Zwerge der Meere. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742749567
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      „Das tut er nicht, Heimur Sichelhieb“, sagte Varnum beschwichtigend und schloss die letzten Riemen und Schnallen seines Tauchanzugs. „Er ist einfach besorgt um meine Sicherheit.“

      „Dann soll er auf Pumpe und Schlauch achten“, brummte Heimur. „Zumal du nun einen neuen Schlauch hast, der sich erst bewähren muss.“

      „Ich werde meine Arbeit schon machen“, knurrte Oldrum.

      „Und du willst nochmals in denselben Suchstreifen, den wir gestern schon begingen?“ Der alte Schürftaucher legte seine roten Haarzöpfe mit den schwarzen Alterssträhnen in den Nacken und verknotete sie.

      „Ja, in denselben Streifen.“ Auch Varnum verknotete nun seine Zöpfe. „Ich glaube, ich habe dort etwas gesehen, kurz bevor die Dornfische angriffen.“

      „Hm.“ Heimur nickte. „Ich hoffe, deine Augen haben dich nicht getäuscht und wir finden etwas Wertvolles. Der gestrige Tag war ein ziemlicher Reinfall.“

      Wenig später schlug das Wasser über ihren Glashelmen zusammen. Die anderen Schürfer waren bereits bei der Arbeit. Einen letzten Tag hatte Birunt Hammerschlag der bisherigen Schürfgrube zugestanden. Fand man auch heute nichts, würde man die Stelle aufgeben. Da die Sucher am vorherigen Tag nichts Lohnenswertes entdeckt hatten, schufteten sie mit den anderen in der Grube. Nur Heimur und Varnum waren davon ausgenommen, da der junge Schürfer an jene Stelle zurück wollte, an welcher er den seebestatteten Zwerg gefunden hatte. Zu gut hatte sich ihm das verheißungsvolle Blinken eingeprägt, das er an jener Stelle gesehen hatte. Oder wenigstens glaubte, gesehen zu haben. Er wollte Gewissheit und da kein Zwerg der Meere über einen guten Fund im Ungewissen bleiben wollte, hatten Heimur und Birunt zugestimmt, dort erneut zu suchen.

      Oben, an der Oberfläche, standen ein paar Wolken am Himmel und der junge Schürfer war immer wieder fasziniert, welche Auswirkungen Sonne, Wolken und auch Regen auf das Leben unter Wasser hatten. Die golden und silbern gleißenden Reflexe der Wasseroberfläche, die Schatten und Lichter, die über den Meeresgrund zu huschen schienen, gepaart mit der Farbenpracht der Pflanzen und Fische.

      Die beiden Zwerge stapften nebeneinander über den Grund. Zwei kleinere Krebse nahmen hastig Reißaus, eine kleine Gruppe Regenbogenfische ballte sich schützend um ein paar Jungfische zusammen. An einer anderen Stelle hatte ein Stechling eine Muschel zwischen abgestorbene Korallen getrieben, sie dort eingekeilt und stach mit seinem scharfen Maul immer wieder zwischen die Schalen der Beute, um sie zu öffnen und an das weiche Innenleben zu gelangen. Auch die Zwerge schätzten im Allgemeinen den Genuss von Muscheln, Varnum konnte dem glibberigen Zeug jedoch nichts abgewinnen.

      Er legte seine Hand an den Arm des älteren Schürfers, der sich ihm zuwandte, und wies zu der Stelle. Die Überreste des Zwerges waren undeutlich zu erkennen und Heimur reckte zur Bestätigung die Faust nach oben. Vorsichtig gingen sie weiter. Einmal strauchelte der alte Schürfer, als abgestorbene Korallen unter ihm nachgaben, aber er fing sich und sein Schlauch erlitt keinen Schaden.

      Varnum deutete auf die Schramme, die Heimur sich zugezogen hatte. Sie blutete und das war gefährlich, denn die Räuber der Meere witterten jeden Hauch davon schon aus großer Entfernung. Erneut nickte der Schürfer und nestelte an seinem Werkzeuggürtel, um die fettgetränkte Binde hervorzuholen, die jeder Schürfer bei sich trug. Varnum half ihm, sie anzulegen und den Knoten gut festzumachen. Heimur stapfte einige Male mit dem Fuß auf, reckte die Faust hoch und sie gingen weiter.

      Schließlich erreichten sie die Stelle und der alte Schürfer verharrte einen Moment respektvoll vor dem Toten, bevor er Varnum folgte, der ein Stück weiter gegangen war.

      Hier, ganz in der Nähe, hatte Varnum das Glitzern gesehen. Er hoffte, dass seine Augen ihn nicht enttäuscht hatten und suchte den Boden sorgfältig ab. Zentimeter um Zentimeter, damit ihm nichts entging. Er wollte sich schon enttäuscht abwenden, als er den Schimmer wieder sah. Erregt schritt er näher, spürte den Zug des Luftschlauches. Dort vorne, nur wenige Schritte entfernt, fast verdeckt von blühenden Korallen.

