Sehnsucht nach südlicher Sonne und schönen Mädchen - Teil 1. Enno Woelbing. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Enno Woelbing
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742745279
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gewöhnlich vom Dienst nach Hause gekommen, versuchte sie im Garten in irgendeinem schon blattlosen Strauch die Zaunkönige zu entdecken. Sie stand am Fenster, Nina sah sie von unter her an. Es war kein Zaunkönig da. Eine Schar Spatzen flatterte auf dem Rasen und in den Sträuchern herum. Ihr fröstelte, die Wärme des Sommers war lange dahin, das Haus musste schon gewärmt werden. Sie brauchte nicht lange zu analysieren und an einer Diagnose herumzudoktern – sie wusste, was ihr fehlte – Wärme, die Wärme, die durch Zärtlichkeit entsteht. Gut, die Zärtlichkeit und Rücksichtnahme, die einer werdenden Mutter entgegengebracht wurde und von der sie wusste, weil täglich beobachtet, diese würde sie nicht bekommen. Aber, ja, aber was und wie? Pünktlich einmal im Monat kommt das Erlebnis der großen Enttäuschung und der Mangel an Befriedigung. Cindy wusste nicht, ob sie es laut gesagt oder nur stumm gedacht hatte: Sie wollte in kein großes Loch fallen, nicht wieder, sie kannte es von früher. Sie kannte aber auch den Spruch, dass nur derjenige das Glück bekommt, der seinen eigenen Wünschen und seinem Herzen folgt. Und das wollte sie tun.

      Als Chris nach Hause kam, war es schön warm im ganzen Haus. Aus der Küche roch es gut, und Cindy duftete besonders gut. Sie sah auch besonders gut aus. Nach dem Essen tranken sie Wein und hörten Musik, Lieder ihrer Heimat. Chris hörte sie gerne und genoss die heimelige Stimmung des Zusammenseins an diesem späten Abend. Er saß zurückgelehnt mit geschlossenen Augen im tiefen Sessel, Nina lag daneben, und Cindy kniete vor ihm, seine Knie umklammernd. Er ließ sie schmusen, sich streicheln und begann zu träumen als sie seine Beine auseinanderdrückte und seine Hose öffnete. Er träumte, und ein Lächeln spielte um seinen Mund, von einem Stern, der irgendwo da draußen am Nachthimmel strahlte und drückte mit einer Hand auf das herrliche, schwarze Haar seiner Frau zu den rhythmischen Bewegungen ihres Kopfes in seinem Schoß, mit der anderen Hand streichelte er den Hund.

      Cindy tat, was sie im Herzen spürte und ersehnte, sie folgte ihren Wünschen – aber sie bekam kein Glück. Sie folgte viel mehr seinen Wünschen. Reden konnte sie mit ihm, sie hatten sich sogar viel zu sagen, doch ihre Herzen berührten sich nicht. Was, ja was, fragte sie sich schon fast verzweifelt, was sollte sie davon halten, dass er sie fragte:

      „Hast du keine beste Freundin zum Ausweinen? Du zweifelst an meiner Zuverlässigkeit. Du wünschst dir einen Mann mit breiten Schultern zum Anlehnen und einen Mann mit ordentlichen Zukunftsperspektiven. Beides habe ich. Du vermisst mein partnerschaftliches Denken, das ich nur bedingt besitze und das von bestimmten Voraussetzungen abhängig ist. Du vermisst auch gemeinsame Unternehmungen und sei es nur bei der Hausarbeit, und wie Sex ist, weißt du oft längere Zeit nicht. Ändern! Leben heißt auch ändern.“

      Cindy hatte keine beste Freundin in der Nähe, sie hatte überhaupt keine mehr. Luzie war in Amerika. Venus war verschwunden, müsste aber noch im Lande sein. Sie beschloss sie zu suchen und bat Chris, ihr dabei zu helfen. So einfach war das. Chris verzog keine Miene.

      „Venus? Meinst du, dass du sie brauchst? Sie zu finden wird nicht einfach sein. Ich kenne nicht ihren neuen Familiennamen.“

      Es wurde auch nicht einfach. Diesem legitimen Auftrag, dieser Bitte oder Aufforderung nachzukommen, bedeutete eine zusätzliche Belastung – reisen, fragen, immer wieder von vorne beginnen, auch wenn die Arbeit für die Geschäfte etwas vernachlässigt zu werden begann. Die Ehrlichkeit spielte keine große Rolle, das Verstecken der Suche war nicht mehr nötig, denn wenn Chris etwas nicht mochte, waren es Lügner und Schleimer.

