Sehnsucht nach südlicher Sonne und schönen Mädchen - Teil 1. Enno Woelbing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Enno Woelbing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742745279
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und ihr Beruf sie ebenfalls, aber sie war gerne Ärztin. Nur – viel Zeit hatten sie nicht füreinander. Ihr gemeinsamer Freiraum und ihr eigener waren nicht groß, aber das war immer so gewesen in ihrem Leben, in dem ihres Ehemannes, auch bei dem anderen, nicht. Alltag, ganz gewöhnlicher Alltag, zur Gewohnheit gewordenes Leben. Und sie würde damit zufrieden sein, wenn er es nur auch wäre. Aber er war es nicht und würde es niemals sein, weil er es nicht sein wollte. Da begab er sich in keine Wunschvorstellung hinein. Doch seinen Traum, seinen einzigen, würde er nicht aufgeben, und dessen Erfüllung erschien ihm nicht mehr illusorisch. In seinen Gedanken bewahrte er sich eine fanatische Chance.

      Seinen Beruf gab er gerne als Kaufmann und Finanzexperte an, und er entgegnete freundlich auf eine Frage.

      „Was verkaufen Sie?“ Das war die Frage.

      „Ich verkaufe Illusionen und Träume, aber ich finanziere sie nicht.“ Das war die Antwort.

      Das Geldwesen – die Vermögenslage – seiner Souvenir- Belletristik- und Touristikgeschäfte war in Ordnung. Chris war ein erfolgreicher Geschäftsmann, und das sah man ihm auch an, vor allem seinem Auto, welches zu Cindys Erstaunen auf ihren Namen gekauft wurde. Eine Art gesellschaftlicher Aufstieg in die so genannten besseren Kreise der Stadt ließ sich fast nicht vermeiden und die damit verbundenen Ausgaben auch nicht.

      In dieser Zeit lernten sich Chris und Timo kennen. Letzterer gehörte nicht den besseren Kreisen an. Er sagte selber von sich, dass er einen Asientick hätte, und das stimmte auch. Als junger Seemann war er in mehreren asiatischen Ländern gewesen. Es hatte für ihn festgestanden, dass nur eine Frau aus einem dieser Länder für ihn als Ehefrau in Frage kommen würde. Und tatsächlich war es auch so gekommen, aber erst nachdem er ein paar andere Ehen hinter sich gebracht hatte und schon mehrfacher Opa war. Seinen Traum, einmal in Asien zu leben, hatte er noch nicht aufgegeben, trotzdem lebte er immer noch in diesem Teil seines Landes, in welchem vor nicht langer Zeit die Menschen mit Dachlatten erschlagen worden waren, nur weil sie kein Geld für Bier geben wollten – das war der Grund für ihren Tod. Timo mochte das Land hier nicht, er hatte es nie gemocht und würde es nie mögen. Wiesen, ein paar Äcker, wenig Wald, viele Gräben und Flüsse und immer wieder Wiesen, große und kleine, die kleineren von Wallhecken umgeben. Die Dörfer waren sauber und ordentlich, trotzdem: er würde dieses Land hier nicht lieben, es auch nicht erlernen. Auch ihren starken tiefbraunen Tee, eigentlich hieß er schwarzer Tee und wurde fälschlicherweise immer als Schwarzer Tee – schwarz groß geschrieben – angepriesen, den mochte er auch nicht. Auch nicht mit Kandis und Sahne. Und das Wetter war meistens schlecht. Er war mit einer Philippina verheiratet und Vater einer wunderschönen Tochter – Lis – genannt nach seiner alten Tante Lisbeth. Ihre Mutter hieß Erlinda, alle sagten Linde zu ihr, doch mit den Eigenschaften, welche mit ihrem Namen verbunden sein sollten – lind, sanft und auch mild – hatte sie wenig gemeinsam. Am liebsten weinte sie von morgens bis abends, versuchte zwischendurch Streit zu machen und konnte und wusste alles besser als andere, die dann auch noch an allem die Schuld trugen. Reden konnte sie – reden, mein Gott, dass ein so kleiner Mensch soviel reden konnte. Dass ihr Unterkiefer sich nicht ausrenkte und sie in der Zunge keinen Knoten bekam dabei, grenzte wahrhaftig an ein Wunder. Aber sie war eine hervorragende Köchin und gute Liebhaberin. Nur – so oft hatte sie dazu keine Lust – zum Kochen wohl. Doch auf Wunsch vollführte sie vorm Schlafengehen im Schlafzimmer Südseetänze für ihren Mann. Gute sogar.

      Sie hatten sich im Sommer bei einer Grillparty kennengelernt, Chris und Timo. Mehrere Philippinas mit ihren deutschen und holländischen Ehemännern – ein Schwein am Spieß „litsön“ – und vielen asiatischen Spezialitäten; kochen und grillen in vollendeter Kunst, die nicht enden wollenden Gespräche der schwarzhaarigen Frauen in ihrer einigermaßen gemeinsamen Landessprache Tagalog: rappapapapp, rappapapapp und Lachen: viel Lachen. Die Kinder wurden mit wenigen Handbewegungen und drohenden Blicken zur Räson gebracht, was Timo veranlasste zu sagen, dass philippinische Mütter gefährlich seien. Dabei waren die Kinder nicht lebhafter und temperamentvoller als ihre Mütter es auch waren.