      Als Varnum sein Ziel erreichte, konnte er kaum glauben, was er da vor sich sah. Vielleicht war es nicht der Goldene Grund, aber es war verdammt nah daran. Ein Fund von ungeheuerem Wert.

      Der Meeresboden fiel hier ein Stück ab, ein Graben zog sich zwischen den Korallen entlang und in diesem Graben erhob sich der gewaltigste Kristallstock, den Varnum jemals gesehen hatte. Fünf Säulen aus schimmerndem Weißkristall, die Blüte des Stocks, und in ihrer Mitte ragte eine sechste Säule auf, eine Säule von immensem Ausmaß.

      Er spürte kaum, wie Heimur Sichelhieb neben ihn trat und sah den alten Schürfer erst an, als der ihm mehrmals auf die Schulter schlug. Durch den Helm war das breite Grinsen Heimurs zu sehen, der mit der Hand nach oben wies, in Richtung der Stadt. Es fiel Varnum schwer, sich von dem Anblick zu lösen, aber der alte Zwerg wies erneut nach oben und schließlich reckte der jüngere zögernd die Faust nach oben.

      Die anderen Zwerge auf der Plattform waren sichtlich überrascht, die beiden Schürftaucher so schnell wiederzusehen. Aber jeder Gedanke an Gefahr wurde zur Seite geschoben, als sie die strahlenden Gesichter unter den Helmen erkannten. Rasch zog man Heimur und Varnum auf die Plattform und öffnete ihre Helme.

      Birunt Hammerschlag sah sie erwartungsvoll an. „Ihr beiden seht aus, als hättet ihr endlich den Goldenen Grund gefunden.“

      „Nah dran, nah dran“, keuchte Heimur etwas kurzatmig. „Vielleicht nicht der Goldene Grund, aber ich sage dir, Birunt, alter Freund, wir sind verdammt dicht an ihm dran.“

      In Birunts Gesicht zeigte sich Anspannung, während er erregt an seinen Bartzöpfen zupfte. „Erzähle.“

      Heimur schüttelte den Kopf und wies auf Varnum. „Diese Ehre gebührt dem Finder.“

      Der junge Schürfer errötete ein wenig, denn ihm war bewusst, was der Fund für den Clan der Eldont´runod bedeutete. Nie zuvor war ein solcher Fund gemacht worden.

      „Eine Säule aus weißem Kristall, Schlagführer. Mindestens zwanzig Meter hoch und zwei im Durchmesser.“

      „Unmöglich“, ächzte Birunt. „So etwas gibt es nicht.“

      „Dort unten steht sie“, bestätigte Heimur grinsend. „Dazu noch fünf Säulen mit dem halben Maß.“

      Birunt schüttelte benommen den Kopf. „Du bist dir sicher, Heimur? Deine Augen sind nicht mehr die jüngsten, wie du selber sagst.“

      „Weißer Kristall, schimmernd und ohne jeden Makel.“

      Birunt wirbelte herum. „Bringt mir meinen Anzug und den Helm. Dieses Wunder muss ich mit eigenen Augen sehen.“ Er sah Varnum freudig an. „Wenn es so ist, und ich zweifle noch immer, dann hast du dir deinen zweiten Namen verdient, Schürfer Varnum.“

      Als der alte Schlagmeister ins Wasser eintauchte, wurde er von mehreren anderen Schürfern begleitet. Varnum saß noch immer auf der Plattform und löste in Gedanken versunken die Riemen und Schnallen der Tauchrüstung. Der zweite Name! Sollte es möglich sein, dass er ihn erhielt, weil er diesen Fund gemacht hatte? Sollte er durch den weißen Kristall in den Kreis der ehrwürdigen Schürfer aufsteigen, das Recht der Ehe erhalten? Besana…

      Mochten die aufgeregten Männer auf den Plattformen nun auch vom Goldenen Grund träumen, Varnums Gedanken weilten ganz woanders.

      07 Massaker in Benderskart

      Es war ein guter Handel für Fennegman und die anderen Fischer gewesen und wieder einmal bedauerte der kleine Mann, dass ein so guter Handel anderntags mit einem so schmerzenden Schädel bezahlt werden musste.

      „Sere Fennegman, wenn du glaubst, ich lasse dich so aus dem Haus gehen, dann hast du dich getäuscht.“ Henafraws Stimme duldete keinen Widerspruch und obwohl sie die Lautstärke kaum gehoben hatte, verzog der kleine Mann schmerzlich das Gesicht. „Du stinkst nach Bier und an deinem schönen Bart kann man die Anzahl der Gläser erkennen.“

      Da hatte sie durchaus recht, wie Fennegman betrübt feststellte. Aber den Bart