Patrick und die rote Magie. Peter Schottke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schottke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783738009378
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ist?”

      Die Fee schaute nur kurz über die Schulter, um sich klar zu machen, was er meinte. „Natürlich. Ich war schon mitten im Kampfgeschehen.”

      „Tatsächlich?”

      „Oder sagen wir: darüber.”

      Patrick betrachtete den deformierten Gaul. „Schon klar. Sie waren der Punkt am Himmel. Was haben Sie mit dem armen Vieh angestellt?”

      „Erkläre ich später. Ah!” Sie war in der Hosentasche fündig geworden. Ihre Augen weiteten sich.

      „Was ist?” Patrick bog den Hals seitwärts nach unten, um einen Blick auf Pryssalias Fund zu erhaschen. In den Händen der Fee glitzerten bunte Steine in allen Regenbogenfarben.

      Pryssalias Stimme klang heiser. „Wo hast du die her?”

      „Aufgesammelt, beim Gnomenherrscher. Aus Notwehr. Haben Sie das Messer?”

      „Nein.” Die Fee kramte weiter in seiner Hosentasche. Weitere Edelsteine kamen zum Vorschein, kleine und größere, und dann …

      Patrick sah das Gesicht der Fee erbleichen. Sie hielt ein Objekt in der Hand, größer als die meisten dieser Steine, doch immer noch klein wie eine Walnuss. Es war grau und hatte nach außen gewölbte Zacken wie metallische Blütenblätter. Das Ding kam ihm bekannt vor, aber wo hatte er es schon mal gesehen?

      „Was ist?”, fragte er.

      Pryssalia schluckte. „Nichts”, sagte sie und beförderte endlich Patricks Taschenmesser ans Licht. Die Steine und das kleine Objekt verstaute sie sorgfältig wieder in seiner Tasche. „Pass gut darauf auf.” Dann versuchte sie das Taschenmesser zu benutzen. Erst entklappte sie die Nagelfeile, dann den Korkenzieher, aber beim dritten Versuch war die große Klinge einsatzbereit.

      Vier, fünf energische Schnitte. Patrick rechnete mit behandlungsbedürftigen Wunden, doch als die Fesseln von ihm abfielen, tastete er sich ab und erkannte, dass er unversehrt war.

      Unten im Tal tobte der Kampf.

      Patricks Magen krampfte sich zusammen. „Nichts wie weg hier.”

      Pryssalia trippelte zu ihrem seltsamen Reittier. „Was meinst du damit?”

      Patrick spuckte wütend aus. „Ich hab’ genug von alledem! Dauernd gerate ich in Gefahr! Dauernd werde ich angegriffen und festgenommen! Dieses Land ist idiotisch! Gnome! Zwerge! Bolde! Schrate! Musikatzen! Die sind hier ja alle nicht normal!”

      Die Fee sah ihn ernst an. „Patrick, du solltest deine Worte nicht zu voreilig wählen.” Sie stieg auf den Rücken des Gauls und forderte ihn auf, es ihr nachzutun.

      „Bringen Sie mich nach Hause?”

      Der Gesichtsausdruck der Fee wurde härter. „Nein. Wir fliegen nach Winzlingen.”

      Patrick japste. „Ins Kampfgetümmel?”

      Sie nickte. „Dorthin, wo wir gebraucht werden.”

      „Kommt nicht infrage!” Patrick trat zurück und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Die Schlange ließ ein empörtes Zischen hören; schnell lockerte Patrick den Griff.

      Pryssalia zog am Zügel des geflügelten Flossengauls. Das Tier bäumte sich auf. „Steigst du jetzt auf?”

      Und jetzt war es ihm endgültig zu viel. „Ich denke nicht daran!” Er machte ein paar energische Schritte von ihr fort. „Ich habe lange genug mitgemacht in eurem komischen Märchentheater! Mich geht das hier alles nichts an! Macht es unter euch aus! Ich verabschiede mich! – O nein, nicht nötig, keiner muss mich hinausbegleiten, ich finde schon den Weg!” Er stapfte entschlossen die Hochebene aufwärts.

      „Bist du sicher?”, ließ ihn die Stimme der Fee innehalten.

      Patrick gab sich einen Ruck. „Aber klar”, behauptete er. „Ich kenne mich inzwischen aus, das können Sie mir glauben.” Er bückte sich und hob das längste Stück des Seils auf, mit dem die Wachen ihn festgebunden hatten. „Die Grenzschlucht? Pah! Spinnenfadenbrücken? Kein Problem. Grenzlandhyänen? Ha, da hab’ ich inzwischen ganz anderes erlebt! Und deshalb gehe ich jetzt nach Hause zurück!” Er wickelte sich das Seil um den Bauch und knotete es zu. Diesmal würde er auf die Schlucht besser vorbereitet sein. Er wandte sich ab, vollends entschlossen, sich diesmal nicht aufhalten zu lassen.