      Dieser blonde, lange Lulatsch gefiel Timo – er mochte Christ vom ersten Augenblick an. Frech und selbstbewusst, aber nicht überheblich; diesen Schwung hätte er selbst gerne besessen. Sie stellten schnell einige Gemeinsamkeiten fest: Sie lebten beide nicht gerne in diesem Land hier. Nicht nur wegen der Dachlatten. Auch Männer brauchen ihre Lieben, und sie waren sich darin einig, dass europäische Frauen zu lange Schamlippen hätten. Chris wollte mehr wissen.

      „Timo, wie bist du?“

      „Ich?“

      „Ja, du! Wie ordnest du dich ein?“

      „Wie ordnest du mich ein?“

      Timo war um etliche Jahre älter als Chris und wunderte sich ein wenig über die Fragen.

      „Ich bin ich; wie und was ich bin, ist außerordentlich unterschiedlich in meinem Leben.“ Chris lächelte und schien sich zu freuen.

      „Genauso ist es bei mir – aber mehr Lotterleben.“ Sie mochten sich beide und erzählten aus ihrem Leben. Chris war, und das erstaunte ihn selber, beeindruckt vom Leben seines neuen Freundes, der in seinem Leben, wie er sagte, über einige hohe Berge hinweg gemusst hatte.

      „Aber einer bleibt immer wieder übrig, und über den komme ich nicht weg, ein letzter bleibt immer übrig.“

      „Für mich gibt es keinen Berg und Berge schon gar nicht.“

      Der freundliche Sendemast unterstrich diese Aussage deutlich durch mehrere Signale zwischen die schwarzhaarigen Köpfe. Cindy kam zu den beiden.

      „Du bist Timo. Linda hat von dir erzählt.

      Er sah zu ihr herüber. Ihr Mund stand mal wieder nicht still, und an ihrer kleinen Tochter meckerte sie auch noch ständig herum. Cindy hängte sich an einen Arm ihres Mannes und lachte ihn an. Und der wusste noch nicht, dass er noch einen gewaltigen Berg vor sich hatte. Er war noch einmal erstaunt darüber, dass er merkte, eine Freundschaft geschlossen zu haben. Ganz erstaunlich, sehr sogar, denn damit ließ er sich sonst immer mehr Zeit, viel mehr Zeit. Er blickte freundlich lächelnd um sich – mal sehen! Er war mit etlichen Hochschulabsolventen befreundet – Arzt, Ingenieur, Kapitän, Architekt, Lehrer, Gastronom, Diplomkaufmann – sogar mit den Frauen einiger dieser Herren. Der Ingenieur von ihnen lebte nicht mehr. Er war mit seinem Sportflugzeug und einem anderen Freund nach einer nächtlichen Feier tödlich abgestürzt. Es wurde erzählt, dass er bei der Landung das ruhige Wasser des Flusses hinter der Stadt vielleicht mit der Landebahn verwechselt hätte. Chris hatte Glück gehabt, denn zuerst war vorgesehen gewesen, dass er mitfliegen sollte. Trotzdem – vor der beeindruckenden Kulisse der verbliebenen Garde seiner Freunde nahm sich Timo als einfacher Handwerksmeister, der in einer Maschinenfabrik in einer anderen Stadt arbeitete und nur an den Wochenenden zu Hause war, recht bescheiden aus.

      Aber das brauchte ja nicht so zu bleiben. Es blieb auch nicht so. Timo hatte viele Freunde.

      Cindy spürte, dass sie etwas tun musste. Sie hatte begonnen, den natürlichen, und wie sie meinte, auch legitimen Anspruch – von einem Mann behütet und beschützt zu werden – aufgegeben. Er, der Anspruch, schien sich in ihrer Ehe mit Chris ins Gegenteil zu wenden. Ihr machte dieser Gedanke keine Angst, sie lächelte trotz einer Sorge dabei – so würde sie auf diese Weise auch eine Art Mutter sein. Für die vielen Kinder, die sie betreute und von denen einige ihr das Leben verdankten, war sie es ohnehin schon. Auf eines mehr oder weniger würde es nicht ankommen, schließlich war sie Fachärztin der Pädiatrie, und Chris mochte Kinder ebenfalls. Er wollte gerne mit ihr in ihre Heimat, ihre große Familie dort kennen lernen und endlich zu einem Riff hinuntertauchen.

      Cindy wollte alle möglichen Probleme, die es für ihn durch den Kultursprung, so nannte sie für sich diese Reise, geben könnte, vermeiden und begann mit der Planung eines Urlaubs in Südamerika. Quasi auch als Vorbereitung für die Reise in ihre Heimat – gewissermaßen, sozusagen. Nach philippinischem Recht war sie immer noch gesetzlich mit dem Inder verheiratet, ihr Staat erlaubte keine Scheidung, nur Getrenntleben war möglich – ohne jeden Anspruch für Frau bzw. Kinder. Bei einem Besuch könnte es große Schwierigkeiten geben, man sagte, bis hin zu einer Gefängnisstrafe. Die Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit befreite von