      „Ich hasse Lügner und Schleimer.“

      Das hatte er einmal einem befreundeten Geschäftsmann gesagt, der seine Frau schlug, betrog und beides für gut und richtig hielt. Als der ihn frage, „und wen liebst du?“, hatte er die Freundschaft beendet. Die Betonung hatte auf dem Wort ‚liebst’ gelegen. Es war eine Situation, in der eigentlich nichts geschah trotz der herbeigeführten Spannung, und Cindy kam es vor, als ob sich ihr Mann absichtlich in Stress begab, um nicht sexuell erregt zu werden. Ja, eine Situation, in der nichts geschah. Chris’ fröhliche Freundlichkeit war mehr und mehr verschwunden. Zwei Jahre waren seit ihrem letzten Urlaub vergangen. Noch länger ließ sich eine Reise in ihre Heimat nicht hinauszögern. Cindy kam sich vor wie auf der Flucht, auf einer Flucht vor etwas, was noch gar nicht stattgefunden hatte. Ihr war das Kuriose dieses Gedankens durchaus bewusst, sie kannte ihre Heimat, und sie glaubte Chris zu kennen. Nicht alle Männer, die in ihre Heimat fuhren, waren wie Timo, Linda wusste überhaupt nicht, was für einen treu sorgenden Ehemann sie hatte. Ein möglicher und von ihr befürchteter Kulturschock war nicht der Grund ihres ständigen Hinauszögerns dieser Reise gewesen. Es war ihr eigener möglicher Schock durch eine mögliche Untreue. Wie gesagt – Cindy kannte ihre Heimat, und Chris würde sie auch kennen lernen – kennen lernen – aber wen?

      Ihr Vorschlag zu dieser Reise überraschte ihn freudig. Sie sah es ihm an, und andere sahen es auch. Die ständige Anspannung bei ihm ließ nach, seine Augen strahlten wieder, wenn auch noch nicht so oft wie früher, über die Brille von oben herunter, auch auf Cindy. Sein in letzter Zeit fast ständig viel zu niedriger Blutdruck im Wechsel mit gelegentlich viel zu hohen Werten hatte nicht nur zu schrecklichen Stimmungsschwankungen geführt. Cindy befürchtete bei länger anhaltendem Verlauf dieser gefährlichen Unregelmäßigkeit eine Störung der Harmonie in der Wechselbeziehung des Körpers und der Psyche, bis hin zu einer möglichen Veränderung des Charakters. Schließlich war sie Ärztin. Obwohl sie das letztere befürchtete … gut, gut, sie würde alles, was während des Aufenthaltes in ihrer Heimat zu tun hatte, genau beobachten, und schließlich hatte sie auch Brüder. Und in ihre gedankliche Vorbereitung kam ihr ganz unvermittelt eine Idee. Sie kam, als sie sich ihren kleinen dünnen Vater vorstellte, wie er neben Chris stehen würde.

      „Chris, mein Junge, wie war dein Vater, wie sah er aus? Erzählst du mir von ihm?“

      Die Frage überraschte ihn, doch ihr Interesse an einem Mitglied seiner Familie war ihm angenehm, wie es schien. Er lächelte.

      „Ich habe nicht nur einen Teil seines Vermögens, ich habe auch seine Intelligenz geerbt.“

      Chris lächelte immer noch.

      „Nach meiner Kenntnis als Medizinerin ist Intelligenz das einzige geistige Erbgut, welches genetisch weitgehend festgelegt ist. Bei Charaktereigenschaften kann es so nicht gesagt werden.“

      Cindy hätte sich nach dieser gelehrten Aussage am liebsten auf die Zunge gebissen, aber es war gesagt. Sie hatte beileibe nicht daran gedacht, ein Verhör zu beginnen. Aber genau das empfand ihr Mann. Er lächelte nicht mehr und als sie unsicher lehrhaft fortfuhr, „das hängt auch weitgehend von der Prägung in der frühen Kindheit ab“ und weitersprechen wollte, „dein Vater …“, da unterbrach er ihre Ausführungen. Mit diesem ernsten Gesicht, fast starr mit zusammengezogener Stirn und schmalem Mund hatte sie ihn noch nie gesehen. Bisher war er ihr oft eher etwas infantil erschienen. Seine Augen waren kaum unter den Wimpern zu erkennen, als er antwortete:

      „Ich bin nicht mein Vater, und nach meinen Kenntnissen lässt sich ein Mensch nicht nach seinen Genen beurteilen, sondern nach seinem emotionalen Fluidum. Wer gab dir die Idee zu diesem Verhör?“

      „Chris, ich …“, sie wusste nicht weiter.

      „Ich habe seine Intelligenz ganz legal von ihm geerbt, meinetwegen auch übernommen, und ich bin stolz darauf, ohne ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit überprüfen zu müssen.“

      Au ha! Sie sah ihn überrascht, mehr als nur das, sie sah ihn fast ungläubig und erstaunt an.

      „Es so zu sagen, hast du mir nicht zugetraut.“

      Sein Gesicht wurde wieder freundlicher.

      „Zuletzt war er ein müder alter Mann, aber er war zeit seines Lebens ein begehrter Mann, bei vielen Frauen gewesen und öfter verheiratet als unser Freund Timo. Aber ganz bestimmt aus anderen Gründen. Er mag ein Narziss gewesen sein, aber niemals ein Autist.“

      Chris grinste – ein Gesichtsausdruck, den viele als ein besonderes Lächeln bei ihm ansahen. Er wusste genau, dass er ganz persönlich davon profitierte, da Cindy keine Kinder hatte – er war ihr großer Junge, und Cindy hatte sich ihre Vorbereitung auf die Riese anders vorgestellt. Ihre Idee war wohl doch nicht so gut gewesen. Sie verspürte stärker als bisher eine plötzlich auftretende