      „Patrick, hiermit mache ich meinen zweiten Wunsch geltend!” Die Stimme der Fee klang scharf, schärfer als je zuvor.

      Vor dem entfernten Lärm des Kampfgeschehens verstrich auf der Hochebene eine Minute tiefen Schweigens.

      Dann fragte Patrick: „Wen?”

      „Du erinnerst dich doch: Du bist mir drei Wünsche schuldig.”

      Patrick knirschte mit den Zähnen. Er dachte kurz daran, wie die Fee in seinen Kopf eingedrungen war und dort diesen unerträglichen Zwang ausgeübt hatte. Ein paar Schritte lief er auf und ab. Dann kickte er ein Steinchen weg, das sich erdreistet hatte, ihm im Weg zu liegen, und sagte: „Na schön. Wenn ich Ihnen damit eine Freude machen kann.”

      Die Fee lächelte und streckte ihm die Hand entgegen.

      „Nicht nötig”, wehrte Patrick ab. „Ich komme allein zurecht.” Und tatsächlich schwang er sich ohne größere Schwierigkeiten hinter Pryssalia auf den Pferderücken.

      Niemand war davon mehr überrascht als Patrick selbst.

      Kapitel 5: Gruselgruft

      Selten hatte Obeidian Birnweich, seines Zeichens Minimister am Kleinzwergonischen Königlichen Hof, die Gruft betreten, deren Stufen er nun hinabstieg. Eine Pechfackel in der Hand, suchte er sich seinen Weg Stufe um Stufe abwärts. Glitschig war die Steintreppe, eng der Gang, muffig die Luft. Er tastete sich voran und die zwei Angehörigen der Wache folgten ihm. Sie wechselten beunruhigte Blicke, schwiegen aber.

      Obeidians Gedanken schweiften in die Vergangenheit. Anlässlich zweier Begräbnisse war er hier gewesen, doch das letzte lag bereits Jahrzehnte zurück. Zwergulin der Einundzwanzigste, Zwergulin der Zwanzigste … Nur noch Namen waren das, kaum erinnerte man sich noch an die Persönlichkeiten, die Zwergoniens Geschichte bestimmt hatten … Was hatten sie bewirkt?… Und vor ihnen, noch früher? Wer war damals maßgebend gewesen?

      Mit jeder Stufe, mit jedem Schritt, hatte Obeidian das Gefühl, dass die Geister der Vergangenheit sich ihm entgegenstemmten; er spürte einen Widerstand wie von strammer Luft und getraute sich kaum einzuatmen.

      Endlich war das Ende der Treppe erreicht. Obeidian streckte die Hand mit der Fackel vor. Ein finsteres Gewölbe lag vor ihm, von steinernen Pfeilern gestützt. Er tat einen Schritt und schon musste er husten, denn Spinnweben legten sich vor seinen Mund, Staub drang in seine Lungen. Er ging noch zwei, drei Schritte und versuchte sich zu orientieren. Richtig, hier waren die Ruhestätten der zuletzt Verstorbenen. Im flackernden Schein der Fackel sah Obeidian die Sarkophage links und rechts neben sich, in Wandnischen, jeweils zwei übereinander, auf Steinplatten ruhend, wie in Hochbetten.

      Obeidian hüstelte. Einer seiner Begleiter nutzte die Gelegenheit und äußerte sich ebenso.

      Der Minimister spähte in die Dunkelheit, die der Fackelschein nur notdürftig erhellen konnte. Viele Schritte lagen vor ihm. Ein langer Weg in die Vergangenheit …

      Er wandte den Kopf nach links. Die eingemeißelten Inschriften auf den Sarkophagen waren noch gut lesbar. Zwergulin der Einundzwanzigste, las Obeidian. Und darunter: Micrania, Gemahlin Zwergulins des Einundzwanzigsten. Er schaute nach rechts und entzifferte: Zwergulin der Zwanzigste. Maliniana, Gemahlin Zwergulins des Zwanzigsten.

      Obeidian schritt weiter voran. Er zog die Stirn kraus. Ein Gedanke hatte sich in seinem Kopf festgekrallt. Er konnte ihn noch nicht recht fassen, aber …

      An zahlreichen verblichenen Herrschern ging er vorüber, fegte Spinnweben beiseite und verwehrte dem Staub das Eindringen in seine Atemwege erst mit seinem Tüchlein, dann, als der