steinwurf von Baggerunternehmen entfernt, in welchem Papa als Baggerführer arbeitete (oder hätte arbeiten sollen).
Aber noch viel wichtiger war:
-Er lag genau gegenüber einer Kneipe.
Eine fast perfekte Lage also, wenn man Papa glauben mochte. Weniger perfekt für den Rest der Familie jedoch, wie sich bald zeigen sollte. Papa machte auf dem langen Weg von der Arbeit nach Hause - es mochten gut und gern 150 Meter gewesen sein - nämlich gerne ein wohlverdientes Päuschen in der Kneipe, um sich ausgiebig von seinem anstrengenden Arbeitstag zu erholen. Zudem musste ja auch der Flüssigkeitshaushalt wieder ins Lot gebracht werden. Die Baggerführerei ist schliesslich harte Arbeit, da schwitzt man viel und oft. Zwar nicht gerade Bier, aber wenn man vom Flüssigkeitsverlust geschwächt in die Kneipe torkelt, nimmt man in der Not halt, was man kriegen kann. Sowas darf man auch nicht überstürzen, beim schnellen Aufstehen wird einem sonst ja nur schwindlig. Also blieb man sitzen, bis Sperrstunde war, gerne auch noch ein bisschen länger, raffte sich ächzend auf (schwindlig war einem dann ja ohnehin), schleppte sich sturzhagelvoll nach Hause und pieselte dort erst mal gemächlich aus dem Schlafzimmerfenster. Auf unserem Plumpsklo stank es nämlich immer fürchterlich und da war es doch schon viel angenehmer, wenn einem beim Pieseln frische Nachtluft ins Gesicht blies. Und während man da so vor sich hin pieselte, wunderte man sich noch über die vielen, beleuchteten Fenster in der Nachbarschaft, bevor man besinnungslos ins Bett kippte. So kurz der Weg nach Hause nämlich auch gewesen sein mochte, der musikalische Nachtschwärmer brachte es immer fertig, ein Medley der gerade gehörten Schlagerhits in die paar Meter zu quetschen. Mit diesem grausigen Gejohle riss er dann unsere gesamte Nachbarschaft aus ihren Betten und sogar im Nachbardorf sollen ein paar, zugegeben hellhörige, Dorfbewohner aus dem Schlaf geschreckt sein. Es versteht sich von selbst, dass unter dem unfreiwilligen Publikum auch Papas Chef war, der auf dem Firmengelände wohnte. Der war, wie sich zeigen sollte, jedoch weniger musikalisch und fand erst wenig Gefallen an den nächtlichen Vorstellungen. Gut, später fand er noch weniger Gefallen daran, aber davon später mehr.
An eine Nacht kann ich mich sogar besonders